
Mourinho nach Madrid – mehr Erwartungen gehen nicht
MADRID. Es gibt keinen Trainer auf der Welt, der für so viel Kontroversen sorgt, wie José Mourinho. Er ist die wohl spektakulärste Trainerpersönlichkeit der Fußballwelt, weshalb ein Engagement beim wohl spektakulärsten Fußballverein nur eine der Frage der Zeit war. Man erinnert sich an das Champions-League-Finale 2010, als er mit Inter Mailand die Champions League gewinnen konnte. Das Finale, ausgerechnet im Estadio Santiago Bernabéu in Madrid. Bereits Wochen zuvor wurde über einen potentiellen Abschied Mourinhos aus Italien spekuliert, den er kurz nach dem Abpfiff selbst bestätigte: Es war nur ein kurzes Kopfnicken auf die Frage, ob er Mailand verlassen werde und in der kommenden Saison Madrid trainiere, das alles veränderte. Während andere Trainer mit „Mal sehen“ antworten würden, verkündete es José Mourinho kurz und schmerzlos vor laufenden TV-Kameras – „the Special One“-like eben.
[dataset id=46]Am 31. Mai 2010 wurde Portugiese bei Real Madrid als neuer Cheftrainer vorgestellt und wurde so gleichzeitig zum bestbezahltesten Fußballcoach der Welt (geschätzte 10,5 Millionen Euro im Jahr). Die Erwartungen an ihn und Real Madrid waren damit exponentiell groß. Die Blancos, die zu diesem Zeitpunkt in der Liga dem Erzrivalen FC Barcelona chancenlos unterlegen und in der Champions League mit dem jahrelangen Achtelfinal-Fluch belastet waren, erhofften sich von und mit Mou das Comeback der alten, glorreichen Zeiten. La Décima war die Mission, was für Mourinho den dritten Titel in der Königsklasse mit dem dritten Verein bedeutet hätte – ein Ziel, das am Ende nur ein Traum blieb.
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Mourinho übernimmt die Macht und die Titel
So übernahm José Mourinho zur Saison 2010/11 die Führung bei Real Madrid. An seiner Seite Aitor Karanka, der einstige Nachwuchscoach des spanischen Fußballverbandes. Ein Zweigespann, das scheinbar wie gemacht war, diese Bürde zu tragen, die bei diesem Verein alles andere als leicht ist. Die erste Saison unter den Fittichen Mourinhos verlief aus sportlicher Sicht dann aber bereits zufrieden stellend: Zwar unterlag er im ersten Clásico seiner Karriere im Camp Nou mit 0:5, was seine höchste Niederlage überhaupt bedeutete, doch sollte das kein Indikator für den Rest der Saison sein. In der Champions League kam man endlich wieder bis ins Halbfinale, wo dann ebenfalls nur der FC Barcelona noch einen Tick zu stark war, man aber nur knapp unterlegen war. Das Ruder konnte man wenig später aber wieder rumreißen und schlug den katalanischen Feind im Finale der Copa del Rey, was den ersten Pokalsieg Madrids seit 18 Jahren bedeutete.
Gleich in der Premierensaison war also ein Teil der Erwartungen – Titel für die Vitrinen des Bernabéu zu gewinnen – erfüllt. Was jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits neben dem Platz ablief, schien ein Vorgeschmack auf das zu sein, was noch kommen sollte. Nach einem Streit mit dem damaligen Generaldirektor Jorge Valdano, wurde kurzerhand das vereinsinterne Organigramm zugunsten Mourinhos über den Haufen geschmissen. Die Machthabe über den sportlichen Bereich der Merengues lag bei Mourinho. Valdano musste gehen, der Weg war frei für Mou. So sollte ihn die folgende Saison in seinen Machenschaften bestätigen, führte er sein Team in der Saison 2011/12 doch zu sagenhaften Rekorden. Einen neuen Punkte- und Torrekord in der Primera Division (100 Punkte, 121 Tore) stellte er auf, während man problemlos nach drei erfolglosen Jahren endlich wieder die Meisterschaft feiern konnte. In der Champions League war hingegen wieder im Halbfinale Endstation, als man sich letztlich im Elfmeterschießen dem FC Bayern München geschlagen geben musste.
