Interview

„Nach jedem Gewitter wartet die Sonne“

Im Estadio Santiago Bernabéu wurde Karim Benzema am Samstag nach seinem Doppelpack gegen Getafe mit Sprechchören verabschiedet, in Frankreich spendet man ihm diese Wärme und Zuneigung nicht gänzlich – aufgrund des Verdachts der Komplizenschaft an einer Erpressung vor allem derzeit nicht. Gegenüber TF1 sprach Real Madrids Angreifer über seinen Gemütszustand, die EM und die Kritik, auf die in seiner Heimat vielerorts stößt.

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Karim Benzema
Karim Benzema erlebt derzeit die wohl schwierigste Zeit seiner Karriere

„Frankreich braucht Mathieu und auch mich“

MADRID. Sie tauchen nicht mehr auf, die Videos, in denen Karim Benzema seinen Fans zu angesagter Rap-Musik einen Einblick in seinen Lifestyle gewährt. Zumindest vorübergehend nicht. Sie wären momentan auch nicht angebracht. Der 27 Jahre alte Franzose wird der Komplizenschaft an einer Sex-Tape-Erpressung gegen Mathieu Valbuena beschuldigt, wenngleich er all das jüngst als „ein großes Missverständnis“ bezeichnete und zugleich versicherte, dass er nichts Unerlaubtes getan habe.

Wenngleich nach Medienberichten nicht vor Ende 2016 mit einem endgültigen Urteil zu rechnen ist, hofft der Stürmer-Star von Real Madrid, dass sich der Fall schon bald zu seinen Gunsten entwickelt. Angst, im kommenden Sommer nicht an der Heim-EM in Frankreich teilzunehmen, hat Benzema nicht. „Es gibt im Leben viele Dinge, vor denen man sich fürchtet. Die Europameisterschaft ist etwas Großes und ich träume davon, sie zu spielen. Es ist eine EM und dazu in Frankreich. Ich habe keine Angst und hoffe, dass sich alles schnell klärt, damit ich dieses Turnier bestreiten kann. Natürlich ist es mein Ziel, wieder für die Nationalmannschaft zu spielen. Es war immer mein Ziel, für Frankreich zu spielen, dieses Trikot zu tragen“, stellte der Torjäger klar. Den Titel in Angriff nehmen will er am liebsten gemeinsam mit Valbuena: „Klar. Es ist mein Wunsch und ich denke, es ist der Wunsch eines jeden, der den Fußball mag. Mathieu ist ein guter Spieler. Frankreich braucht ihn und auch mich. Ich hege keinen Groll gegen ihn.“

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„Das ist bedauerlich, trifft mich und tut mir weh“

Und Nationaltrainer Didier Deschamps hegt keinen Groll gegen Benzema, einen seiner wichtigsten Akteure. „Wir haben ein wenig gesprochen, er steht hinter mir und unterstützt mich. Ich erhielt auch die Zuneigung meiner Familie, von früheren Spielern und Kollegen aus der Nationalmannschaft“, berichtete der gebürtige Lyoner, der trotz der Unschuldsbeteuerung in seiner Heimat nach wie vor einen schweren Stand hat.

Erst kürzlich war die Aufregung groß, als aufgrund der Terror-Anschläge in Paris vor dem Clásico im Estadio Santiago Bernabéu Frankreichs Nationalhymne gespielt wurde und Benzema kurz danach auf den Rasen spuckte. Eine Respektlosigkeit, behauptet Frankreich. Der Königliche betonte allerdings deutlich, dass er nichts Böses im Sinn hatte und zeigte sich gleichermaßen erstaunt über die Empörung: „Das ist bedauerlich, trifft mich und tut mir weh. Es ist absurd, dass solch eine Geschichte erfunden wird, so zu sprechen und solch gravierende Dinge zu sagen, als würde ich auf die ‚Marseillaise‘ oder die Opfer spucken. Ich bin während der gesamten Hymne konzentriert. Ich denke an die Opfer, an ihre Angehörigen, auch an meine und den Fußball. Ich bin ehrlich und spucke am Ende, wie in jeder Partie und wie jeder Spieler. Ich denke zu keinem Zeitpunkt daran, über die Hymne zu spucken oder etwas dergleichen.“

„Ich fühle mich als Franzose, all diese Kontroversen gehen zu weit“

[dataset id=34]Negativ wird Benzema schon seit geraumer Zeit ebenso angelastet, dass er die Hymne wegen seiner algerischen Wurzeln gar nicht erst mitsingt. Der Akteur: „Ich denke nicht daran, ob ich sie nun singe oder nicht. Ich bin konzentriert und stolz, bei der Nationalmannschaft zu sein, habe viele Erinnerungen an diese Mannschaft, als ich sie bei der WM 1998 im Fernsehen sah. Ich fühle mich als Franzose, all diese Kontroversen gehen zu weit. Das bedauere ich. Natürlich würde ich die Hymne mitsingen, wenn ich dazu verpflichtet wäre. Ich habe die Regeln immer respektiert und werde das nicht ändern. Ich hätte nicht 81 Mal für Frankreich gespielt, wenn ich mich dort nicht wohlfühlen würde. Ich bin nicht verrückt. Seit langer Zeit bin ich dabei und ich habe große Lust, einen Titel mit meinem Land zu gewinnen. Ich kämpfte immer darum, dort zu sein, wo ich bin und werde das weiterhin tun. Es wird versucht, mein Image zu zerstören, aber es geschieht nichts. Ich werde bis zum Ende immer derselbe bleiben.“

Er hat es gegenwärtig wahrlich nicht einfach, der Mann mit der Nummer 9. Und dennoch scheinen ihn die Umstände nicht aus der Bahn zu werfen. Das belegt nicht nur seine sensationelle Leistung beim 4:1 am Samstag gegen den FC Getafe, gegen den er gleich doppelt traf und in der 78. Minute mit Sprechchören von den Rängen ausgewechselt wurde. Benzema: „Mir geht es gut. Ich habe eine Tochter, die groß wird, die mit mir spricht und mich lachen lässt. Ich arbeite und bin bei einem großen Klub. Wie heißt es: Nach jedem Gewitter wartet die Sonne. Ich bin gelassen und ruhig.“

MB

Ein von Karim Benzema (@karimbenzema) gepostetes Video am

Real-Trikot mit BENZEMA-Aufdruck – weiß-kurzgraublau und weiß-lang

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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