
„Wir waren alle richtig niedergeschlagen“
MAILAND/AUGSBURG. Sein 100. Länderspiel als Trainer der deutschen Nationalmannschaft hat sich Joachim Löw mit Sicherheit ganz anders vorgestellt – aber nicht aufgrund des Resultates gegen Italien. Die schwere Verletzung von Sami Khedira stellte alles in den Schatten. Auch das 1:1 gegen die „Squadra Azzura“. Schon als das rechte Knie des Real-Stars in einem Zweikampf mit Andrea Pirlo in der 65. Minute nach innen knickte und die Nummer 6 sofort ausgewechselt werden musste, ahnte man Böses. Die schlimmen Befürchtungen bewahrheiteten sich am Samstagmorgen: Riss des vorderen Kreuzbandes, Riss des Innenbandes.
Als Löw diese Schock-Nachricht um kurz nach 2 Uhr morgens übermittelt bekam, verschluckte er sich beinahe am Rotwein, den er gerade an der Bar des Mannschaftshotels Principe di Savoia genoss. Die Mannschaft blieb lange wach, wartete auf die Rückkehr Khediras ins Quartier. Er kam und überbrachte ihr die schlechten Nachrichten. Die Stimmung im deutschen Lager verschlechterte sich schlagartig. „Wir waren alle richtig niedergeschlagen, weil ich mich in den letzten Jahren, seit 2004, seit ich dabei bin, nicht daran erinnern kann, dass es jemals so eine schwere Verletzung gab. Und gerade beim Sami, der für uns so eine große Persönlichkeit und so ein wichtiger Spieler ist, hat uns das sehr, sehr getroffen“, berichtete der 53-Jährige bei der ARD.

Mindest-Ausfallzeit: Sechs Monate
In bedrückter Atmosphäre reiste die DFB-Truppe am Nachmittag nach London, wo sie am Dienstag in Wembley im Rahmen eines erneuten Testspiels auf England trifft – natürlich ohne Khedira. Der 26-Jährige begab sich gemeinsam mit Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dem Arzt der Nationalmannschaft, auf den Weg nach Augsburg, wo er sich in der Hessingpark-Clinik vom Knie-Spezialisten Dr. Ulrich Boenisch operieren ließ. „Die Operation ist gut verlaufen“, so Müller-Wohlfahrt. Anwesend waren dabei auch Jesus Olmo und Francisco Morate, zwei Ärzte von Real Madrid. Wie der spanische Rekordmeister mitteilte, werde der Mittelfeldmann nun drei Wochen in Bayern bleiben und dort unter Beobachtung der Mediziner der Merengues einem Plan zur Genesung folgen.
„Sechs Monate ist das Minimum“, erklärte Dr. Andree Ellermann, Chef der Arcus-Sportklinik in Pforzheim, wie lange Khedira fehlen werde. „Dann könnte er wieder auf dem Platz stehen, ist dann aber noch lange nicht in Topform. Und das schafft er auch nur, wenn der Knorpel und die Menisken unbeschädigt sind“, meinte der Mann, der bereits um die 5.000 Kreuzbandrisse operierte und daher nicht zu unrecht in der Bundesrepublik als Kreuzband-Experte Nummer eins gilt. Weil gesund sein nicht mit topfit sein gleichzusetzen ist, besitzt der 44-fache Nationalspieler, der 2010 vom VfB Stuttgart nach Spanien wechselte, Stand jetzt äußerst schlechte Karten auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Am 12. Juni wird diese eröffnet – also in knapp sieben Monaten. „Wenn Löw sein Credo durchsetzt, nur hundertprozentig fitte Spieler mitzunehmen, wird Khedira es nicht schaffen“, denkt Ellermann.
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„Er wird es nicht schaffen, auf ein Top-Niveau zu kommen“
Die Einschätzung von Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus geht in dieselbe Richtung. Der 52-Jährige bei SKY SPORTS NEWS HD: „Ich glaube, das war’s mit der WM für Sami Khedira. Ich kenne das von meinen eigenen Verletzungen. Er wird es bis zum Sommer nicht schaffen, auf ein Top-Niveau zu kommen.“ Auch wenn die Chancen nicht gerade hoch einzustufen sind, dass der Madrilene eines von 23 Tickets für den Zuckerhut erhält, ist eines immer möglich: Kämpfen, ackern, arbeiten. Versuchen kann man es – erst recht, wenn es um eine WM geht. Müller-Wohlfahrt: „Wir haben die Hoffnung, dass er zu Beginn der WM wieder gesund ist und fit sein wird.“ Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…
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