
Die „jungen Wilden“ stürmen, die defensiven Routiniers patzen
MADRID. Es sollte ein so gemütlicher Abend werden – Cristiano Ronaldo wollte es sich auf der Tribüne bequem machen, während die Fans ihm eine Choreografie widmen und seine Kollegen auf dem Platz ihre Einsatzgelegenheit nutzten, um zu beweisen, dass Real auch ohne den erfolgreichsten Torjäger der Champions League und andere kann. Andere, wie beispielsweise die Mannschaftssäulen Xabi Alonso, Sami Khedira, Luka Modric oder Karim Benzema. Doch der sich neben K1-Legende Badr Hari auf einem sicheren Zuschauerplatz befindende Ronaldo sah zwar anfangs die auf den Ballon d’Or gerichtete Choreografie mit vereinzelten Papp-Portraits des Portugiesen, doch danach eher begrenzte erste 45 Minuten.
In einer im Vergleich zum 5:0-Erfolg in Almería auf fünf Positionen veränderten Elf, sah ein nur mäßig gefülltes Bernabéu viel junges Blut. Viele Nachwuchstalente, die ihre Chancen nutzen und auf die jahrelang eingespielte Viererkette Arbeloa-Ramos-Pepe-Marcelo vor Pokal-Torhüter Iker Casillas vertrauen wollte. Und das junge Blut vor dem Defensivverbund schien seine Chancen nutzen zu wollen – Gareth Bale vergab die aussichtsreichste Chance nach bereits drei Minuten. Isco Alarcón bediente den Waliser zuvor und zeigte sich heute wieder in Spiellaune, lud als klarer Spielmacher den einen oder anderen Türken zum Tänzchen und stellte sich als einziger Kreativposten unter den „jungen Wilden“ heraus. Unter diesen fielen vor allem Carlos Casemiro und Jesé Rodríguez auf, die sich über ihr Startelf-Debüt in dieser Saison freuten und zu überzeugen wussten. Das Champions-League-Debüt des Brasilianers glückte, weil er seiner Mannschaft durch robustes und mutiges Zweikampfverhalten sowie kluge Ballbehauptungen zu mehr Stabilität verhalf. Und Jesé, weil er jede Szene nutzen wollte, um sich mehr Einsätze zu verdienen – war überall zu finden und sollte das Sturmzentrum bewusst oft für Bale frei machen. Doch nach der dicken vergebenen Chance seines walischischen Pendants, avancierte der 20-Jährige zum Pechvogel des Abends! Seine beste Gelegenheit (nach feiner Marcelo-Vorarbeit) sollte der Kanarier vertändeln, doch ausgerechnet einer der fünf Routiniers hinten, sollte Jesé den Abend vermiesen. Fand Galatasaray bis zur 25. Minute offensiv so gut wie nicht statt, ließ sich Sergio Ramos als letzte Instanz zu einem Trikotzupfer gegen Umut Bulut hinreißen, den jeder Stürmer der Welt annimmt und sah folglich den 17. Platzverweis seiner Karriere. Nacho Fernández kam, weil Ramos gehen musste – und mit ihm Jungspund Jesé. Der heutige Madrider Vizekapitän durfte sich entsprechend einige Takte von Carlo „not amused“ Ancelotti anhören.
Hatte der rotationsaffine Madrider Übungsleiter bis zur roten Karte (der fällige Freistoß brachte nichts ein) noch wenig Grund zur Freude, versauten ihm die Minuten bis zum Seitenwechsel erstrecht die Miene. Dabei sollte der natürliche Lauf der Dinge einer in Unterzahl agierenden Mannschaft zuerst komplett auf den Kopf gestellt werden – Gareth Bale „bananierte“ einen Freistoß à la Cristiano aus typischer Cristiano-Position ins Tor! Gala-Keeper Eray konnte nur staunen, wie der Ball von der höchsten Position einen vernichtenden Tiefflug annahm – 1:0 für Real Madrid nach 37 Minuten. Doch dann ging’s bergab, wie zuvor bei der Standardsituation des walisischen Zauberers. Zeigten die Löwen aus Istanbul bis zum Platzverweis nur in der Defensive Zähne, so wachten sie nun nach und nach auf, wurden mutiger. Eboués erster Schuss ging vorbei, Drogba suchte sein Glück – und fand es! Den kaum warmen Jungspund Nacho ließ der 35-Jährige nur 60 Sekunden nach der königlichen Führung aussteigen, wie das, was er ist – ein Schüler. Tolle Körpertäuschung, noch besserer Pass – Bulut brauchte die Kugel nur noch an Casillas zum 1:1 vorbei schieben.
