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Absolvent berichtet: Wie Weltverein Real Trainer und Talente ausbildet

Marc-Patrick Meister hat Real Madrid und dessen „Fábrica“ so gut kennengelernt, wie kein anderer Deutscher zuvor. Der aktuelle Cheftrainer des U17-Bundesliga-Teams des Karlsruher SC und zertifizierter DFB-Fußballlehrer absolvierte 2015 das Masterstudium „Dirección de fútbol“ an der „Escuela Universitaria de Real Madrid“, einer privaten Universität unter Schirmherrschaft der Königlichen. Im exklusiven Interview mit REAL TOTAL berichtet der erste deutsche Absolvent von seinen einmaligen Erfahrungen sowie der Ausbildung und singt ein Loblied auf den spanischen Fußball. Erster Teil: Rund um das Studium und Real Madrid.

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Real Madrid Jugend
Reals Jugendabteilung zählt zu den Besten der Welt – Foto: Denis Doyle/Getty Images

REAL TOTAL: Herr Meister, Sie haben an der Escuela Universitaria Real Madrid – Universidad Europea den Master in „Dirección de fútbol“ abgeschlossen. Was genau sind Sie jetzt, der wandelnde Fußball-Almanach?

Marc-Patrick Meister: Viele sagen, dass die Ausbildung dort der spanische Fußballlehrer wäre, was aber nicht stimmt. Das Institut gehört Real Madrid und an dieser Privatuni werden mittlerweile 16 Studiengänge angeboten und einer davon ist eben „Fußball und Talententwicklung“. Dieser orientiert sich inhaltlich konkret an der spanischen Idee, Talente auszubilden und zu entwickeln, im Endeffekt also Fußballer nach oben zu transportieren. An dieser Stelle sollte auch klar sein: Dabei wird nicht der eine, einzige Weg vorgestellt, den gibt es in keinem Land. In jedem Land gibt es verschiedene Klubs und daher auch immer wieder unterschiedliche Ansätze zu coachen und auszubilden sowie verschiedene Trainingsschwerpunkte und -prinzipien, sodass das zwangsläufig immer verschieden ist. Im Großen und Ganzen wurde der Unterschied zwischen, in meinem Fall, Deutschland und dem Fußball in Spanien jedoch schon deutlich.

Marc Meister
Marc-Patrick Meister studierte bei Real Madrid

Dann mal allgemein gefragt: Wie ist das 10.000 Euro teure Studium aufgebaut und was sind die grundsätzlichen Schwerpunkte?

Die zehn Monate sind komplett auf Spanisch, sowohl die Theorie im Klassenzimmer als auch auf dem Platz. Real Madrid ist dabei als „Gastgeber“ dafür verantwortlich, dass im Wochenrhythmus, immer freitags und samstags, die verschiedenen Nachwuchschefs aus dem ganzen Land, von oben im Norden Bilbao bis unten im Süden Sevilla, anreisen und ihr Ausbildungsprogramm über ein oder zwei Tage vorstellen. Das Ganze wird dann noch flankiert von Vereinen wie Dinamo Zagreb, der Top-Adresse in Sachen Ausbildung im kroatischen Fußball, oder Stoke City, das sehr Coerver-Coaching-lastig arbeitet. Zusätzlich haben wir dann noch eine Woche in Holland verbracht, wo wir fünf Tage lang bei Feyernord Rotterdam, beim AZ Alkmaar und bei Ajax Amsterdam vorbeischauten und dort vor Ort mal hinter die Kulissen blicken konnten. Das Ganze ist also auch sehr international aufgestellt.

Klingt, als wäre man in den zehn Monaten mehr im Ausland als in Spanien oder bei Real selbst?

In Spanien selbst sind wir auch gereist, waren in Bilbao, haben UD Levante besucht und waren natürlich viel in Valdebebas. Dort bei Real haben wir uns viel umgeschaut und hatten auch den direkten Austausch mit den Coaches vor Ort. Für mich als deutscher Trainer urspannend mit sehr vielen Inhalten und enorm viel Input für meine tägliche Arbeit.

