Interview

Klub-Legende Santillana fordert: „Real braucht einen Sportdirektor“

Wirtschaftlich steht Real Madrid exzellent dar, doch sportlich ist der Erfolg die letzten Jahre, gemessen an den eigenen Ansprüchen, arg überschaubar. Ein Umstand, der Klub-Legende Santillana im Interview mit EL CONFIDENCIAL auf die Palme brachte und zu einer Forderung in Richtung Florentino Pérez verleitete: „Real braucht einen Sportdirektor.“ Außerdem äußerte sich der Ex-Stürmer kritisch zu Entwicklungen im modernen Fußball.

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Santillana fordert einen Partner an der Seite Florentino Pérez’

„Unsere Spieler bringen ihre Arbeit nicht zu Ende“

MADRID. Real Madrid beansprucht weiterhin für sich, der beste Klub der Welt zu sein. Eine Bezeichnung, die sich vor allem mit Blick auf die zehn Europapokale, welche kein anderes Team auch nur annähernd nachweisen kann, legitimieren lässt. Doch blickt man auf die letzten zehn Jahre zurück, gerät dieses Selbstbild allmählich ins Wanken. Mit lediglich drei Meisterschaften, zwei Pokalsiegen, einem Champions-League-Gewinn, zwei Supercopas, einem UEFA-Super-Cup sowie einem Klub-Weltmeistertitel liest sich die Bilanz doch recht arg bescheiden. Zum Vergleich: Der FC Barcelona gewann in selbigem Zeitraum sechsmal die Meisterschaft, dreimal die Copa del Rey, viermal die Königsklasse, fünfmal die Supercopa, dreimal den UEFA-Super-Cup sowie dreimal die Klub-Weltmeisterschaft.

Für Klub-Ikone Carlos Alonso González, besser bekannt als Santillana, ist ebendiese Bilanz besorgniserregend – allen wirtschaftlichen Erfolgen zum Trotz: „Aktuell sind wir der reichste Klub der Welt, aber noch mehr als mit der wirtschaftlichen Situation prahlen zu können, würde es uns Madridistas gefallen, wenn das Team mehr Titel holen würde. Was passiert ist, ist, dass Real eine Epoche erwischt hat, in der Barcelona schon vor geraumer Zeit eine großartige Mannschaftt geformt hat, und so kann man keine kollektiven und individuellen Titel gewinnen. Daran war Real gewöhnt. Es war seltsam, in einer Saison nicht einen oder zwei Titel zu feiern. Wir haben genauso Spieler, die als die besten der Welt betrachtet werden, aber sie bringen ihre Arbeit nicht zu Ende.“

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Dass Präsident Florentino Pérez, der mittlerweile bei vielen Mitgliedern umstritten ist, aufgrund seiner „Galáctico“-Transferpolitik keinen unwesentlichen Beitrag zur jetzigen Situation geleistet hat, ist unbestritten. Dass das Vereinsoberhaupt jedoch versuche, sich den Klub unter den Nagel zu reißen, ist für den früheren Stürmer dann doch zu weit hergeholt: „Florentino ist weiterhin Präsident, weil es die Mitglieder so entschieden haben. Ich glaube nicht, dass er der Alleinherrscher des Klubs ist, und auch nicht, dass er ihn eines Tages in eine Aktiengesellschaft verwandelt, weil die Besitzer des Klubs die Mitglieder sind. Als man während seines Amtsantritts über eine Aktiengesellschaft sprach, war Real bankrott.“ 

Gänzlich ohne Veränderungen würde man die aktuelle Situation jedoch nicht bewerkstelligen können. Santillanas Forderung: Ein Sportdirektor muss her, der den Verein allumfänglich im sportlichen Bereich ausrichtet und dem Ganzen eine klare Linie gibt. Außerdem sollten ehemalige Spieler der königlichen noch aktiver ins Geschehen eingebunden werden. „Real Madrid braucht einen großen Sportdirektor. Eine Person, die im Hintergrund arbeitet: für die Institution, für die erste Mannschaft, für mögliche Abgänge oder Verpflichtungen, für die Cantera, für die Mitglieder, jemand, der sich den Medien stellt…Und auch die Würdigung der Ex-Spieler kommt zu kurz. Hier haben wir (Emilio) Butragueño, (Luis Miguel) Ramis, Guti, (Santiago) Solari… Diejenigen sind es, die den Kindern zeigen können, was es bedeutet, zu Real Madrid zu gehören“, so die deutlichen Worte des 63-Jährigen.

„Heute sind Fußballer Maschinen, um Geld zu machen“

Obwohl man mit Cristiano Ronaldo einen dreimaligen Weltfußballer in der Mannschaft habe und auch Spieler wie Sergio Ramos oder die letzten Jahre Toni Kroos, James Rodríguez oder Luka Modrić in die FIFPro-Weltelf berufen wurden, sei dies für die Ansprüche Real Madrids schlichtweg zu wenig. Was unter dem Strich zählt, seien Titel: „Mir erscheint es genial, dass Spieler Reals Preisträger des Ballon d’Ors oder des Goldenen Schuhs sind, des Pichichi oder des Zamora… Das verleiht dem Klub augenscheinlich Prestige, aber was Real Madrid erreichen muss, wovon Real lebt, ist die maximale Anzahl an Titeln zu erreichen, und zwar in jeder Spielzeit. So war es, abgesehen von einigen Ausnahmen, in der langen Geschichte immer. Es ist nicht normal, oder mehr noch seltsam und besorgniserregend, dass wir in zehn Jahren nur zweimal (dreimal; Anm. d. Red.) die Liga gewonnen haben.“

Überhaupt kann Santillana mit einigen Entwicklungen des modernen Fußballs nur wenig anfangen. Zu seiner Zeit, in der die Blancos übrigens neunmal die Meisterschaft sowie zwei UEFA Cups holten, hätten sich die Spieler voll und ganz dem Fußball verschrieben und ihr letztes Hemd auf dem Platz gegeben. Heute seien die Akteure mehr Wirtschaftsobjekt denn Sportler: „Wir dachten nur daran, Spiele auf der Basis unseres Kampfgeistes zu gewinnen. Wir hatten keine Ansammlung von Stars, aber niemand konnte unsere konstante Hingabe auf der Suche nach großen Siegen abstreiten. Heute sind die großen Fußballer Firmen, wie die Beispiele (Lionel) Messi, Ronaldo oder Neymar zeigen… Sie sind Maschinen, um Geld zu machen. Die hohen Summen, die sie jährlich erhalten, multiplizieren sie durch Sportreklame, was es ihnen erlaubt, Investitionen auf jedem Level zu tätigen. Sie leben zwei Leben: das in der Welt des Fußballs und das ihrer Firmen, wobei niemand bestreiten kann, dass sie exzellente Fußballer sind.“

Große Hoffnungen für die nähere Zukunft setzt der frühere Merengue vor allem in Zinédine Zidane. Der Franzose könnte das Team auf den richtigen Weg bringen: „Man darf nicht vergessen, dass Zidane ein Jahr mit Carlo Ancelotti zusammenarbeitete und die Spieler kennt. Sie unterstützen und respektieren ihn mehr als sie es bei (Rafael) Benítez taten, der es in seiner kurzen Etappe bei Madrid nicht schaffte, den richtigen Schalter zu finden – oder sie ließen ihn nicht.“

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

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