Interview

„Vielleicht war der Wechsel von Ancelotti zu Benítez zu traumatisch“

Der Trainerstuhl bei Real Madrid – in den letzten Jahren ein wahrlicher Schleudersitz. Auch Rafael Benítez hielt sich lediglich ein halbes Jahr und wurde kürzlich durch Zinédine Zidane ersetzt. Im Interview mit der AS analysierte Ex-Blanco-Coach Fabio Capello die Gründe für Benítez' Scheitern und übte überdies teils scharfe Kritik an Florentino Peréz' Trainer-Politik.

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Rafael Benítez (l.) folgte bei Real Madrid auf Carlo Ancelotti

„Übergeht der Präsident den Trainer, ist dieser tot“

MADRID. Woran es letztendlich lag, dass die Ära Rafael Benítez nach etwas mehr als einer Saisonhälfte ihr abruptes Ende fand? Eine Frage, deren allumfassende Beantwortung man wohl nur innerhalb der Mannschaft Real Madrids vorzufinden vermag. Die Schuld alleinig dem spanischen Übungsleiter zuzschieben, wäre allerdings zu einfach. Dass dessen anderweitige Form der Mannschaftsführung im Vergleich zu Vorgänger Carlo Ancelotti eine gewichtige Rolle spielte, lässt sich jedoch auch von außen betrachtet mit äußerst großer Wahrscheinlichkeit sagen. Fabio Capello, der selbst zweimal das Zepter an der Seitenlinie der Königlichen schwang und dabei jeweils den Meistertitel erringen konnte, sieht den Hauptgrund für das Scheitern Benítez’ zwar auch in dessen unterschiedlicher Sichtweise auf den Fußball (die insgesamt defensivere Ausrichtung eingeschlossen), hielt sich mit einem endgültigen Urteil jedoch zurück. „Ich weiß es nicht. Dafür muss man in der Kabine sein… Wenn keine Bindung zum Trainer besteht, ist es schwierig, zu triumphieren. Benítez verfügt über Erfahrung… Es ist möglich, dass der Wechsel von Ancelotti zu Benítez zu traumatisch war“, so der italienische Fußball-Lehrer.

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Auf die Frage, weshalb es für einen Trainer so schwer sei, in der spanischen Hauptstadt Fuß zu fassen, hatte er eine relativ eindeutige Antwort: „Es hängt von den Präsidenten ab (lacht). Das hat einen großen Einfluss.“ Weiter machte der 69-Jährige deutlich, dass die Rolle des Übungsleiters an der Concha Espina in den letzten Jahren erheblich gelitten hätte. Angesprochen auf den Umstand, ob nun die elf verschiedenen Trainer in den letzten zwölf Spielzeiten oder die Coaches selbst das Problem seien, antwortete Capello vielsagend: „Das sind viele, wirklich viele! Ich weiß es nicht… Real ist ein schwieriger Ort. Wenn der Präsident den Trainer übergeht und direkt mit den Spielern über die Probleme in der Umkleidekabine spricht, ist dieser tot. Und die Spieler wissen das! Dann sagt der eine zum anderen: ‚Der Präsident hat mich gefragt, warum das passiert ist…‘ Und dann denken sie, dass der Trainer nichts wert ist.“

„Wer über Neuverpflichtungen entscheidet? Der Trainer, oder?“

Eine ebenso deutliche Meinung vertritt der Italiener beim Thema Sportdirektor. Bekanntermaßen ist dieser Posten bei den Blancos gegenwärtig nicht vorhanden. Wie er es denn nun finde, dass Madrid keinen Sportdirektor beschäftige? „Ich hatte hier immer einen.“ Aktuell aber nicht. Und wer treffe dann jetzt die Entscheidungen bezüglich Verpflichtungen? Auch hier ließ die Antwort einmal mehr Spielraum für diverse Interpretationen: „Der Trainer, oder nicht? Normalerweise ist es so… Ansonsten stellt der Präsident das Team zusammen.“

Mit Zinédine Zidane besetzt nun allerdings ein Mann den Trainerposten, dem Florentino Pérez augenscheinlich mehr Macht in Transferfragen zugestehen will, da er ihn seit jeher zu seinen engsten Vertrauten zählt. In den Augen von Capello hat der dreimalige Weltfußballer jedenfalls das Zeug dazu, in Madrid bleibenden Eindruck zu hinterlassen: „Das Charisma, das er besitzt, ist wichtig. Man muss ihm aber Zeit geben. Die Spieler glauben an dich, bis du etwas falsch machst. Fußballer stellen dich jeden Tag auf die Probe.“

Die Gerüchte, dass Pérez auch bei ihm angerufen hätte, wischte der frühere Erfolgscoach allerdings nonchalant beiseite: „Nein (lacht). Ich bin jetzt Rentner. Und Florentino gefällt es nicht, was unter dem anderen Präsidenten passierte. Er will derjenige sein, der Verpflichtungen tätigt, der entscheidet und derjenige, der neue Dinge gemacht hat. Ihm gefallen Dinge nicht, die mit der Vergangenheit zu tun haben. Ihm gefällt es derjenige zu sein, der die Dinge vollbracht hat.“

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

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