
Nach der überzeugenden Leistung beim 1:1 (1:0)-Remis in der Vorwoche reisen die Königlichen zwar nicht mit einer optimalen Ausgangslage im Gepäck auf die Insel. Angesichts des beherzten Auftretens und des natürlichen Selbstvertrauens in „ihrem Wettbewerb“ peilen die Merengues trotzdem den Finaleinzug an. Um den vorletzten Schritt in Richtung Titelverteidigung zu gehen, sieht REAL TOTAL fünf wesentliche Schlüssel:
1. Im Kollektiv verteidigen
Einer der wesentlichen Faktoren, warum Manchester City seine geballte Offensivpower im Estadio Santiago Bernabéu nicht wie gewohnt entfalten konnte, liegt neben dem offensichtlichen Respekt vor den Blancos in der disziplinierten Defensivarbeit des Rekordsiegers. Ein wesentliches Element dieser Defensivarbeit bestand darin, dass die Merengues immer wieder versucht haben, durch eine hohe Positionierung von Karim Benzema zu verhindern, dass Stones ins Mittelfeld hochschieben und eine Vier-gegen-drei-Situation im Zentrum herstellen konnte. Das gelang zwar nicht durchgehend, erlaubte den Blancos aber einen besseren Zugriff im Mittelfeld. Luka Modrić und Federico Valverde ordneten sich Rodri und Ilkay Gündoğan zu, Toni Kroos orientierte sich in der Regel an Kevin de Bruyne.

Wenn es der englische Meister dann situativ schaffte, Stones eine Ebene höher zu schieben, orientierte sich Benzema auf Rúben Dias. Somit war dieser in der Regel gezwungen, über Akanji oder Walker zu spielen. Das verstanden Rodrygo Goes und Vinícius Júnior als Auslöser, um die Außenverteidiger gnadenlos zu pressen. Somit war der übliche City-Aufbau nicht oder nur sehr selten möglich.

2. Aggressive Außenverteidiger
In (defensiv)taktischer Hinsicht war im Hinspiel auch die Rolle der Außenverteidiger der Merengues entscheidend. Da die City-typische Überzahl im Zentrum oftmals verhindert werden konnte, kam den Außenspielern Jack Grealish und Bernardo Silva eine bedeutendere Rolle als gewohnt zu. So lösten sich diese immer wieder in die Halbpositionen oder kamen am Flügel entgegen, um von dort in die Eins-gegen-Eins-Duelle gehen oder über das Zentrum spielen zu können.

Indem sowohl Daniel Carvajal als auch Eduardo Camavinga diese Zuspiele erkannten und in den entscheidenden Momenten aggressiv nach vorne verteidigten, um im Idealfall ein Aufdrehen zu vermeiden, kam die Offensive der Gäste oft zum Erliegen. In diesem Zusammenhang war es wichtig, dass Carvajal und Camavinga im Notfall auch bereit waren, Foul zu spielen, um die Gefahr zu minimieren und den Spielrhythmus zu brechen.
3. Taktische Adaptionen und Spielintelligenz
Da die „Skyblues“ jedoch nicht nur ein Muster durchspielen (siehe hierzu auch den REAL TOTAL-Taktik-Check), sondern variabel agieren, waren sie dennoch in der Lage, Gefahr auszustrahlen. Gefährlich wurde es immer dann, wenn ein Außenspieler die Eins-gegen-Eins-Situation auflösen oder einen Mitspieler per Steckpass einsetzen konnte. De Bruyne machte immer wieder die Wege zwischen Innen- und Außenverteidiger.

Wenn das gelang und sich (vor allem der Belgier) aus dem Zugriffsbereich von Toni Kroos lösen konnte, kamen die Gäste zu gefährlichen Torabschlüssen.

Carlo Ancelotti und seine Schützlinge verfügen allerdings über derartig viel Spielintelligenz und Klasse, derartige Muster und Veränderungen innerhalb des Spiels zu erkennen und darauf zu reagieren. So hat der Titelverteidiger Valverde situativ in eine Art Dreier- beziehungsweise Fünferkette zurückgezogen (wie schon oft), sodass Alaba, Rüdiger und Valverde gegen De Bruyne, Gündoğan und Haaland in diesen Situationen eng verteidigen konnten. Kroos und Modrić ordneten sich dann den beiden Zentrumsspielern der „Citizens“ zu.
4. Kettenhund Rüdiger und situativ maximale Kompaktheit
Das letzte entscheidende Element, mit dem die Blancos der Guardiola-Elf große Probleme bereiteten, war einerseits das Matchup Rüdiger-Haaland und andererseits die situative maximale Kompaktheit im Spiel gegen den Ball. Die Zahlen (33 Prozent gewonnene Zweikämpfe) lesen sich auf den ersten Blick zwar nicht beeindruckend, aber durch sein aggressives Nach-vorne-Verteidigen und die energetische Körpersprache kaufte der deutsche Nationalspieler dem vielleicht besten Mittelstürmer der Welt den Schneid ab. So bekam Haaland den Ball fast nie in den Vorderfuß, da er durchgehend Rüdigers Atem spürte. Mit dieser Körpersprache und der puren Freude am Verteidigen steckte der oftmals kritisierte Sommerneuzugang auch seine Mitspieler an.

Darüber hinaus waren die Merengues in der Lage, situativ ein enorm kompaktes und konzentriertes Abwehrspressing zu spielen. So ließen die Hauptstädter im Zweifelsfall die Flügelposition offen, um den Raum zwischen den Linien maximal zu verengen.

5. Die eigenen Stärken ausspielen
Manchester City wirkt offensiv so variabel wie selten zuvor und verteidigt in dieser Champions-League-Kampagne zudem auf einem anderen Level als in den Vorjahren. Dementsprechend scheint es wichtig, diese Qualitäten zu erfassen und bestmöglich zu minimieren – voraussichtlich auch, indem immer wieder Adaptionen vorgenommen werden.

Doch trotz all der unbestrittenen Qualitäten der „Skyblues“ müssen die Blancos im Ethihad Stadium auch selbstbewusst ihre eigenen Stärken auf den Platz bringen. Denn wenn die Königlichen ihre Geschwindigkeit ausspielen – dies dürfte vor allem in Umschaltmomenten der Fall sein – sind Spieler wie Vinícius, Valverde oder der voraussichtlich von der Bank kommende Rodryo kaum zu halten. Hinzu kommt, dass Real Madrid selbst dazu in der Lage ist, stabile Ballbesitzphasen gegen ein Team wie City auf den Platz zu bringen – und dass kein anderes Team über derartig viel Erfahrung in entscheidenden K.o.-Duellen verfügt. Die Real Madrid-DNA, die (Sieger-)Mentalität, Überzeugung und Glauben an die eigene Stärke umfasst, scheint bei der Ancelotti-Elf allgegenwärtig. Ganz gleich, ob mit einer Führung im Rücken oder in Rückstand liegend. Abschließend bleibt zu hoffen, dass Benzema nach einem unglücklichen Hinspiel neben „Viní“ der zweite offensive Unterschiedsspieler ist.
Fazit
Das Halbfinalrückspiel stellt für die Merengues ohne Frage die schwerstmögliche Aufgabe im Weltfußball dar. Manchester City scheint in der Champions League so titelreif wie nie zuvor. Dennoch verfügt Real Madrid über die Waffen, dem englischen Giganten nicht nur wehzutun, sondern ein weiteres Mal auszuschalten. Bringt der Titelverteidiger eine ähnliche Leistung wie vor einer Woche auf den Platz, ist ein für viele Experten als Überraschung angesehenes Weiterkommen möglich.
Community-Beiträge