Einzelkritik

Das Rückrunden-Zeugnis 2015/16: Mittelfeld

Eine in vielerlei Hinsicht denkwürdige Rückrunde ist vorbei und auch beim frisch gekürten Champions-League-Sieger aus Madrid ist es Zeit, eine Schlussbilanz zu ziehen. Welche Spieler überragten, welche schnitten eher weniger gut ab? REAL TOTAL wirft einen Blick auf die Einzelleistungen der Profis in der Rückrunde und stellt ein abschließendes Zeugnis aus. Teil II: Mittelfeld.

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Matthias Hangst/Getty Images
Toni Kroos und Luka Modrić mit der Champions-League-Trophäe – Foto: Matthias Hangst/Getty Images

Mittelfeld

Toni Kroos

Einsätze: 22
Einsatzminuten: 1.891
Tore / Assists: 1 / 6
Durchschnittsnote: 2,41

Spricht man über die Garanten für den diesjährigen Königsklassen-Titel, werden unweigerlich die Namen Gareth Bale, Sergio Ramos oder Keylor Navas fallen. Und dann wäre da noch ein gewisser Toni Kroos. In der Hinserie noch schwankend in seinen Darbietungen, schaffte es der deutsche Nationalspieler unter Zinédine Zidane auf sein fantastisches Premierenjahr unter Carlo Ancelotti sogar noch eins draufzusetzen. Zunächst als tiefliegender Spielmacher vor der Abwehr agierend, wanderte der gebürtige Greifswalder nach Casemiros Installierung eine Position weiter nach vorne und war fortan eine der Hauptakteure des madrilenischen Spiels. Ganz egal wie hoch der Gegner auch presste, der 26-Jährige fand immer die passende Lösung. Durch seine hervorragend getimeten Bälle zwischen die Linien und seine zentimetergenauen Spielverlagerungen war der deutsche Nationalspieler besonders in der Champions League Dreh- und Angelpunkt der Offensivbemühungen der Blancos. Wie elementar der ehemalige Bayern-Profi mittlerweile für die Merengues ist, zeigte das Auftreten der Mannschaft nach seiner Auswechslung im Königsklassen-Finale, als urplötzlich jegliche Struktur und Ordnung verloren gingen. Bedingt durch die offensivere Position, stabilisierte sich auch Kroos’ Defensivleistung, da das aktive Pressen nach vorne vielmehr dem Profil der Nummer 8 entspricht als das laufintensive Stopfen von Löchern. Alles in allem lässt sich also festhalten: KROOSARTIG, Toni!

Casemiro

Einsätze: 17
Einsatzminuten: 1.326
Tore / Assists: 1 / 1
Durchschnittsnote: 2,41

Als bekannt wurde, dass Zinédine Zidane neuer Cheftrainer Real Madrids werden würde, hörte man nicht wenige Stimmen, die Casemiros Zeit an der Concha Espina sich ihrem Ende entgegen neigen sahen, ehe sie überhaupt richtig begonnen hatte. „Zizou“ bevorzuge spielstarke Akteure, für den jungen Brasilianer sei aufgrund seines Spielerprofils einfach kein Platz mehr. Anfangs schien sich dies auch zu bewahrheiten, bis zum 26. Spieltag sah der Abräumer kaum Spielminuten. Doch die 0:1-Derbyniederlage im Bernabéu brachte Zidane zum Nachdenken – und spülte die Nummer 14 in die Startelf. Durch seine herausragenden defensiven Qualitäten, sowohl in der Luft als auch am Boden, verhalf der brasilianische Nationalspieler seinem Team zu deutlich mehr Balance und Stabilität. Dass der 24-Jährige mit dem Ball am Fuß etwaige Defizite aufweist, fiel nur bedingt ins Gewicht, der Spielaufbau gehörte ohnehin eher ins Aufgabengebiet von Kroos und Modrić. Casemiro hingegen übernahm die so notwendige „Drecksarbeit“, rieb sich defensiv auf und stopfte unermüdlich Löcher. Auch taktisch wusste der Südamerikaner durch überwiegend sehr reife Auftritte zu gefallen und legte ein gutes Gespür für situatives Herausrücken respektive Fallenlassen an den Tag. Was Reals Mittelfeld-Kämpfer allerdings unbedingt versuchen sollte abzustellen, sind die teils unnötigen Fouls in Strafraumnähe. In Madrid wird man in Zukunft nämlich nur äußerst ungern auf seinen besten Zweikämpfer aufgrund von Gelb-Sperren verzichten wollen.

