
Casillas und Mourinho bestimmen Spaniens Sportwelt
MADRID. Es gehört sicher zur absoluten Seltenheit, dass ein Kapitän und zugleich die scheinbar unumstrittene Nummer eins im Tor von heute auf morgen zum Reservisten degradiert wird. So jedoch geschehen am vergangenen Samstag, als Real Madrid im Estadio La Rosaleda zu Málaga sein letztes Pflichtspiel zu bestreiten hatte und es mit 2:3 verlor. Trotz fittem Zustand ließ Trainer José Mourinho nicht Iker Casillas, sondern den unerfahrenen Antonio Adán von Beginn an spielen, für den es erst das zweite Spiel über 90 Minuten sein sollte. Zum Vergleich: „San Iker“ (deutsch: heiliger Iker) hat bereits 473 Liga-Partien auf dem Buckel. Trainer und Torwart stehen seit Samstagabend im Mittelpunkt der spanischen Sportwelt.
So mancher wertet die Tat Mourinhos bereits als Affront gegen die Vereins-Legende. Es könne nur zwischenmenschliche Gründe haben, meint die teilweise hochgradig erboste Anhängerschaft zu wissen. Für den 49-jährige Portugiesen unverständlich, erklärte er doch klar und deutlich: „Ich habe die Situation analysiert und die Truppe so aufs Feld geschickt, wie ich es für angemessen hielt. Das war eine rein sportliche Entscheidung. Weiter könnt ihr nun erfinden, was ihr wollt. In meinen Augen ist Adán derzeit besser als Iker. Es ist meine Meinung und noch mal: Ich bin derjenige, der die Mannschaft aufstellt nachdem ich mit meinen Assistenten gesprochen habe.“ Wie Mou im Nachklang erklärte, hätte Keeper Adán an der Pleite gegen die Andalusier ohnehin nichts ändern können.
Sogar Präsident Pérez war baff
Dennoch: Dieser Torwart-Wechsel kam zum wirklich ungünstigsten aller ungünstigen Zeitpunkte, schließlich liegt die Mannschaft mit Tabellenplatz drei und dem nunmehr auf 16 Punkte herangewachsenen Rückstand auf den FC Barcelona nicht gerade im Soll. Im Zuge dessen wurden in der Öffentlichkeit immer mehr Fragezeichen hinter einer Zukunft von Mourinho und Madrid gesetzt. Seien es angebliche Streiterein hier, angebliche Streitereien da oder jede Menge Liebeserklärungen an die englische Premier League. Selbst Florentino Pérez war die Verwunderung buchstäblich ins Gesicht geschrieben, als er am Samstag in den Katakomben in Málagas Stadion von einer Journalistin auf die Aufstellung aufmerksam gemacht wurde. Der Präsident schob seine Brille ins Haar und hielt sich das Papier, auf dem die offiziellen Startformationen aufgeschrieben sind, dicht vor Augen, bis er erkannte: Tatsächlich, Iker spielt nicht…

Bereits vor dem Anpfiff wussten alle: Geht das heute in die Hose, geht der Madridismo Mourinho verbal an den Kragen. So kam es. Fans und Experten zweifeln des Portugiesen Aussage, es sei eine Entscheidung der Leistung wegen, an. War das eine weitere Tat des 49-Jährigen, mit der er seinen Rausschmiss provozieren wolle? 63 Prozent der REAL TOTAL-Leser glauben das, in Spanien sind es sogar 82 Prozent der Leser der Sportzeitung MARCA (beides Stand: 18:30 Uhr, 25.12.2012)! „The Special One“ bleibt indes locker. „Ich habe ein sehr reines Gewissen. Ich tue mein Bestes für das Team und versuche, für jedes Spiel das beste Team zu formen. Von der Kritik bin ich nicht überrascht“, meinte er gestern am Lissaboner Flughafen.
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Vereins-Größen äußern sich
Einige ehemalige Madrilenen wurden gebeten, Stellung zu beziehen. Reals Torhüter-Legende Francisco Buyo (1986 bis 1997) tat es genauso wie Spaniens aktueller Nationaltrainer Vicente del Bosque, der die Blancos 1994, 1996 und von 1999 bis 2003 coachte, und Miguel Ángel González Suárez (1968 bis 1986).
Der 65-jährige Miguel Ángel gehört zu den wenigen, die Mourinho nicht tadeln, sondern zu dem Schluss kommen: „Ich denke, Casillas war enttäuscht. Aber vielmehr über das Spielergebnis und nicht weil er auf der Bank sitzen musste. Für einen Torhüter wie ihn ist es natürlich unangenehm, draußen zu sitzen, aber es gilt, respektvoll mit den Teamkollegen umzugehen. Ich bewerte das hier aus der Ferne, aber Mourinho tat das sicher nicht, um sich gegen die Madridistas aufzustellen. Er ist nicht dumm!“ Der ehemalige Keeper Buyo glaubt Mou, dass das Rasieren Casillas’ deshalb geschah, weil Adán zurzeit besser drauf sei. Gegenüber Radio MARCA sagte er: „Ich weigere mich zu glauben, dass Mourinho etwas gegen Iker hat.“ Del Bosque sprach zwar nicht das Gegenteil aus, doch in seinen Augen scheint es keineswegs okay und alltäglich zu sein, den Real-Kapitän und Nummer eins auf die Bank zu versetzen. Auch nicht, wenn es mal nicht laufen sollte. Davon dass der 31-Jährige zuletzt aber äußerst schwache Auftritte zwischen den Pfosten bot, kann aber zuerst einmal keine Rede sein. „Iker ist der Stolz von Real Madrid“, teilte Spaniens Nationalcoach ausdrücklich mit.
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