Interview

„Niemand wird mich mehr dazu bringen, meinen Spielstil zu ändern“

Toni Kroos bleibt sich und seinem Stil treu. Wenngleich die Presse den Mittelfeld-Strategen nicht selten attackiert, wenn es für das Kollektiv Real Madrids nicht rosig läuft, will und wird er seine Spielweise nicht verändern – mit ihr schaffte es der 25-Jährige schließlich auch zu Real Madrid. Kroos im Interview mit der ZEIT über sich, seine Karriere, ehemalige Trainer und seine soziale Ader.

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Toni Kroos
Toni Kroos unterschrieb bei Real Madrid im Sommer 2014 einen Vertrag bis 2020

TONI KROOS über…

…die Frage, ob er es nicht manchmal für Wahnsinn hält, bei Real Madrid zu sein: „Ich muss zugeben: nie. Vielleicht wäre es manchmal gar nicht schlecht, wenn es so wäre, wie Sie es unterstellen. Aber ich bin kein enthusiastischer Typ. Ich sehe einfach auch die Arbeit, die ich reingesteckt habe, um bis hierhin zu kommen. Dass es ein ungeheures Privileg ist, dessen bin ich mir schon bewusst. Aber selbst daraus wird ganz rasch Normalität.“

…Punkte für seine bisherige Karriere: „Nach dem WM-Sieg hätte ich gesagt: zehn. Heute würde ich sagen: acht. Ich kann mich natürlich noch verbessern. Wenn ich in diesem Jahr fünf bis zehn schlechte Spiele gemacht habe, dann sollten es in der kommenden Saison weniger sein. Diese Konstanz ist das Ziel.“

…die Frage, was ihn verunsichern könne: „Ich überlege gerade… Also, verunsichern kann mich eigentlich nichts. Tut mir leid, das stimmt aber, zumindest für den Sport. Es gilt natürlich nicht fürs Private. Aber was mich beim Fußball verunsichern könnte, da fällt mir wirklich nichts ein. Sie müssen sehen: Schon seit frühester Jugend stand meine Art zu spielen in der Kritik. Lief’s gut, hieß es: genial, lief es schlecht: lethargisch. Das härtet ab. Und wo bin ich jetzt? In diesem Fußballleben wird mich keiner mehr dazu bringen, meine Art, Fußball zu spielen, grundsätzlich zu ändern.

…den Unterschied zwischen den fast großen und den ganz großen Spielern: „Die Konstanz. Man kann alles Mögliche trainieren, sich auf die wichtigen Spiele fokussieren. Wenn du aber in der Lage bist, deine beste Leistung auch in kleinen, angeblich nicht so wichtigen Spielen zu bringen – dann bist du top. Dass ich dieses Problem kenne, stimmt. Aber ich habe nach schwächeren Spielen die mentale Stärke, das nächste Mal wieder rein zu gehen und zu sagen: Ich bin in der Lage, Höchstleistung zu bringen – was soll mir passieren?

…die drei wichtigen Eigenschaften, die ein Trainer besitzen sollte: „Erstens muss er eine klare Idee vom Fußball haben, eine Spielidee. Zweitens muss er in der Lage sein – besonders wenn er eine große Mannschaft trainiert –, die unterschiedlichen Charaktere so anzusprechen, dass sie seine Idee umsetzen und gleichzeitig ein gutes Klima herrscht. Und drittens: Er muss Erfolg haben. Ein Weltklasse-Trainer muss das Spiel so lesen können, dass er und seine Mannschaft in der Lage sind, auch während des Spiels auf veränderte Situationen zu reagieren.“

…Carlo Ancelotti: „Er konnte die Erfolgsbedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Mensch- liche, was gerade bei Real Madrid nicht so einfach ist. Als er ging, waren alle traurig – auch die, die nicht gespielt haben und Grund gehabt hätten, ihn dafür zu kritisieren. Es fiel kein negatives Wort über ihn. Das ist außergewöhnlich.“

…Jupp Heynckes: „Mein wichtigster Trainer. Es haben viele gesehen, dass ich Talent habe. Aber den Mut, mir konstant die Möglichkeit zum Spielen zu geben, mir auch ein, zwei schlechtere Spiele zu verzeihen, da war er der Erste.“

…Vereine, die nach so mancher Aussage einem Familienbetrieb gleichen würden: „Einen Profifußballverein mit einer Familie gleichzusetzen halte ich für problematisch. Schon allein deshalb, weil sich weder bei Bayern noch bei Real alle Mitarbeiter im Verein kennen. Die Vereine nutzen diesen Vergleich, um eine Verbundenheit zu demonstrieren, die es aber so nicht gibt. Vor allem nicht in Krisenzeiten.“

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…die Frage, ob er seinen zwei Jahre alten Sohn Leon eines Tages auch als Fußballprofi sehen möchte: „Wir würden Leon niemals in diese Richtung antreiben. Selbst wenn ich irgendwann merken würde, dass er fußballerisch meine Anlagen hätte. Sollte er Spaß am Fußball haben, würden wir ihn sicher fördern. Wenn nicht, werden wir ihn dabei unterstützen, auf einem anderen Gebiet glücklich zu werden.“

…sein Privatleben: „Ich hänge meine privaten Empfindungen nicht an die große Glocke, und im Übrigen werde ich ja meistens nur über Fußball befragt. Sie sollten mich einmal erleben, wenn ich bei den schwer kranken und hilfsbedürftigen Familien bin, die ich mit meiner Stiftung unterstütze. Dann würden Sie die Frage, ob ich mich beeindrucken lasse, nicht wieder stellen.“

…seine im Mai 2015 gegründete Stiftung: „Ich kenne jedes einzelne Projekt, das die Stiftung unterstützt, informiere mich auch im Detail und entscheide über jeden Schritt der Stiftung mit. Ich versuche, an allem, was möglich ist, teilzuhaben, und es ist sehr viel möglich, auch aus der Entfernung. Wir arbeiten mit dem Kinderkrankenhaus in Köln und dem Kinderhospiz Regenbogenland in Düsseldorf zusammen, dort habe ich im Sommer viele Stunden mit schwer und todkranken Kindern verbracht. Zuletzt hatten wir einen Familientag in Düsseldorf, bei dem ich alle Familien aus dem Regenbogenland getroffen habe. Das Bewusstsein für diese Aufgabe wächst natürlich, wenn man dann selbst so einen kleinen Mann neben sich herumlaufen hat und man plötzlich nicht nur weiß, sondern spürt, was für ein Geschenk es ist, ein gesundes Kind zu haben.“

Toni Kroos
Kroos: „Das Besondere an meiner Stiftung ist, dass ich mich auch sehr für die Familien der Kinder einsetze, die ebenfalls eine unglaublich schwere Zeit erleben.“

…die Frage, wie er in den Alltag zurückkehren kann: „Man stellt sich den Alltag in einem Hospiz oder Kinderkrankenhaus vielleicht schlimmer vor, als er ist. Dort herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre, alles ist bunt und fröhlich, die Mitarbeiter sind unglaublich engagiert und mit einer großen Freude dabei, um den Kindern das, was noch irgendwie geht, zu ermöglichen. Die Rückkehr in den Alltag fällt, so absurd das klingen mag, nicht so schwer. Im Gegenteil: Man nimmt viel bewusster wahr, wie gut es einem geht.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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