Mateo Kovačić

Einsätze: 14
Einsatzminuten: 515
Tore / Assists: 0 / 1
Durchschnittsnote: 3,78

Er kam mit großen Vorschusslorbeeren und spielte eine ordentliche Hinrunde, in der er sein Potential mehrere Male andeutete, die Rückserie war für Mateo Kovačić jedoch eine zum Vergessen. Meist nur als Kurzarbeiter gebraucht, schaffte es der Kroate nie, sich mit Nachdruck in den Fokus zu spielen. Dass der gebürtige Linzer über herausragende Anlagen verfügt, ist unbestritten – unter Zidane brachte der letztjährige Inter-Akteur diese aber nicht auf den Platz. Speziell durch seine unglaubliche Dynamik und seine Läufe aus der Tiefe kann der mit 22 Jahren jüngste Akteur im Kader eine Waffe sein, um langfristig ein Kandidat für die Startelf zu sein, muss der Mittelfeld-Allrounder seine Fehlerquote jedoch deutlich nach unten schrauben. In Person von Landsmann Luka Modrić besitzt Kovačić einen äußerst prominenten Fürsprecher, der bei seinem legitimen Nachfolger auf den Faktor Zeit setzt. Bekanntlich benötigte Modrić selbst ebenfalls ein Jahr Anlaufzeit, um sich in das Team und die Herzen der Fans zu spielen…

Luka Modrić

Einsätze: 21
Einsatzminuten: 1.772
Tore / Assists: 2 / 1
Durchschnittsnote: 2,43

Luka Modrić ist Madrids Herzstück und Taktgeber, das Bindeglied zwischen Offensive und Defensive und mittlerweile auch eine echte Führungspersönlichkeit. Seit nunmehr drei Jahren ist der Kroate nahezu unverzichtbar im Spiel der Blancos, sowohl Motor als auch Gehirn des königlichen Spiels. Der „Mozart vom Balkan“, wie er aufgrund seiner virtuosen Spielweise auch genannt wird, ist mittlerweile allerdings auch schon 30 Jahre alt – und das macht sich ab und an auch bemerkbar. Dass Reals Nummer 19 in dieser Rückserie auch ein mehrwöchiges Tief durchlief, war wohl in erster Linie auf physische Faktoren zurückzuführen. Modrićs Spiel steht und fällt mit seiner Physis. Ist er nicht vollkommen auf der Höhe, leidet das Spiel mit und gegen den Ball, vor allem aufgrund dann mangelnder Spritzigkeit. Genau dieses Problem erkannte auch Zidane gegen Ende der Saison – und verschaffte seinem Regisseur die notwendigen Pausen. „Lukita“ dankte es mit einem überragenden Saison-Finish und spielte wie ein Großteil seiner Mannschaftskameraden vor allem in der Champions League groß auf. Grande, Luka!