Bis auf einen zu hoch angelegten Schuss der Madrider Nummer 11 aus seiner alten Tottenham-Position gab es nicht mehr viel zu melden, die Madrider Offensive und Defensive plötzlich nicht mehr eingespielt. Isco fungierte als einsamer Prellbock am Mittelkreis, Ángel Di María blieb auf der linken Seite bislang ohnehin blass – Casemiro, Arbeloa und Illarramendi (der Jungspund hatte heute die meisten Kilometer und Pässe) waren um Ruhe und Ordnung bemüht. Gut, dass dann die Halbzeit kam!
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Real dreht in Unterzahl auf, Arbeloas Name wird gesungen
Ancelotti schien in der Kabine die richtigen Worte gefunden zu haben – in Unterzahl, aber durchweg mutiger und forscher traten die Blancos den zweiten Durchgang an. Di María plötzlich viel präsenter, bekam Bälle, verteilte Bälle. So auch in Minute 51, als eine wunderbar gezirkelte Flanke einen Mann im Strafraum fand, den wohl die wenigsten auf dem Zettel hatten: Álvaro Arbeloa! Der „Espartano“ machte einen langen Ausfallschritt und traf mit links (!) zum ersten Mal seit dem 23. November 2010 – ganz zur Freude des sich gerade warm laufenden Alonsos! Mit der erneuten Führung im Rücken blühte Real noch weiter auf – und Arbeloa ganz besonders. Nicht jeder hätte sein Fallen wenige Minuten später im Strafraum der Roten als Schwalbe gewertet, William Collum tat es und zeigte Gelb. Doch der heutige Rechtsverteidiger spielte weiter wie entfesselt auf – inmitten seines Offensivrauschs (ein weiterer, toller Schuss Arbeloas folgte) legte einer der Publikumslieblinge des Madridismo Ángel Di María das 3:1 auf und revanchierte sich sogesehen für das Tor zwölf Minuten zuvor.
„Arbeloa unchained“ hier, „Iker invincible“ dort. Bis zur 60. Minuten weitestgehend beschäftigungs-, beim Gegentreffer chancenlos, zeigte der Madrider Kapitän in der Folge zwei Mal gegen Drogba, das man sich immer auf ihn verlassen kann. Der Ivorer war nach wie vor eine Nummer zu groß für Nacho – nicht für „San Iker“. Erst ein klasse Kopfball, danach eine guter Schuss – es waren die einzigen Szenen in Durchgang zwei, in denen die Madrilenen noch wackelten. Mit dem für Casemiro eingewechselten Alonso verbuchten die Blancos noch mehr Stabilität und als Ancelotti den wiedergenesenen Marcelo für Daniel Carvajal runter nahm und die aufgewärmten Zuschauer in Minute 77 ihre Ronaldomasken heraus holten, war schon alles gelaufen. Elf Türken fanden gegen zehn Madrilenen kein Land – und wurden durch einen Spanier noch ausgetanzt. Isco bot sich an und war gegen mehrere Gegenspieler nicht zu stoppen, selbst sein erster Schuss fand über zwei Stationen direkt zu ihm zurück und der 21-Jährige erhöhte locker zum 4:1-Endtreffer.
Und damit wär die Frage des Abends auch schon beantwortet: Ja, Real kann sehr wohl auch ohne Cristiano. Und ohne andere! Ja selbst ohne einen elften Mann auf dem Platz. Dass es so kam, war nicht unbedingt abzusehen, doch bis auf die zweite Hälfte des ersten Durchgangs war vom türkischen Meister wenig zu sehen. Die „jungen Wilden“ konnten nicht durchweg überzeugen, letztendlich haben die erfahrenen Di María und Arbeloa den Unterschied ausgemacht. Achtelfinale und Gruppensieg sind erledigt, Ronaldos Job wurde also kollektiv von mehreren Spielern übernommen – Freistoßkünstler Bale, Offensivwalze Arbeloa und Instinktkiller Di María. Ob am Samstag um 20 Uhr gegen Real Valladolid (LIVE auf LAOLA1.tv und im REAL TOTAL-Liveticker) CR7 erneut ersetzt werden muss, wird sich zeigen. Zumindest der heutige Matchwinner fehlt dann gelb-gesperrt.
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