
Neuzugänge brauchen Zeit, Offensive schwächelt
MADRID. Die eigenen Hausaufgaben erledigt und obendrein von dem Remis der Konkurrenz im Estadio Mestalla profitiert: Das zurückliegende Wochenende hätte kaum besser für Real Madrid laufen können. Auf den ersten Blick. Denn ungeachtet der etwas positiveren Tabellensituation liegt in Wahrheit ein weiterer ernüchternder Spieltag hinter dem spanischen Rekordmeister. Die eigene spielerische Darbietung war erneut zu schwach, um vor Freude jauchzend in die kommenden Wochen mit dem Clásico am 23. Dezember als Höhepunkt zu gehen. Nach dem höchst schmeichelhaften 3:2 vor heimischer Kulisse gegen den FC Málaga schienen spätestens auch Zinédine Zidane und Florentino Pérez erkannt zu haben, dass sie nach dem erneuten Gewinn der Champions League im Mai nicht unbedingt die klügsten Personalentscheidungen getroffen hatten.

Der Trainer sprach erstmals von Winterneuzugängen. „Es kann etwas passieren. Aber es kann auch sein, dass sich nichts ändert. Wir werden sehen“, orakelte Zidane. Dass der Franzose nicht mehr sagen konnte, war schlichtweg der Tatsache geschuldet, dass er sich zuletzt in keiner Weise mit möglichen Verstärkungen beschäftigt hatte. Er winkte stets ab und betonte, nichts verändern zu wollen. Doch die Realität sieht mittlerweile anders aus. Auf die Neuzugänge ist Zidanes Aufstellungen und Wechseln zufolge (noch) kein Verlass. Jesús Vallejo, Theo Hernández, Achraf Hakimi, Marcos Llorente, Dani Ceballos und Borja Mayoral haben gerade einmal rund 20 Prozent aller möglichen Einsatzminuten bestritten. Zum Teil womöglich auch zu Recht, wie das schlampige 2:2 im Pokal gegen Drittligist Fuenlabrada gezeigt hat.
Mariano frühestens im Sommer ein Thema
Hingegen sind die sechs abgewanderten Stars – Álvaro Morata, James Rodríguez, Mariano Díaz, Pepe, Fábio Coentrão und Danilo – für ihre neuen Klubs sehr wertvoll und haben zusammen schon 24 Tore erzielt. Fünf mehr als das jahrelang so gefürchtete „BBC“-Trio, das aufgrund der noch immer nicht vollständig überwundenen Ladehemmungen von Cristiano Ronaldo und Karim Benzema sowie der ständigen Verletzungen von Gareth Bale momentan ein Schatten seiner selbst ist. Und weil Talente wie Marco Asensio noch Zeit benötigen, um in jedem Spiel ein Feuerwerk abzuliefern, und in der Vergangenheit verlässliche Fleißbienen wie Lucas Vázquez schwer in Tritt kommen, liegt Reals Problem in erster Linie in der Offensive.
Besonders der Abgang von Mariano, dem mit zwölf Treffern besten spanischen Torschützen aus den fünf europäischen Top-Ligen, dürfte Zidane ärgern, weil er ihn anders als den von Morata durchaus hätte vermeiden können. Im Winter wird Mariano nicht zu haben sein. Er ist glücklich in Lyon. Und bei Olympique behaupten sie ohnehin, keine Rückkaufoption mit den Königlichen vereinbart zu haben. Über ein Comeback der wuchtigen Tormaschine könnte – wenn überhaupt – erst im Sommer diskutiert werden.
Icardi? Kane? Werner? Keine Januar-Transfers
Bis dahin bräuchte Zidane eine andere Lösung, um seinem trägen Angriff neues Leben einzuhauchen. Dass diese nicht Mauro Icardi heißen kann, dürfte auch den größten Träumern unter den Fans klar sein. Der Angreifer von Inter Mailand würde sich nach einer fulminanten Hinrunde in der Serie A wohl kaum die Chance auf seinen ersten „Scudetto“ und die Torjägerkanone nehmen lassen. Abgesehen davon waren Transfers der Größenordnung 80, 100 oder 200 Millionen Euro mitten in einer Saison bislang immer fernab jeglicher Realität. Deshalb kommt der Name Harry Kane im Büro von Präsident Florentino Pérez überhaupt nicht zur Sprache. Und im Falle eines Anrufs bei RB Leipzig wegen Timo Werner würde Ralf Rangnick sein Smartphone eher einem Mülleimer statt einem Schiedsrichter präsentieren.
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Zidane weiß, dass er kreativ sein und einen zweiten „Chicharito“ oder Emmanuel Adebayor auftreiben müsste, wenn er im Januar auf Shoppingtour gehen würde. Einen Joker, der keine hohen Ansprüche hätte, aber dazu fähig wäre, Trainer-Liebling Benzema Beine zu machen und im besten Fall auch noch Sorgenkind Bale zu vertreten. Einen solchen Spieler findet man vielleicht in Simulationen wie FIFA oder Pro Evolution Soccer, aber nicht im wahren Leben. Kein Wunder also, dass sich der Trainer auch darauf gefasst macht, den Rest der Saison mit dem aktuellen Spielermaterial anzugehen. Schenkt man der spanischen Sportzeitung MARCA Glauben, könnte mit Kepa Arrizabalaga noch ein Neuer kommen. Der Profi von Athletic Bilbao ist jedoch kein Spieler, der Reals größte Sorge verringert. Er schießt nämlich keine Tore, sondern verhindert sie.
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