
Eindeutige Angelegenheit? Von wegen
MADRID. 0:3. In Worten: Null zu Drei. Blickt man auf das nackte Ergebnis des ersten Liga-Clásicos zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona in dieser Saison, könnte der Eindruck entstehen, es handelte sich (mal wieder) um eine sehr eindeutige Angelegenheit für die Katalanen. In diversen deutschen Medien war bisweilen sogar von einer „Machtdemonstration“ der „Blaugrana“ und einer erneuten „Messi-Show“ zu lesen. Doch das war der 237. Clásico keineswegs. Genauso wenig bekamen die Zuschauer im Bernabéu an diesem Nachmittag ein offensives Spektakel zu sehen. Nüchtern betrachtet, bestand der Unterschied eigentlich tatsächlich darin, dass der FC Barcelona seine Drangphase nach der Pause in Tore ummünzte und Real Madrid seine Dominanz im ersten Durchgang eben nicht – und sich die Königlichen durch zwei unerklärliche Geschenke quasi selbst aus dem Spiel nahmen sowie letztlich wohl auch endgültig aus dem Meisterrennen verabschiedeten.
Und genau aus diesem Grund hinterlässt dieser Clásico auf Madrider Seite einen doppelt bitteren Beigeschmack. Weil er – ohne den am Ende zweifelsohne hochverdienten Sieg Barças dadurch schmälern zu wollen – ein Gefühl von „es-wäre-so-verdammt-viel-mehr-möglich-gewesen“ hinterlässt. Aber der Reihe nach.
Zidanes Plan geht auf – aber nur für 45 Minuten
Zinédine Zidane sorgte mit der Nominierung von Mateo Kovačić für Isco für eine kleine Sensation in der Startaufstellung, die bei genauerer Betrachtung eigentlich keine ganz so große war. Schließlich hatte sich der Kroate in der Vergangenheit bereits als Gegenmittel für Lionel Messi bewährt und der Andalusier in den vergangenen Partien seine starke Form von Beginn der Saison eingebüßt, trotz allem ging „Zizou“ durch das Opfern seines kreativsten Mittelfeldmannes natürlich ein gewisses Risiko ein. Ein Risiko, das sich in den ersten 45 Minuten allerdings voll auszahlte: Kovačić engte die Kreise von Messi im ersten Durchgang hervorragend ein, sodass der Argentinier lediglich bei seinem Schnittstellenpass vor Paulinhos Großchance nennenswert in Erscheinung trat, überhaupt mussten sich die „Blaugrana“ ungewohnt oft in lange, unkontrollierte lange Bälle nach vorne flüchten, weil Real clever und verhältnismäßig hoch anlief. Auf der anderen Seite präsentierten sich die Madrilenen gewohnt ballsicher und traten dominant wie lange nicht mehr in einem Clásico auf.
[advert]
Doch das große Dilemma der bisherigen Spielzeit konnten die Blancos auch im Spiel der Spiele nicht ablegen: Trotz guter Einschussmöglichkeiten stand auf der Anzeigetafel die Null, die Effizienz erwies sich einmal mehr das große Problem. Gelingt es Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema ihre Hochkaräter in Durchgang eins in Tore umzumünzen, man würde selbstredend über ein anderes Spiel diskutieren. Aber der Fußball ist bekanntlich kein Konjunktiv und so ging es torlos in die Kabinen, allerdings mit spielerisch deutlichen Vorteilen für die Königlichen.
Valverde reagiert, Zidane verzockt sich, Real pennt
Nach der Pause sollte sich dieses Bild allerdings ändern. Weil beide Trainer ihre Taktik umstellten. Allerdings sollte nur Ernesto Valverdes Plan aufgehen. Beide Teams ließen es nach dem Seitenwechsel merklich ruhiger angehen. Real zog sich weiter zurück und attackierte erst auf der Höhe der Mittellinie, der Plan war offensichtlich, auf Konter zu lauern und die Geschwindigkeitsvorteile in der Offensive entsprechend auszuspielen. Das Problem an der Sache: Barça ließ sich alles andere als locken und machte sich seine komfortable Ausgangslage, überhaupt keinen Druck hinsichtlich eines „Gewinnen-Müssens“ zu verspüren, perfekt zu Nutzen. So fuhren Iniesta und Co. den Spielrhythmus herunter und gewannen nach und nach die Kontrolle über das Spielgeschehen zurück, Real hingegen fand aufgrund seiner zunehmenden Passivität überhaupt keinen Zugriff mehr und lief auch nur noch halbherzig an. Vor allem aber ließen die Blancos mehr und mehr die nötige Spannung vermissen und vermittelten keineswegs den Eindruck, dass es sich hier um die möglicherweise letzte Chance handelte, um ernsthaft ins Meisterrennen eingreifen zu können.

Es war zwangsläufig, dass Barcelona jenes mangelhafte Defensivverhalten zwangsläufig in Torchancen respektive Treffer ummünzen würde, wie das 0:1 allerdings letztlich entstand, ist dann doch äußerst diskutabel. Angefangen bei Toni Kroos, der überhaupt keine Anstalten machte, Sergio Busquets ernsthaft zu bedrängen, über den hinterhertrabenden Luka Modrić sowie den völlig falsch positionierten Casemiro bis hin zum in dieser Situation indisponierten Mateo Kovačić und den ebenfalls schläfrigen Daniel Carvajal. Die Katalanen legten in jener Situation schonungslos offen, was Real in dieser Spielzeit in den entscheidenden Momenten abgeht: Nämlich die nötige Einstellung, defensiv in jeder Situation an seine Grenzen zu gehen und im Kollektiv konzentriert zu verteidigen. Und anders als Real gelang es den Katalanen ihre Druckphase mit einem Tor zu vergolden.
Barça killt Real in zehn Minuten
Und mit jenem 0:1 war die Partie im Prinzip auch gelaufen. Während Barcelona durch den Führungstreffer zusätzlich an Sicherheit gewann und nun alle Trümpfe in der Hand hielt – schließlich wäre auch ein letztliches Remis mit einem Erfolg gleichzusetzen gewesen –, war den Blancos die Verunsicherung und Hilflosigkeit geradezu ins Gesicht geschrieben. Was Messi und Co. ebenfalls zugleich auszunutzen wussten und vehement auf das zweite Tor drückten. Dass Carvajal mit seinem Handspiel dann auch noch ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk verteilte und Zidane somit jegliche Möglichkeit für eine Reaktion nahm, passte zu dieser völlig verkorksten zweiten Hälfte. Durch den Platzverweis war die Partie endgültig tot, wie clever und abgebrüht Barcelona die Partie schließlich zu Ende spielte verdient dabei auch ein nicht minder großes Maß an Anerkennung.
Real scheitert vor allem an sich selbst
Dass der Sieg des Tabellenführers am Ende hochverdient war, daran bestehen keinerlei Zweifel, wenngleich er möglicherweise am Ende tatsächlich um ein Tor zu hoch ausfiel. Allerdings wird diese Niederlage von dem Eindruck begleitet, dass man diesmal nicht an einem übermächtigen Erzfeind gescheitert ist – denn das war Barcelona diesmal nicht –, sondern viel mehr an sich selbst und der Angst vor der eigenen Courage. Es wäre, um das Anfangswort noch einmal aufzugreifen, einfach so verdammt viel mehr möglich gewesen. Und genau deswegen ist diese Clásico-Niederlage auch so verdammt schwierig zu verdauen.
Flug, Hotel und Ticket aus einer Hand: Jetzt Reise bei Fussballreisenonline.de buchen
Community-Beiträge