
BODO ILLGNER über…
…die Bedeutung des Clásicos: „Der Clásico ist etwas ganz Besonderes. In Spanien dreht sich die ganze Saison um das Duell Madrid gegen Barcelona und der Clásico kann einer ganzen Spielzeit eine besondere Wendung geben. Die Dimensionen sind nochmal größer als beim Revierderby oder bei Bayern gegen Dortmund. Der Clásico lässt niemanden in Spanien kalt.“
…den kürzlich verstorbenen Johann Cruyff: „Cruyff hat als Spieler und Trainer Barcelona aus der Bedeutungslosigkeit herausgeführt und aus einer Verlierer- eine Gewinnermannschaft gemacht. In ganz Spanien erfährt er sehr, sehr viel Respekt. Er hat den Samen gesät für die Entwicklung Barcelonas und die Erfolge dieses Klubs. Es wird sicherlich eine Gedenkminute und ein beeindruckendes Mosaik geben, aber auf die Leistung wird dies keinen Einfluss nehmen.“
…seine schönsten Clásico-Erinnerungen: „Da ist zum einen mein erster Clásico 1997, den wir im Bernabéu 2:0 gewonnen haben. Das war für uns ein Riesenerfolg, weil wir zu dem Zeitpunkt eine neu zusammengewürfelte Mannschaft waren und Barcelona amtierender Europapokalsieger der Pokalsieger. Wir haben damals die ganze Woche eine Doppeldeckung einstudiert, um den pfeilschnellen Ronaldo zu stoppen. Er war zu der Zeit der Superstar und der gefährlichste Stürmer im Weltfußball. Mit Fernando Hierro und Rafa Alcorta hatten wir dagegen nicht die allerschnellsten Innenverteidiger. Im Rückspiel im Camp Nou in der gleichen Saison habe ich einen Elfmeter gegen Ronaldo gehalten. Wir haben das Spiel zwar durch den verwandelten Nachschuss 0:1 verloren, aber damit den direkten Vergleich gewonnen, der in Spanien ja der erste Tiebreaker ist, wenn es bei Punktgleichheit um die Meisterschaft geht. Am Ende holten wir mit zwei Punkten Vorsprung den Titel, aber hätten auch diesen Faktor auf unserer Seite gehabt. Zu meinen persönlichen Erinnerungen zählt auch noch ein aus dem Winkel gefischter Freistoß von Rivaldo. Und unvergessen bleibt der Schweinskopf, der auf den Platz geschmissen wurde, als wir zum ersten Mal mit Luís Figo nach seinem Wechsel von Barcelona nach Madrid im Camp Nou angetreten sind.“
…die Auswärtsaufgabe im Camp Nou: „Ich habe es immer genossen, auswärts zu spielen. Mich haben die Pfiffe und Animositäten immer angespornt, so dass der Clásico ein sehr herausforderndes Ereignis war. Aber ich erinnere mich auch an ein Spiel in Barcelona, in dem wir gar keine Schnitte gesehen haben. Dann spürt man in so einem Stadion eine gewisse Machtlosigkeit.“
…die Frage, ob er als Neuzugang eine besondere Einführung bezüglich des Clásicos erhielt: „Das war nicht notwendig, das hat man vom ersten Tag an gespürt – im Umfeld, bei den Bekannten, im Training, auf der Straße. Zwei, drei Wochen vorher musste man seine Kartenbestellungen abgegeben und da kamen dann immer die Mitspieler und meinten: ‚Wenn du nicht alle deine Karten brauchst, kauf sich sie dir ab.‘ Die Atmosphäre spitzt sich im Vorfeld auf das Spiel zu.“
…einen Sieg im Clásico als Weg zur Besänftigung der Fans: „Mit einem Sieg kann man die Wogen glätten. In dieser Saison wird das für Madrid aber schwierig, weil das Hinspiel im Bernabéu desaströs und katastrophal war. Die Mannschaft ist am Samstag arg in der Pflicht, das wieder gerade zu bügeln.“
…den Ausgang des Clásicos: „Der Tipp kommt mehr vom Herzen. Ich hoffe, dass Real Madrid mehr Hunger hat in diesem Clásico, weil es nach dem Hinspiel einiges gutmachen muss und hoffe auf ein positives Ergebnis für Real.“
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…die Restchancen in der Meisterschaft: „Ich bin ein hoffnungsloser Madridista und auch ein übergroßer Optimist, aber bei zehn Punkten Rückstand und der Klasse Barcelonas ist es sehr schwierig, noch ernsthaft an den Meistertitel zu glauben. Die Stärke Madrids ist, niemals aufzugeben und bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Aber die Leistungen in dieser Saison waren und sind sehr durchwachsen.“
…die Champions League als letzten Strohhalm: „Wir haben 1998 bewiesen, dass man nicht unbedingt eine tolle Saison in der Liga spielen muss, um die Champions League zu gewinnen. An diesen Strohhalm klammert sich Real Madrid. Mit dem Potenzial der Mannschaft ist ein Triumph in der Königsklasse natürlich möglich. Wolfsburg ist auf dem Papier sicher einer der leichteren Gegner, aber der größte Fehler wäre, den VfL zu unterschätzen. Was dann passieren kann, hat Madrid vergangene Saison gegen Schalke 04 erlebt. Deshalb sollte Madrid gewarnt sein.“
