Historie

Juanitos Attentat: Als Matthäus um sein Leben fürchtete

Über 34 Jahre sind vergangen, seitdem der FC Bayern die Königlichen aus Madrid zu einer weiteren großen Schlacht im europäischen Landesmeisterwettbewerb bat. Damals, am 8. April 1987 kam es erst zur dritten Austragung des heute nach 26 Begegnungen als europäischen Klassiker bekannten Duells. Doch im damaligen Halbfinal-Hinspiel schlug die „neue“ Rivalität eine negative und maximal unschöne Richtung ein, als sich Juanito zu einer groben Unsportlichkeit gegenüber Lothar Matthäus hatte hinreißen lassen.

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1986/87 sorgte Juanito (Nummer 11) gegen Matthäus für eines der brutalsten Fouls der Fußballgeschichte – Foto: imago images / WEREK

Eines der brutalsten Fouls der Fußballgeschichte

MÜNCHEN. An diesem Abend, im Halbfinalhinspiel, wurde jener Begriff „Schlacht“ vom heißblütigen Juan Gómez González – besser bekannt unter Juanito – zu wörtlich genommen. Die Real-Ikone, zu der Zeit mit 32 Jahren schon einer der Routiniers, wählte keinen geringeren als den damals 26 Jahre alten Lothar Matthäus als sein Opfer aus, um seinen Frust angesichts des frühen 0:3-Rückstands abzuladen. Die Aktion ging als eines der härtesten Fouls aller Zeiten in die Geschichtsbücher ein.

„Was ich sagen kann ist, dass ich mich verfluche“

Die Bayern dominierten die Begegnung im Olympiastadion und lagen ab der 32. Minute mit drei Toren vorne, als sich die dunkle Seite der Vereinsikone von Real Madrid entpuppte. Einem Foulspiel von Matthäus gegen Chendo folgte in Minute 39 eine Rudelbildung, in welcher der Deutsche zu Boden ging. Juanito sprang zunächst auf den Rücken des am Boden liegenden Bayern-Kapitäns, ehe er ihm mit dem Stollen voran einen Tritt in dessen Wangenregion versetzte. Zudem stieg auch Manuel Sanchís (im Video mit Rückennummer 5) im Rücken des Unparteiischen auf die Beine von Matthäus. Das Szenario glich einer Jagdszene in deren Mittelpunkt sich der deutsche Rekordnationalspieler befand.

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Juanito sah für seine Aktion die rote Karte, wurde zudem für fünf weitere Jahre von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen – eine Strafe, die er sich angesichts der Videoaufnahmen redlich verdient hatte. Leider nicht das einzige Vergehen in seiner Strafakte, worin auch Spuckattacken (gegen Uli Stielicke 1986) und Tätlichkeiten gegenüber dem Schiedsrichter (gegen Adolf Prokop 1978) dokumentiert sind. Das Temperament, welches er augenscheinlich nie in den Griff bekam, bereitete dem Spanier selbst große Sorgen: „Das einzige, was ich sagen kann ist, dass ich mich verfluche, dass ich dieses irrationale Verhalten verfluche, welches ich in den letzten Jahren zu zähmen und unter Kontrolle zu bringen versucht habe. Doch heute ist es wieder zum Vorschein gekommen – es tut mir leid“, entschuldigte sich Juanito im Anschluss der Partie bei seinem Opfer.

Die Person mit den zwei Persönlichkeiten

„Ich habe eine Dummheit begangen, die ich mehr als bereue. Ich entschuldige mich bei dem Spieler, dem ich das angetan habe“, zeigte sich der 1992 bei einem Autounfall tragisch verstorbene Juanito nach dem Spiel voller Reue. „Ich war in meiner Karriere als Fußballer schon immer eine Person mit zwei Ichs. Und heute hat sich das böse und irrationale Ich gegen das rationale Ich durchgesetzt.“ Es war der traurige Höhepunkt und gleichzeitig letzter Auftritt von Juanito auf der europäischen Bühne. Nach der Saison 1986/87 verließ Juanito die Königlichen in Richtung Málaga und beendete 1991 endgültig seine Karriere. Sein Frust kam nicht ganz von ungefähr, hat Juanito doch noch die „Quinta del Buitre“-Ära miterlebt, der es trotz aller Begabung nie vergönnt war, den großen Europapokal zu gewinnen. Auch nicht 1987.

Denn das Halbfinalhinspiel verloren die Königlichen mit 4:1, auch weil Mino in Minute 72 ebenso Rot sah und Matthäus nach dem Elfmeter zum 2:0 noch den Strafstoß zum 4:1 verwandelte. Ohne den gesperrten Kämpfer Juanito gelang Real Madrid im Rückspiel in Überzahl (Klaus Augenthaler sah in der 30. Minute Rot) nur ein 1:0 und man verabschiedete sich erneut aus dem Wettbewerb. Matthäus hingegen kam glimpflich davon, wie es Teamkollege und Augenzeuge Andreas Brehme später berichtete: „Dass sich Lothar nicht den Kiefer brach, war ein Wunder. Lothar erzählte nachher, er habe geglaubt, Juanito habe ihn umbringen wollen.“ Später konnte Matthäus auch Entwarnung geben: „Außer ein paar Streifen an Hals und Kopf ist nichts gewesen, dennoch werde ich das nie vergessen. Das sind Extreme, zu denen es nicht kommen sollte und die nicht auf den Platz gehören.“

Versöhnung folgte prompt

Immerhin: Nach dem Spiel kam es zu einer Versöhnung zwischen Matthäus und Juanito, bei der sich beide die Hand geben und der Spanier dem Deutschen als Zeichen der Reue eine Capote schenkte, ein Stierkämpfertuch. Nötig oder gar zu spät war das nicht: „Er bat mich fast direkt (nach dem Foul; d. Red.) um Vergebung, und ich vergab ihm. Er zeigte mir, dass er ein Ehrenmann und gute Person war“, verriet Matthäus 2012 in einem Interview mit der AS.

Juanito Real Madrid Estadio Santiago Bernabéu
Trotz oder gerade wegen seines Temperaments: Die Fans von Real Madrid verehren Juanito – Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

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