
Zidane gesteht: „Liegt etwas im Argen“
MADRID. Endlich ist es raus. Nachdem Real-Fans seit Jahren vermuten, dass der FC Barcelona durch Verband und Schiedsrichter bevorzugt wird, bestätigte in Person eines „sehr, sehr verärgerten“ Zinédine Zidane nun erstmals jemand Offizielles von Real Madrid mehr oder weniger diesen Verdacht. „Was passiert ist, ist passiert. Aber wenn du schaust, was da alles passiert ist und überlegst, was das Komitee entschied (…), da liegt etwas im Argen“, so der Franzose auf der Pressekonferenz vor dem Supercopa-Rückspiel. Vermutlich noch unwissend, was er da losgetreten hat.
84 Prozent der Platzverweise aus den letzten 25 Duellen der beiden Erzrivalen gingen auf Reals Konto, und trotz diverser ungeahnter Szenen (beispielsweise Mascherano gegen Lucas 2016/17 – selbst von LaLiga geteilt, Mascherano gegen Ronaldo 2013/14, Rakitics Handball 2016/17, Valdes gegen Ronaldo 2011/12, Umtiti gegen Ronaldo 2016/17) bekamen die Katalanen nur einen Strafstoß weniger gegen sich, als die Madrilenen. Dazu kommt: In der Saison 2016/17 kassierten die Katalanen erst nach dem 28. LaLiga-Spieltag einen Platzverweis (das gab’s in Spanien noch nie), zudem blieben sie über ein Jahr lang ohne einen Strafstoß gegen sich. Erinnerungen an die Skandal-Spiele gegen Málaga, Éibar und Sevilla aus der letzten Saison werden wach. Unglaubliche Fakten, doch brachte erst das Supercopa-Hinspiel (3:1) das Fass zum Überlaufen.
Zwei Situationen in den jeweiligen Strafräumen, zwei Mal fiel ein Stürmer. Doch wurde nicht Luis Suárez, sondern Cristiano Ronaldo für eine angebliche Schwalbe bestraft. Dabei hob Suárez schon früh gegen Keylor Navas ab, während bei Ronaldo gleich zwei Kontakte durch Umtiti zu sehen sind. Gelb für Ronaldo, Elfer für Barça. Aufgebracht ließ sich CR7 danach zu einem Schubser hinreißen, was ihm vier weitere Spiele Sperre einbringt. Ein Schiri-Schubser im Clásico? Erneute Erinnerungen: Lionel Messi, 2009. Eine Sanktion gab es damals nicht. So ist Fußball: Mal profitiert Team A, mal B. Doch die Verdachte um die Wettbewerbsverzerrung verdichten sich mit jedem Clásico.
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„Pfeif doch noch einen Elfer“
Der Clásico zerpfiffen? Auch in der Mannschaft scheint man so zu denken. „Pfeif doch noch einen Elfer“, konnte man von den Lippen des wütenden Dani Carvajal ablesen nach Asensios erlösenden 3:1-Siegtreffer. Gerichtet natürlich an Referee Ricardo de Burgos Bengoetxea.
Carvajal: “¡Pita otro penalty!” pic.twitter.com/hVE2ED9Rbg
— Steizam (@Steizam) 14. August 2017
„Schiedsrichter sind Menschen und machen Fehler“, sagte Carvajal 36 Stunden später. Und meinte vermutlich auch, dass dahinter etwas Größeres steckt. Es geht nicht um das Supercopa-Hinspiel, nicht um die fünf Clásicos davor in denen es zu vier Platzverweisen kam (allesamt für Madrid), sondern vielmehr um den großen Verdacht: Wird Barça vom spanischen Verband oder einer anderen einflussreichen Organisation bevorzugt?
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Seit 2003: 94 Platzverweise mehr zugunsten Barças
Keine Frage: Für einen Schubser gegen den Schiedsrichter muss man gesperrt werden. Aber dann doch mit gleichem Maße! Messi null, Ronaldo vier Spiele? Und ja, Ramos ging im April verdient runter. So wie auch schon viele Male zuvor. Doch was ist mit Suárez’ versteckten Tritten allein aus dem letzten Aufeinandertreffen (erste Szene, zweite Szene), wenn Kameras und Schiedsrichter woanders hinschauen? Verdachte, Verdachte. Doch zu den Verschwörungen kommen immer mehr Fakten und Aussagen.
Diese vielen Szenen aus den Clásicos scheinen nur die Spitze des Eisbergs. Denn auch an den restlichen 36 Spieltagen scheint Justitias berühmte Waage eher auf Seite der Katalanen. Manche Madridistas machen sich seit langem die Mühe, alle Spieldaten zu notieren und zu vergleichen. Twitter-User @MaketoLari beispielsweise hat Karten und Platzverweise beider Teams in den letzten 14 Jahren verglichen. Und dabei nicht nur ein großes Ungleichgewicht bei Elfmetern und Gelber Karten festgestellt: Während bei Real seit 2003 17 Spieler mehr flogen als Gegner (113 gegenüber 96), ist es bei den „Culés“ umgedreht: 76 Katalenen flogen, und 153 Gegenspieler. Macht unter beiden Teams eine Differenz von 94 Platzverweisen, von denen Barcelona mehr oder weniger profitierte. Zahlen hier, Gedanken da. Denn auch für Reals Kult-Fan Toñin „el Torero“ ist die Sache klar: „Barcelona wird seit Jahren durch bestimmte Personen bevorzugt und unterstützt!“
Twitter-User @rafa_nmj ging sogar noch weiter, verglich diese Werte unter allen LaLiga-Teams. Und siehe da: Seit 2004/05 die deutlich höchste Differenz an Roten und Gelben Karten (+68 „TR“ und +675 „TA“) als Sevilla, Atlético, Bilbao, Valencia und auf Platz sechs: Real Madrid (-10 und +230).