…die Gründe für Barcelonas aktuellen Vorsprung: „Barcelona ist ein sehr homogenes Team. Die Mannschaft und der Trainer haben nach anfänglichen Reibereien zueinandergefunden. Die Verstärkung durch Luis Suárez ist enorm, das Offensivtrio mit dem Uruguayer, Messi und Neymar überragend stark. Dieses Mannschaftsgefüge ist bei Madrid aktuell nicht vorhanden. Es gibt hervorragende Einzelspieler, aber Rafa Benítez hat es zu Saisonbeginn nicht geschafft, die Spieler als Einheit zu formen, die Stimmung war schlecht. Sie scheint jetzt mit Zinédine Zidane besser zu werden. Aber Madrid hängt in Homogenität und Mannschaftsstärke Barcelona hinterher.“
…die Einflüsse der vielen Trainerwechsel: „Mit jedem Trainerwechsel verändern die Spieler ihre Wertigkeit. Jeder Trainer hat andere Ideen und manche Spieler leiden darunter oder profitieren davon. Unter Ancelotti war die Stimmung gut, die Homogenität war gegeben, unter ihm wäre sicher etwas mehr drin gewesen. Madrid fehlt es im sportlichen Managementbereich an Kontinuität. In der sportlichen Planung, für die in großen Teilen der Präsident Florentino Pérez zuständig ist, liegt Vieles im Argen. Es werden tolle Einzelspieler verpflichtet, aber es wird wenig auf das Gleichgewicht in der Mannschaft geachtet. Es werden nicht die Spieler für die Positionen verpflichtet, die die Mannschaft braucht, sondern es werden die Spieler verpflichtet, die aus Marketingsicht für neue Märkte interessant sind.“
…die Frage, ob James Rodríguez als Beispiel der fehlerhaften Kaderplanung dient: „Zum Beispiel, obwohl James im ersten Jahr sehr, sehr gute Leistungen gezeigt hat. Aber es ist eine Position, die nicht unbedingt hätte besetzt werden müssen. James, Isco, Toni Kroos und Luka Modrić sind für mich alle ähnliche Spielertypen, die offensiv als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff agieren können. Da nicht für alle Platz ist, werden Spieler auf defensivere Positionen umgepolt. Dass das nicht immer funktioniert, sollte jedem klar sein. Kroos hat seine Stärken nicht auf der Xabi-Alonso-Position, sondern etwas weiter vorne, auch wenn er eine gute erste Saison gespielt hat. Auch Modrić hat sich angepasst, wobei er den Vorteil hatte, Xabi Alonso an seiner Seite zu haben. Es ist ganz einfach nicht die optimale Lösung, sich die besten Offensivspieler zu holen und sie dann in der Defensive einzusetzen.“
…die Frage, ob Florentino Pérez aus dem Verkauf Claude Makélélés nichts gelernt hätte: „Der defensive Mittelfeldspieler hat in den letzten Jahren zu wenig Wertschätzung erhalten. Makele oder auch Fernando Redondo und Sanchís, die zu meiner Zeit aktiv waren, werden immer wieder als Beispiele angeführt für Spieler, die in erfolgreichen Mannschaften das Mittelfeld kontrollierten. Im Moment wird diese Position von Offensivspielern ausgefüllt, das funktioniert nur punktuell.“
…die Frage, ob sich Real bereits um einen Nachfolger für Cristiano Ronaldo kümmern müsse: „31 ist sicher ein fortgeschrittenes Alter für einen Spieler, der vor allem von seiner Explosivität lebt. Es liegt auf der Hand, dass Madrid ein Nachfolger für Ronaldo suchen muss. Wenn man Messi und Ronaldo vergleicht, hat man beim Argentinier aufgrund seines Alters und seiner Spielweise das Gefühl, dass noch viel mehr Jahre Spitzenfußball in ihm stecken als bei Ronaldo.“
…die Transferpanne rund um David de Gea: „Das war Madrid und Manchester United unwürdig. Ich bin damals auch auf die letzte Minute verpflichtet worden, und wenn es klappt, spricht keiner darüber. Aber diese Panne zeigt natürlich auch die fehlende Linie in der sportlichen Leitung, um solche Entscheidungen rechtzeitig einzuleiten und den Transfer dann durchzuführen.“
…die Frage, ob man sich in Anbetracht der starken Leistungen Keylor Navas’ überhaupt um De Gea bemühen sollte: „Durch die Vertragsverlängerung bei Manchester United hat sich die Situation De Geas komplett geändert, Madrids Verhandlungssituation ist eine ganz andere. De Gea ist sicher der kommende Nationaltorwart Spaniens, daher ist es verständlich, dass sich Madrid an einem zukünftigen Idol Spaniens orientiert. Aber mit seiner Verpflichtung würde sich Real neue Probleme ins Haus holen, weil man den sehr, sehr starken Navas mit einem sehr, sehr starken De Gea ergänzen würde und dann die Diskussion führen müsste: Wer ist die Nummer eins und wer spielt welchen Wettbewerb? Das ist grundsätzlich nicht ideal. Das funktioniert bei manchen Vereinen, wie eben in Barcelona, aber wer weiß wie lange noch.“
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