
Der wohl letzte Auftritt im Bernabéu
MADRID. James Rodríguez blickte noch einmal voller Ehrfurcht zu den Rängen des Estadio Santiago Bernabéu auf, hob die Hände und applaudierte mit starrer, fast schon trauriger Miene den Zuschauern zu, die sich seinetwegen von ihren Sitzen erhoben hatten. Die 61. Minute im Spiel zwischen Real Madrid und dem FC Sevilla, in der er für Carlos Casemiro Platz machte, war womöglich seine letzte im königlichen Fußballpalast an der Concha Espina.
„Ich will jetzt nicht an solche Dinge denken. James ist noch hier und wir haben noch viele wichtige Aufgaben vor uns“, sagte Trainer Zinédine Zidane nach dem 4:1-Sieg. Verteidiger Nacho Fernández mutmaßte, die Auswechslung der Nummer 10 sei schlichtweg so emotional gewesen, weil es sich um das letzte Heimspiel der Saison handelte.
Die Nummer 10 schweigt – vor Enttäuschung?
James selbst wollte keine Auskunft über seine Zukunft geben, sondern huschte einmal mehr wortlos durch die Mixed Zone des Bernabéu zu seinem Auto. Den spanischen Journalisten geht der Kolumbianer ohnehin gerne aus dem Weg, schließlich sind sie es, die ihn seit zwei Jahren immer wieder scharf kritisieren. Ihm wird auch hier und da mangelnder Einsatz im Training und auf der anderen Seite eine neu gewonnene Affinität zu Nachtclubs nachgesagt.
Er muss sich auch gar nicht mehr erklären. Die Öffentlichkeit weiß seit der Klub-WM im vergangenen Dezember genau, was er fühlt. Ohnmacht. Verzweiflung. Enttäuschung. „Ich will mehr spielen. Es ist bitter, nur zuzusehen Ich habe viele Angebote und sieben Tage Zeit, um nachzudenken, was ich mache“, sagte James damals.
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Kein Platz für den effektivsten Madrilenen
Er blieb, weil er auf Geheiß des Trainerstabs und der Klubführung bleiben musste. Und er war auch nützlich. Mit 24 Torbeteiligungen in 1800 Einsatzminuten erwies er sich in dieser Saison als zuverlässiger Mann, mehr noch: als der effektivste Madrilene! In den großen Spielen, für die er nach der WM 2014 für 80 Millionen Euro vom AS Monaco verpflichtet worden war, schmorte er jedoch meist nur auf der Bank. So kam er in der K.o.-Phase der Champions League nur auf sieben Minuten. Real schlug Neapel, Bayern und Atlético letztlich ohne den Linksfuß – und genau das tut ihm am meisten weh.
Die herausragende Saison von Isco und der kometenhafte Aufstieg des 21 Jahre jungen Marco Asensio machen es Trainer Zidane in einem System ohne echten Zehner einfach schwer, James immer aufzustellen. Darüber hinaus hat sich das aus Carlos Casemiro, Toni Kroos und Luka Modrić bestehende Dreier-Mittelfeld unter dem Franzosen als Herzstück der Mannschaft etabliert. Für den früheren Weltklassekicker gilt: „Never change a winning team“. Und James ist nun einmal kein Teil dieses „winning teams“. Er ist trotz 77 Torbeteiligungen aus 110 Partien keine Option mehr. Keine entscheidende Figur. Nach seiner fabelhaften Debüt-Saison unter Carlo Ancelotti stürzte er ins Reservistendasein ab. Und deshalb deutet alles auf einen Abschied im Sommer hin.
Kolumbianer kann sich Top-Klub aussuchen
„Lebe wohl, James“, titelt bereits die Madrider Sportzeitung AS. Kolumbianischen Medienberichten zufolge ist sich der 25-Jährige mit Manchester United einig. Auch dem FC Chelsea, Inter Mailand, Juventus Turin und dem FC Bayern wurde zuletzt Interesse nachgesagt. Diese Klubs lechzten auch schon nach der WM in Brasilien vor drei Jahren nach ihm. Doch er wollte nur nach Madrid. Es war sein Kindheitstraum, frohlockte er bei seiner Präsentation vor 1027 Tagen im Bernabéu, beim größten Verein der Welt seine Spuren zu hinterlassen. Dieser Traum ist nicht mehr real. Vielleicht kann sich James zumindest noch am Cibeles-Brunnen verabschieden. Mit seinen Titeln sechs und sieben für Real.
— James Rodríguez (@jamesdrodriguez) 14. Mai 2017
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