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Bewegt man sich dabei überwiegend in der Theorie oder ist das Ganze doch eher auf die praktische Arbeit auf dem Platz angelegt?

Teilweise war es so, dass sich die Cheftrainer der Canteras nur in der Theorie aufgehalten haben, weil man auch immer den Kontext jedes einzelnen Vereins sehen muss. Die finanziellen Rahmenbedingungen und Trainingsbedingungen vor Ort sind immer unterschiedlich und das muss man dann für jede einzelne Nachwuchsschmiede in einen Kontext bringen. Da ging dementsprechend auch viel Zeit in der Theorie drauf. Teilweise haben sich die Trainer aber dennoch die Zeit genommen und sind mit uns auf den Platz und haben exemplarische Übungen vorgeführt, versucht zu zeigen, wie sie ihre Spielidee herunterbrechen und aufgezeigt, wie man altersspezifisch entsprechend trainiert. Ein Schwerpunkt der Praxis war mit Sicherheit Stoke City mit Coerver-Coaching, wobei die Trainer mit großer Überzeugung herangegangen sind und diese exemplarische Trainingsarbeit dann auch zeigen wollten. Insgesamt also eher 3:1 für die Theorie an dieser Stelle.

Klingt alles ziemlich transparent.

Ja, all das passierte auch mit sehr großer Offenheit, wobei ich sowieso die Überzeugung habe, dass es im Fußball keine Geheimnisse gibt, weil es im Endeffekt ums Coaching geht. Entweder ich kann eine Übung coachen oder nicht, aufbauen kann sie im Prinzip jeder. Ich glaube, da halten wir Deutsche immer so ein wenig die Tür zu und halten uns auch ein wenig bedeckt, da gibt es in puncto Mentalität auch einfach Unterschiede an dieser Stelle.

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Wie viel Real Madrid steckt denn tatsächlich im Studium?

Konkret waren wir drei Tage in Valdebebas. Wir haben dort Trainingseinheiten beobachtet und von den Chef- sowie Athletiktrainern der Castilla, der Juvenil und der Cadete Frontalvorträge bekommen, wobei man auch immer wieder nachfragen konnte.

Erhält man dabei auch detailliert Einblicke in die Trainingsarbeit der Cantera? Öffentlich ist über diese nämlich nur sehr wenig bekannt.

Die Trainingsidee bei Real Madrid basiert seit eineinhalb Jahren auf „Smart Football“. Das heißt, es gibt keine Übungsform mehr, bei der der Ball von Hütchen zu Hütchen läuft, und auch keine standardisierten Passfolgen oder Ähnliches. Jede Trainingseinheit ist dabei in vier Schritten, den „cuatro problemas“, aufgebaut. Für die Jungs gibt es in der Trainingseinheit also vier Probleme respektive vier Herausforderungen, die aufeinander aufgebaut sind. Und man versucht immer, den Spieler am Denken zu halten.

Spielen mit Köpfchen…

Dadurch, dass die Kinder einfach Fußball spielen, will man den Denkprozess stimulieren. Der Spieler muss in jeder Situation Entscheidungen treffen und in immer wieder neue Spielsituationen lösen, wobei dann einfach die Spielfähigkeit gefestigt und das Spielverständnis geschult werden soll, ohne dass es der Spieler unbedingt merkt. Das ständige Treffen von Entscheidungen führt auch letztendlich dazu, dass viele Fehler passieren, wobei die Coaches bei Real sagen – und der Überzeugung bin ich auch – dass neben dem Flow auch die Fehler dazugehören, um zu lernen. Weil der Fehler gibt mir ein Feedback, dass ich es das nächste Mal einfach anders machen muss beziehungsweise es auf eine andere Art und Weise noch mal versuchen soll, damit ich meine Aktion dann eben durchbekomme. In dieser Hinsicht hat Real eine große Einheitlichkeit geschaffen, bei allen Mannschaften von der Prebenjamín (U8; d. Red.) bis zur Castilla wird diese Trainingsstruktur mittlerweile gelebt – für die Profis kann ich es nicht sagen.

valdebebas real madrid
In Valdebebas gibt’s inzwischen zwölf Trainingsfelder (mehr Infos)

Die Mannschaften durchlaufen also immer vier Trainingsteile.

