Interview

„Es kam der Moment, als ich es nicht mehr genießen konnte“

Für Real Madrid aufzulaufen, stellt für viele Spieler den Gipfel ihrer Karriere dar. Doch es kann auch der Punkt kommen, an dem der Druck und die Belastung zu groß wird. Raúl durchlebte genau einen solchen Moment, wie er gegenüber der VANITY FAIR offen zugab. In einem sehr ehrlichen und persönlichen Interview sprach das Madrider Idol außerdem über die schlechten Seiten und Verführungen des Profigeschäfts, die Rivalität mit dem FC Barcelona und eine mögliche Zukunft als Real-Trainer.

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Raúl lief 16 Jahre für die Profis von Real Madrid auf

RAÚL über…

…die Frage, warum er seine Karriere nicht in Madrid beendete: „Das war mein Traum. Aber meine Söhne erreichten ein gewisses Alter, der älteste bemerkte den zunehmenden Druck: Dein Papa muss sich zurückziehen… Mamen und ich entschieden 2010, dass es das Beste wäre, zu gehen. Ich verließ Real und nach drei Stunden landete ich in Deutschland. Es war emotional und zugleich befreiend. Ich erneuerte mich binnen eines Tages. Wir dachten, unsere Kinder würden sich nicht anpassen, aber am ersten Tag kamen sie glücklich aus der Schule zurück. Es gefiel ihnen, weil sie niemand kannte. Und danach haben sie in Katar mit arabischen Kindern zusammengespielt, hier sprechen sie englisch. Ich empfinde keine Reue. Das Wissen, welches sie jetzt besitzen, lehrt ihnen kein Buch und keine Universität. Sie kennen andere Sprachen, sind tolerant und akzeptieren alles.“

…seine letzten Jahre in Madrid: „Ich war sehr glücklich, es waren meine besten Jahre. Aber es kam der Moment, als ich es nicht mehr genießen konnte. Wenn du Kapitän bist, bist du schon viele Jahre da und es gibt viele Wechsel der Präsidenten… Ich verlor Energie und war nicht mehr frisch auf dem Spielfeld. Manchmal will dein Kopf, aber dein Körper lässt es nicht zu… Ich spielte mit Schmerzen. Es kommt der Moment, in dem dir immer irgendetwas wehtut. Du stehst morgens auf und denkst: Wie werde ich nur fähig sein, zu spielen?“

…die permanente Kritik an Profifußballern: „Mit 19 oder 20 Jahren musste ich eine Pressekonferenz geben, weil man sagte, dass ich nachts ausgegangen sei und getrunken hätte. Ich musste mich dort hinsetzen, um zu sagen, dass ich weiterhin Fußballer sein will. Man denkt immer, dass wir Fußballer immer zuhause oder im Fitnessstudio sein sollen, aber auch wir haben ein Leben! Wenn du drei oder vier Spiele verlierst, hängen sie dir eine Krise an. Cristiano macht 50 Treffer und wenn er mal nicht zweimal trifft, fängt genau das an, was zuletzt passierte“

…Fußballer-Skandale, bezugnehmend auf die jüngsten Ereignisse rund um Karim Benzema (Sextape-Affäre) und Lionel Messi (Steuerhinterziehung): „Von uns wird zu viel verlangt. Als Kind orientierte ich mich an den Leuten, die ihre Sache gut machten, wie (Emilio) Butragueño. Er konnte dir als Fußballer gefallen oder nicht, aber die Mütter wollen dich als Freund für ihre Töchter haben. Die kleinen Kinder beobachten alles und machen es den Spieler nach… Aber wir sind auch manchmal Kinder, es gibt Kinder, die 20 oder 25 Jahre alt sind. Man gibt dir keinen Kurs, um zu zeigen, wie es ist, viel Geld zu haben, sich Dinge leisten zu können, die einem gefallen, und wenn dich jeder bewundert.

…die Frage, ob ein Präsident gleichzeitig Vorbild sein sollte: „Ja. Er sollte ein Vorbild sein und seine Geisteshaltung auf die Spieler übertragen. Real ist ein sehr großer Klub, mit einigen Werten, und die Spieler und Angestellten sollten diesen folgen. Derjenige, der es nicht tut, für den ist kein Platz. Aber man muss diese Linie sehr klar vorgeben.“

…die Frage, ob ihm das Geld nicht manchmal den Kopf verdreht hätte: „Ich hatte meine Eltern. Und mein eigenes Wesen. Ich bin ein wenig seltsam… Mir gefallen weder die Autos noch die Uhren, mir gefällt das Leben, die kleinen Dinge eben: Einen Spaziergang machen, in der Natur sein, ins Kino gehen, Sport schauen, mit Freunden zusammen sein und dabei ein Bier trinken.“

…sein erstes Idol: „(Diego Armando) Maradona.“

…José Mourinho: „Fast alle Spieler sprechen gut über ihn. Er verrichtete bei Real Madrid eine außergewöhnliche Arbeit.“

…Cristiano Ronaldo: „Ein physisches Monster und ein guter Mensch. Ich habe ein fabelhafte Beziehung zu ihm.“

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…sein Verhältnis zu Pep Guardiola: „Uns beiden gefällt der Fußball sehr. Die Rivalität war sehr schön, genauso mit (Carles) Puyol oder Xavi. Pep und ich spielten in der Nationalmannschaft zusammen. Es herrschte immer gute Chemie zwischen uns. Er ist einer der besten Trainer der Historie.“

…die Rivalität mit Barcelona: „Ich bin schon oft mit Mamen durch Barcelona gelaufen und die Leute behandelten uns wunderbar. Die Rivalität hilft beiden Klubs: Barça wäre ohne Real nicht so stark und umgekehrt. Wenn sie die Champions League gewinnen, freue ich mich. Unter dem Strich ist es eine spanische Mannschaft und ich habe kein Problem damit, das öffentlich preiszugeben. Warum sollte ich jemandem etwas Schlechtes wünschen? Das entspricht nicht meinem Wesen.“

…eine mögliche Zukunft als Real-Trainer: „Man redet es mir ein, sie wollen mich drängen. Aber ich brauche Zeit. Mein Leben war so klar, jetzt muss ich nachdenken, sehen, ob mir der Wettkampf fehlt. Ich habe ein Ausbildungs-Projekt, ich muss lernen, was es im Fußball alles gibt: sportliches Management, das Business. Es ist eine Periode, Dinge ohne Druck zu tun, um zu entscheiden, was mir gefällt. In einigen Jahren werden ich nach Madrid zurückkehren.“

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

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