James Rodríguez

Einsätze: 20
Einsatzminuten: 1.118
Tore / Assists: 5 / 4
Durchschnittsnote: 3,17

Dass der Kolumbianer in dieser Spielzeit nicht so Recht zum Zug kam, lag sicherlich auch darin begründet, dass er merklich mit Fitness-Problemen zu kämpfen hatte und so manches Mal auch die Einsatz- und Aufopferungsbereitschaft zu wünschen übrig ließ. In erster Linie litt der letztjährige Shootingstar jedoch unter einem Positionsproblem. Die Zehnerposition, auf welcher der Edeltechniker mit dem feinen linken Fuß seine größten Stärken hat und auf der er aktuell bei der Copa Ámerica groß aufspielt, ist im gegenwärtigen System Reals schlichtweg nicht vorhanden, für die Halbpositionen im Zentrum sind Luka Modrić und Toni Kroos besser geeignet. Da die Experimente auf der rechten Außenbahn mittlerweile ebenfalls ad acta gelegt sind, musste sich die Nummer 10 gegen Ende der Saison vorwiegend mit der Bank arrangieren. Zidane versuchte anfangs zwar noch, den Spielmacher irgendwie in sein System zu integrieren, entschied sich schließlich jedoch für die ausbalancierte Variante im 4-3-3 mit Casemiro vor der Abwehr. Was bleibt also am Ende einer aus Sicht des WM-Torschützenkönigs von 2014 ernüchternden Spielzeit? Unter dem Strich nicht viel, außer der Erkenntnis, dass James’ Zukunft in Madrid trotz anderweitiger Bekundungen des Spielers nicht mehr in Stein gemeißelt scheint.

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Isco

Einsätze: 22
Einsatzminuten: 1.163
Tore / Assists: 2 / 4
Durchschnittsnote: 3,11

Ähnlich wie James ist Isco ein Opfer des Systems, wobei der Andalusier aufgrund seiner größeren taktischen Flexibilität eigentlich einen Vorteil besitzen dürfte. Anfangs unter Zidane noch gesetzt, schaffte es der 24-Jährige aber auch nicht, sich langfristig festzuspielen, und wanderte ebenfalls ins zweite Glied, um fortan überwiegend als Joker zum Einsatz zu kommen. Aufgrund seiner technischen Beschlagenheit und Ballsicherheit bringt der Iberer beste Voraussetzungen mit, um im zentralen Mittelfeld auf fast jeder Position glänzen zu können, in puncto Spielwirksamkeit weist Madrids Nummer 22 allerdings enorme Defizite auf. Seit mehr als einem Jahr kämpft der spanische Nationalspieler eigentlich mit demselben Problem: Er trifft zu oft die falschen Entscheidungen oder entscheidet sich zu spät. Um seinen Status als vielversprechendes Talent endlich abzulegen, muss Isco in der nächsten Saison endlich den nächsten Schritt in seiner Entwicklung machen. Die laut MARCA offenbar bevorstehende Vertragsverlängerung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass man die Hoffnung in Madrid noch lange nicht aufgegeben hat.

Lucas Vázquez

Einsätze: 18
Einsatzminuten: 975
Tore / Assists: 3 / 5
Durchschnittsnote: 2,67

Um sich bei Real Madrid durchsetzen zu können, braucht man einen großen Namen, muss eine internationale Marke sein und sollte am besten noch eine stattliche Ablöse gekostet haben. Oder man heißt Lucas Vázquez, kommt aus der eigenen Jugend und spielt sich durch ehrliche Arbeit und leidenschaftliche Auftritte in den Fokus und in die Herzen der Madridistas. Neben Casemiro zählt der Canterano zweifelsohne zu den Gewinnern dieser Spielzeit, an deren Ende sogar die Nominierung für Spaniens endgültigen EM-Kader stand. Egal ob als Joker oder wie im Champions-League-Halbfinale gegen City von Beginn an – der quirlige Rechtsaußen lieferte beständig gute Leistungen ab. Offensiv aufgrund seiner Dribbelstärke und seiner hervorragend getimeten Flanken ein permanenter Unruheherd, sorgte besonders das defensive Pensum der Nummer 18 immer wieder für Erstaunen. Neben eiserner taktischer Disziplin überzeugte der 1.73 große Iberer auch aufgrund seines Durchsetzungsvermögens in den Zweikämpfen und durch viele Ballgewinne. Nicht auszuschließen, dass Reals Flügelflitzer auch bei der EM groß auftrumpft.

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Modric und Kroos sind beide Spielgestalter aus der Tiefe. Nehmen sich oft die Bälle sehr weit hinten, dadurch ensteht oft eine große Lücke zwischen ihnen und dem Sturm. Oft lässt sich Benzema nach hinten fallen um als Bindeglied zu fungieren. James oder Isco legen die 8 offensiver an, was oft bei defensiveren Mannschaften sehr wichtig ist. Schön das wir da variieren können, ähnlich wie es die Münchner machen.
 

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