
Der heimliche Held von Turin
MADRID. Nach Real Madrids durchaus beeindruckendem 3:0-Erfolg in Turin im Viertelfinal-Hinspiel der Königsklasse stand (natürlich) mal wieder Cristiano Ronaldo im Mittelpunkt. Schließlich hatte der Portugiese mit zwei Treffern und einer Vorlage seine Farben quasi im Alleingang zum Sieg geführt, zudem mit seinem unglaublichen Fallrückzieher-Tor zum 2:0 einen Moment für die Geschichtsbücher heraufbeschworen. Doch hätte an diesem historischen Abend Vieles anders laufen können, wenn in der 23. Minute nicht Keylor Navas zur Stelle gewesen wäre.
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Der Costa-Ricaner verhinderte nämlich mit einer Wahnsinnsparade ein eigentlich sicheres Tor von Ex-Blanco Gonzalo Higuian und wehrte die Direktabnahme des Juve-Stürmers aus fünf Metern mit einem katzenartigen Reflex spektakulär ab. Real hielt die Null und verschaffte sich fortan eine mehr als komfortable Ausgangssituation für das Rückspiel. Dass jene Szene in der Nachbetrachtung im (berechtigen) Jubel über Ronaldos Leitung fast ein wenig unterging, ist allerdings ziemlich schade, könnte jene Parade am Saisonende zweifelsohne als eine der Schlüsselszenen in die Annalen eingehen – sowohl für die Blancos als auch für Navas selbst. Denn mit seinem starken Auftritt in Turin setzte der 31-Jährige auch mal wieder ein deutliches Statement bezüglich seiner eigenen Zukunft.
Trotz acht Titeln bleibt Navas umstritten
Obwohl er in seinen bisher zweieinhalb Jahren als Stammtorhüter acht Titel gewann und in der Gesamtbetrachtung auch in dieser Spielzeit gute Leitungen zeigt (REAL TOTAL-Notenschnitt von 2,53), ist der Costa-Ricaner in der spanischen Hauptstadt (zumindest öffentlich) weiterhin umstritten. Und auch wenngleich Zinédine Zidane keine Möglichkeit auslässt, seiner für ihn unumstrittenen Nummer Eins das Vertrauen auszusprechen, reißen die Spekulationen um mögliche Nachfolger nicht ab: David de Gea, Thibaut Courtois, Kepa Arrizabalaga, Alisson Becker – die Liste potentieller neuer Torhüter für die Merengues ist lang und prominent. Transferfenster für Transferfenster – so zumindest die öffentliche Wahrnehmung – wird versucht, den Mittelamerikaner aus dem Madrider Gehäuse zu schreiben. Doch sind die Rufe nach De Gea und Co. überhaupt gerechtfertigt?

Statistik: Nur Oblak spielt in einer eigenen Liga
Wirft man einen Blick in die Statistik, wird deutlich, dass sich Navas keineswegs vor der Konkurrenz zu verstecken braucht. Mit 0,86 Gegentoren pro Partie weist Reals Keeper die viertbeste Quote der letzten drei Jahre in der Königsklasse unter den Top-Torhütern auf – und das, obwohl er jedes Jahr bis ins Finale vorstieß und nahezu jede Partie absolvierte. Der Unterschied zu Marc-André Ter Stegen (0,85) sowie David de Gea (0,83) ist zudem nur marginal, lediglich Atléticos Jan Oblak (0,56) spielt auch in der Königsklasse in einer eigenen Liga. Natürlich sagt solch eine Quote nicht zwangsläufig etwas über die tatsächliche Qualität eines Torhüters aus, da selbstredend auch das (mannschaftliche) Defensivverhalten beziehungsweise die Qualität der Abwehrspieler in diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle spielen, rein zufällig kommen derartige Zahlen jedoch auch nicht zustande.
