
Zwölf Jahre des Wartens haben ein Ende
LISSABON. „Cómo no te voy a querer si fuiste Campeón de Europa por novena vez“, sangen die Fans von Real Madrid zwölf Jahre lang. Zwölf verflixte Jahre lang huldigten sie den neun Europapokalsiegen, die in einer schon einzustauben drohenden Vitrine im Estadio Santiago Bernabéu vegetierten. Zwölf verflixte und vermaledeite Jahre schmückte sich der beste Verein des 20. Jahrhunderts mit seiner Vergangenheit. Jetzt beginnt ein neues Kapitel, denn der König ist wieder dort, wo er hingehört: an der Spitze des Weltfußballs! All die harte Arbeit in den letzten Spielzeiten hat sich ausgezahlt, all das Pech ist verflogen. Aus dem Real Madrid, das nach regelmäßigen Achtelfinal-Debakeln den Spott der Fußballwelt auf sich zog, ist eine kompakte Mannschaft gereift, die jedem Gegner das Fürchten lehrt und auch in schier aussichtslosen Situationen die Hoffnung und Contenance aufrecht erhält.
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— Real Madrid C. F. (@realmadrid) 24. Mai 2014
Der Glaube bis zum Schluss bringt „la Décima“
Auf diese Art und Weise haben die Jungs von Carlo Ancelotti, der wegen seiner väterlichen Art als italienischer Vicente del Bosque durchgeht, heute Abend triumphiert. Bis weit in die Nachspielzeit sah es alles andere als rosig für ihn und seine Truppe aus. Ausgerechnet das in der Vergangenheit stets als Laufkundschaft durchgehende Atlético stand kurz davor, dem Goliath den Traum von „la Décima“ zu einem Albtraum werden zu lassen. Ein wie von der verstorbenen Legende Juanito beschworener Glaube half den Merengues jedoch, den Spieß umzudrehen. Anders ausgedrückt: Ein Kopfballtor des beherzten Kriegers Sergio Ramos, dem Juanito der Gegenwart wenn man so will, brachte den mehr als verdienten 1:1-Ausgleich in der 92. Minute. Die Ecke trat Luka Modric, der heute wie viele andere nur eine durchschnittliche Leistung zeigte. Aber das war egal. Auch an einem schlechten Tag bewies das Ancelotti-Team seine Geschlossenheit und seinen Kampfgeist, die in den letzten Spielzeiten fehlte. „Einer für alle, alle für einen“, lautete die simple und viel zitierte Fußball-Formel, die die „Rojiblancos“ und Diego Simeone stürzten. Sie wirkte sehr spät, aber sie wirkte.
Zwei Gefühlswelten: 90 Minuten Albtraum, 30 Minuten Orgasmus
Als Ramos einnickte, stand jeder Madridista am Rande eines Herzinfarkts. Lange rannten die Nummer 4 und ihre Kollegen an, lange blieben sie am Bollwerk des Feindes hängen. Die Partie erinnerte bisweilen fast schon an das verlorene Copa-del-Rey-Finale im vergangenen Jahr oder die jüngste Liga-Pleite im Bernabéu, als Real einfach keine Mittel zu finden schien, der defensiven und aggressiven Spielweise des Gegenübers entgegenzuwirken. Das Erfolgstrio „BBC“ funktionierte nicht: Die angeschlagenen Cristiano Ronaldo und Karim Benzema blieben unter ihren Möglichkeiten, Gareth Bale erwischte keinen optimalen Tag und versemmelte die wenigen Großchancen kläglich. Obendrein machte sich das Fehlen des Denkers und Lenkers im Mittelfeld, Xabi Alonso, deutlich bemerkbar. Atlético dagegen kam auch ohne den nach nur neun Minuten ausgewechselten Diego Costa besser ins Spiel und schaffte es mit nur einer Aktion, Iker Casillas zu überwinden. Beim 0:1 durch den Uruguayer Diego Godin (35.) half der Kapitän jedoch gehörig mit.

Spätestens mit diesem Rückschlag kurz vor dem Seitenwechsel wurde es die zerfahrene Partie, vor der es jedem Real-Fan graute. Eine Partie, bei der die Schützlinge von Simeone ihr Leben gaben und sich mit ihrem Zweikampfverhalten wieder einmal mehrfach am Rande des Erlaubten bewegten. Erst mit den Einwechslungen der offensiveren Isco und Marcelo, die Ancelotti für Sami Khedira und Fábio Coentrão nach gut einer Stunde in die Schlacht beförderte, besserten sich die Aussichten für den Favoriten. Wirklich zwingend waren die Bemühungen aber nicht. Als die Nerven schon mit einigen in Weiß gekleideten Personen auf den Rängen durchgingen, holte Ramos die Brechstange raus und köpfte sein Team ins Glück. Obgleich es nur 1:1 stand, war der Erfolg mit diesem Last-Minute-Treffer besiegelt. Atlético, mental wie körperlich tot und ohne weitere Wechselmöglichkeiten, prüfte Casillas nicht ein weiteres Mal. Die Absicht, sich ins Elfmeterschießen zu retten, erwies sich als aussichtslos.
So kläglich die reguläre Spielzeit verlief, so glorreich war das, was sich ab der 92. Minute ereignete. Die Verlängerung fühlte sich für jeden Anhänger des weißen Balletts wie ein Orgasmus an. Der in der Atlético-Kurve zuvor als Chancentod belächelte Bale avancierte zum Helden, als er einen von Thibaut Courtois parierten Schuss des bärenstarken Ángel Di María über die Linie nickte (110.). Pure Ekstase im da Luz. Marcelo, mit einem Linksschuss, und CR7, per Strafstoß, hübschten das Ergebnis noch auf. Entscheidend war jedoch die 92. Minute, in der sich Ramos unsterblich machte. Spätestens jetzt ist dem Abwehrchef aus Camas ein Platz in den königlichen Hallen sicher. Für diesen vorbildlichen Teamspirit bleibt aber jeder einzelne in Erinnerung. Schließlich brachte dieser Teamspirit den wichtigsten Titel zurück nach Madrid…
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