„Mourinho sagte mir, dass in England ein Spiel 90 Minuten dauert, in Spanien hingegen sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag“Florentino Pérez zitiert José Mourinhos Gründe für den Abschied
Als Fazit aus dieser starken Saison wurde sogleich der bis 2014 gültige Vertrag um zwei Jahre bis 2016verlängert. Es folgte die dritte und gleichzeitig letzte Spielzeit des heute 50-Jährigen als Übungsleiter an der Concha Espina. Zwar ging es mit dem Titel in der Supercopa gegen Barça gleich vielversprechend los, doch geriet die Maschinerie gleich zum Saisonstart ins Stocken. Ausrutscher gegen vermeintlich schwächere Gegner in der Liga veranlassten schon früh dazu, die Meisterschaft an Barcelona abzuschreiben. Es folgte eine desolate Vorstellung im Champion-League-Halbfinal-Hinspiel in Dortmund, wo man mit 1:4 unter die Räder geriet und wonach die Unruhen, die sich über die Saison aufbauten, zu eskalieren drohten. Zwar wurde es im Rückspiel aufgrund eines 2:0 für Real nochmals spannend (3:0 hätte für Finale gereicht), doch schied man letztendlich zum dritten Mal in Serie in der Runde der letzten Vier aus. Als dann selbst das Trostpflaster namens Copa del Rey nicht mehr gewonnen wurde und das Finale gegen Atlético Madrid im eigenen Stadion nach 120 Minuten mit 1:2 verloren war, wurde die Luft dünn in der spanischen Hauptstadt.
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Ein Ende, das keiner sicher wusste, aber jeder vermutete
Diese letzte, titellose Saison bei Real Madrid bedeutete den metaphorischen Genickbruch für Mourinho als Trainer des spanischen Rekordmeisters. Eine Saison ohne Erfolge bedeutet ohnehin meist das Ende einer Etappe in Madrid, doch spielte in der Causa Mourinho ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle: Mourinho wollte Macht, bekam diese, doch wurde es dann zu viel. Mit der Ausbootung des Kapitäns Iker Casillas und der öffentlichen Kritik am „heiligen Iker“ verspielte sich Mourinho bei den meisten Fans und vor allem auch bei der Presse jeglichen Kredit. Es waren unzählige Unruhen in dieser Saison, ob ein vermeintliches Gespräch der Mannschaftskapitäne mit dem Präsidenten oder auch kleineren Kontroversen, wie der Streit mit Nachwuchscoach Alberto Toril, die eine weitere Zusammenarbeit unmöglich machten. Zu guter Letzt sorgte auch noch die Ausbootung von Pepe für Gesprächsstoff.
So wurde am 20. Mai 2013, knapp drei Jahre nach seinem Amtsantritt, auf einer Pressekonferenz mit Florentino Pérez bekanntgegeben, dass „niemand entlassen wurde“, sondern es eine „einvernehmliche Entscheidung“ gewesen sei. „Es ist nicht schön, dass er geht, aber nach drei Jahren waren wir uns einig, dass es an der Zeit ist, diese Beziehung zu beenden.“ Der Vereinspräsident unterstrich nochmals, dass man „die sportlichen Entscheidungen Mourinhos respektieren“ müsse. So war es ein Ende, das sich im Endeffekt wohl aber sicher bereits seit langem andeutete. Der Druck, der in Spanien auf einem Fußballtrainer lastet, ist so groß, dass nicht mal ein José Mourinho, der es so sehr liebt, mit den Medien und vor allem seinen Kritikern zu spielen, schaffte, diesem Stand zu halten. Noch ist ein Nachfolger für die Trainerbank nicht gefunden, doch werden die Erwartungen die gleichen wie vor drei Jahren sein: La Décima steht über allem, wobei der Druck, den möglicherweise einen Carlo Ancelotti erwartet, nicht geringer sein dürfte. Bedanken darf man sich bei Señor Mourinho für drei Trophäen. Dafür, dass Real Madrid in Europa wieder wer ist. Dass eine erkennbare Philosophie an die Concha Espina zurückgekehrt ist. Doch unterm Strich muss man leider Gottes konstatieren: Titel geholt, die Mission Champions League aber nicht erfüllt…
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