Genau genommen stehen sie exemplarisch dafür, was Navas in seiner Zeit bei Real Madrid bislang auszeichnete: Auch wenn er nach seiner herausragenden ersten Spielzeit 2015/16 als Stammtorwart bei den Blancos – die mit 31 Gegentoren in 45 Spielen auch seine statistisch beste darstellte – leistungsmäßig etwas stagnierte und auch ein paar Leistungsdellen durchlebte, lief der Costa-Ricaner immer dann zur Höchstform auf, wenn der Druck am höchsten war. Das gilt sowohl für seine erste Saison, als er als Casillas-Nachfolger und im Zuge des geplatzten De-Gea-Transfers unter besonderer Beobachtung stand, als auch für jegliche Spitzenspiele und Champions-League-Duelle im Anschluss. Wenn er gebraucht wird, ist Navas da. Egal ob Clásico, Liga-Spitzenspiel oder Königsklassen-Kracher – immer, als es darauf ankam, zeigte der „Panther“ außergewöhnlich gute Leistungen.
In jenen Spielen überzeugte der 31-Jährige mit tollen Reflexen auf der Linie und erwies sich als echter „Killer“ in Eins-gegen-Eins-Situationen, merzte so einige Fehler seiner bei Kontern nicht immer sattelfesten Vorderleute teils spektakulär aus. Auch den einen oder anderen Elfmeter konnte Navas entschärfen. Und auch aus spielerischer Sicht – seine vermeintlich größte Schwachstelle – machte der zweifache Vater in jenen Partien eine mehr als passable Figur.
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Zieht man jedoch die Gesamtquote der letzten drei Spielzeiten heran, fällt Navas (0,98 Gegentore pro Spiel) im Vergleich zur Konkurrenz doch ein wenig ab. Dass diese vergleichsweise schwache Quote zu großen Teilen auch dem nicht immer königlichen Abwehrverhalten der Madrider Defensive geschuldet ist, wird wohl niemand, der Real Madrid intensiv verfolgt, verneinen. Eine gewisse Tendenz lässt sich daraus jedoch schon ableiten: Nämlich, dass es Navas – und dies steht auch immer wieder im Mittelpunkt der Kritik an seiner Person – besonders im „drögen“ Liga-Alltag an Konstanz mangelt. Bereits vergangene Saison legte der Mittelamerikaner einen vergleichsweise schwachen Saisonstart hin, um gegen Ende der Spielzeit aufzudrehen und insbesondere im Meisterschaftsendspurt eine entscheidende Rolle einzunehmen. Jene mangelnde Konstanz mag auch einer der Hauptgründe sein, warum die Diskussionen um seine Person trotz überwiegend starker Leistungen nicht verstummen wollen.
Braucht Real wirklich einen neuen Torwart?
Mit Blick auf die exzellenten Darbietungen in der Königsklasse und den Spitzenspielen bleibt jedoch die Frage, ob Real wirklich einen neuen Torwart benötigt. Denn in den wichtigen Spielen seine Leistung abzurufen und auf den Punkt da zu sein, ist auch eine Qualität – bei Real Madrid insbesondere. Und auch die Zahlen zeigen: In Top-Form fehlen Navas nur Nuancen zur vermeintlichen Torwart-Elite, in der Königsklasse ist der Costa-Ricaner ohne Frage gar eine treibende Kraft bei den Blancos.

Sollte sich Real Madrid im Sommer tatsächlich mit einem Transfer auf der Position zwischen den Pfosten beschäftigen, kann es für den spanischen Rekordmeister genau genommen nur eine Devise geben: De Gea oder nix. Denn – unter allen realistischen Optionen – würde wohl lediglich der Spanier eine signifikante Steigerung zu Navas darstellen. Weil er insgesamt konstanter auftritt und auch fußballerisch Vorteile auf seiner Seite weiß. Kampflos würde der Costa-Ricaner, das hat er wieder und wieder betont, seinen Platz allerdings nicht hergeben, auch De Gea müsste sich dann einem harten Konkurrenzkampf stellen. Bis zu derartigen Szenarien ist allerdings noch jede Menge Zeit – und einige wichtige Spiele zu absolvieren. Und die nutzt Keylor Navas ja bekanntlich sehr gerne, um Werbung in eigener Sache zu betreiben.
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