Das sind Ballbesitzspiele, eine kleine und eine große Form, dann eine Haupttrainingsübungsform, in der der eigentliche Schwerpunkt ganz klar herausgearbeitet wird, natürlich immer mit Provokationsregeln oder Zonen beziehungsweise Tabuzonen, und dann das Abschlussspiel. Das wird auch sehr konsequent von der Nachwuchsleitung eingefordert und davon versprechen sie sich, in den nächsten drei bis fünf Jahren möglichst viele Spieler nach oben zu transportieren. Die beiden Chefs, die seit Sommer 2015 neu sind (Victor Fernández und Juanlu Martínez; d. Red.), haben mit „Smart Football“ diese Trainingsphilosophie für Real Madrid eben jetzt übernommen.

Durchaus ein interessantes Konzept. An dieser Stelle dann mal eine persönliche Frage: Hat sich Ihr Blick auf den Verein durch unter anderem diese Einblicke hinter die Kulissen verändert? Ist die Faszination und Stahlkraft, die zweifelsohne von diesem Klub ausgeht, größer geworden oder hat Sie vielleicht doch ein bisschen davon verloren?

Für mich ist zum einen die Faszination für den spanischen Fußball und auch die Arbeit dort exorbitant gewachsen. Auch wenn ich vorher den spanischen Fußball total spannend fand, schön anzusehen und bemerkenswert, weiß ich jetzt einfach viel mehr darüber und bin total begeistert. Zu Real Madrid kann ich sagen, dass ich vorher kein Fan war, es jetzt aber schon ein Stück weit bin. Real ist ja wirklich ein Global Player im internationalen Spitzenfußball. Was das Trainingszentrum in Valdebebas, die Fortschrittlichkeit in den technischen Bereichen wie in der Spielanalyse, im Scouting und in der Leistungsdiagnostik von den Kleinen bis zu den Profis und den ganzen Medienapparat dahinter, von Spielern und Stadion ganz zu schweigen, angeht, ist das schon beeindruckend. Madrid ist da für mich in gewisser Weise wie Bayern München, mit diesem Selbstverständnis, mit dem hohen Anspruch an sich selbst, aber auch mit einem großen Selbstbewusstsein. So etwas ist auch nicht selbstverständlich, so etwas erarbeitet man sich. Da hat meine Begeisterung auf jeden Fall zugenommen.

Der zweite Teil des Interviews handelt genereller von Nachwuchs- und Trainingsarbeit in Spanien, auch im Vergleich zur deutschen.

Die neuen Trainingsartikel von Real Madrid: Shirts, Jacken, Anzüge, Hosen

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Braucht man eig ne Matur/Abitur um dort zu studieren ? Hab nichts gefunden obwohl ich die Infos heruntergeladen habe.
 
Braucht man eig ne Matur/Abitur um dort zu studieren ? Hab nichts gefunden obwohl ich die Infos heruntergeladen habe.

Da es sich um ein Masterstudium handelt, ist ein Bachelor (am besten natürlich mit sportwissenschaftlichem Hintergrund) sowie das Besitzen einer Trainerlizenz Voraussetzung (UEFA-Level) Voraussetzung.
 
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"Madrid ist da für mich in gewisser Weise wie Bayern München"
Das ist der Witz des Tages. Real Madrid ist eine andere Galaxy, als Bayern München!
Bayern würde gern wie Real Madrid sein!
Wo Real Madrid hingemacht hat, muss Bayern München mind. noch 10x dran riechen.
 

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