Zufall und Imageproblem?
Es scheint: Die Königlichen leiden immer noch an ihrem zusammengekauften Treter-Image, die von 2003 bis 2009 nie ein Champions-League-Halbfinale erreichten. Und auf der anderen Seite die „Tiki Taka“-Triplesieger aus Barcelona. Doch Schulden sind abgebaut, aus „la Fábrica“ kommen mehr Talente als aus „la Masia“ und auch sportlich haben die Königlichen die Katalanen wieder eingeholt. Doch scheinen sie noch an ihrem alten Image-Problem zu leiden.
Ohne öffentlichen Druck wird sich an dieser Rollenverteilung nichts ändern. Doch nach Zidanes interpretierbaren Worten könnte nun der erste Schritt für eine gleichgerechte, objektive Behandlung getan sein. Und ein Ende der „jahrelangen Bevormundung“, wie uns Kult-Fan Toñin sagte. Der sieht darin sogar ein System: Manche wollen unbedingt versuchen, dass der laut FIFA beste Verein des 20. Jahrhunderts es nach dem 21. Jahrhundert nicht schon wieder wird. Zwar werden bis zum Jahre 2099 noch viele Titel ausgespielt, doch kommt diese Theorie angesichts der oberen Zahlen und der unteren Aussagen gar nicht mehr so absurd daher.

Oder System? „Werde Real benachteiligen, bis ich sterbe“
Schwachsinn? Nur in Spanien ist es wohl denkbar, dass ein Verbandsmitglied wie Joan Gaspart offiziell mitteilt: „Ich werde Real Madrid benachteiligen, bis ich sterbe.“ Und: „Was Madrid macht, stinkt mir.“ Und: „Madrid schadet dem Fußball.“ Nicht weiter wichtig? Der 72-jährige Geschäftsmann agiert seit 2004 als Vizepräsident des spanischen Fußballverbands RFEF. Und ist ehemaliger Barça-Präsident (2000 bis 2003).
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Real machte sich RFEF-Präsidenten Villar zum Gegner
Dazu kommt ein im Juli erschienener Artikel bei El Español, in dem ein Erstliga-Schiedsrichter zugab, wie der (im Juli verhaftete) RFEF-Präsident Ángel María Villar mit „Kontrahenten“ verfahren soll. Als Villar 2004 mal wieder wiedergewählt wurde, machten sich Madrid und fast alle anderen Vereine für den Gegenkandidaten Gerardo González stark, Barcelona und einige andere hatten aber die durch Villar kontrollierten Schiedsrichter hinter sich, wie es in dem Interview heißt. Macht und Politik: Barças damaliger Präsident Joan Laporta soll angeblich sogar eine Abmachung unter den Vereinen gebrochen haben, um Villar im Amt zu halten und sich bei diesem auf Jahre hinweg beliebt zu machen. Diese Machenschaften bestätigte voller Begeisterung Alfons Godall, welcher Barcelona von 2003 bis 2010 als Vizepräsident diente in einem Video (deutsche Untertitel möglich). Ob dies bei Schiedsrichterentscheidungen half? „Ohne jeden Zweifel“, so der 55-Jährige.
Weiter im Text: Kontrollierte Unparteiische? „Wenn man nicht für Villar war, konnte man seine Karriere vergessen, musste in die Segunda“, heißt es im Interview. Wer gegen den seit 1988 (!) amtierenden Präsidenten war, würde durch die von Villar kontrollierte (und finanziell durch den 67-Jährigen „unterstützte“) „Asamblea RFEF“ abgesägt, heißt es. Und anders formuliert: Welche Schiris bei Villars befreundeten Klubs mal Augen zudrückten, bekamen Bonusse wie Pokalfinals.
Was das mit all diesen Verschwörungstheorien zu tun hat? Wenig. Oder alles? Wir fassen zusammen: Barcelona, das in den letzten Jahren erstaunlich weniger Karten und Platzverweise hinnehmen musste als Real, wählte also den wegen Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder verhafteten Villar, welcher Schiedsrichter unter Druck setzen soll. Und Madrid machte ihn sich zum „Feind“, wohingegen Villars rechte Hand Gaspart ein bekennender „Anti-Madridista“ ist. Nach den letzten Fehlentscheidungen dürfte also auch der letzte Barça-Fan erkannt haben: Da scheint ganz schön was im Argen zu liegen!
ANGEBOT: Real-Trikots von 2016/17 ab 35 Euro: Heim, Auswärts, Ausweich
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