
Das Halbfinal-Hinspiel zwischen dem FC Bayern und Real Madrid verlief aus taktischer Sicht einigermaßen ausgeglichen; in der Hinsicht, dass beide Mannschaften sehr viele Ähnlichkeiten besaßen. In der strategischen Herangehensweise als auch vielen taktischen Details waren sich die Mannschaften von Jupp Heynckes und Zinédine Zidane beinahe gleich.
Zwei 4-3-3-Varianten
Zidane entschied sich zunächst zu einer sehr defensiven Herangehensweise. Mit Bale, Benzema und Asensio warteten drei der torgefährlichsten Spieler auf der Bank. Stattdessen sollte Lucas Vázquez den rechten Flügel schließen und Isco ging nach links. Statt der üblichen Rautenformation ohne Flügelstürmer bot sich in der Defensive ein 4-1-4-1. So sollten Bayerns Flügelangriffe über „Robbery“ besser kontrolliert werden.
Durch diese Änderungen spielten beide Mannschaften eine 4-3-3-Variante. Beide interpretierten die Formation auch so, dass bei eigenem Ballbesitz viele Spieler zurückfielen und sich dabei sehr nach außen orientierten, um erst einmal den Ballbesitz zu sichern. Gegen den Ball rückten vor allem die Achter weit auf. Dabei wechselten beide Teams zwischen hohem Angriffspressing, Mittelfeldpressing und fielen später in die tiefe Verteidigung zurück.

Bayern kommt öfter zwischen die Linien
Feine Unterschiede zeigten sich jedoch schon in der Ausrichtung dieses taktischen Fundaments: Vor allem waren die Bayern etwas offensiver ausgerichtet. Das zeigte sich zunächst bereits in der Spielerwahl. Wo Zidane auf torgefährliche Spieler verzichtete und einen defensiv orientierten Flügelstürmer (Vázquez) und einen sehr ballorientierten Spieler (Isco) aufbot, wählte Heynckes eine offensive Flügelzange und besetzte zunächst sogar beide Achterpositionen mit sehr tororientierten Spielern in Person von Müller und James, statt Thiago.

Dementsprechend fokussierte sich Bayern auch nicht nur auf das Halten des Ballbesitzes und fiel nicht so extrem aus den Zwischenräumen zurück wie Real. Wenn sie zurückfielen, dann rückten sie schneller wieder in höhere Positionen auf. Mit Müller suchte zudem permanent ein Spieler nach den Lücken in Madrids Block. Dadurch konnte Real häufiger lange Bälle provozieren, doch musste Bayern auch vermehrt in gefährlichen Räumen verteidigen.
Real ist unkompakter und geht auf Strafraumverteidigung
Nicht nur dieser Faktor sorgte dafür, dass die Bayern häufiger ins Angriffsdrittel und zu Abschlüssen kamen als Real. Auch verteidigten die Königlichen im Mittelfeld unkompakter als die Bayern. Beide Mannschaften arbeiteten mit vielen Herausrückbewegungen, bei Real war jedoch das Nachschieben der restlichen Abwehrspieler weniger ausgeprägt. Das zeigte sich beispielsweise beim 1:0, bei dem Varane zu spät kam, nachdem Marcelo und Ramos nacheinander rausrückten und überspielt wurden.

Den Blancos ist auch anzukreidenn, dass die grundsätzlichen Abstände größer rüber kamen. Die Abwehr fiel etwas eher zurück und vergrößerte dadurch den Raum um Casemiro herum. Wenn Bayern in diese Räume eindrang, fielen alle Spieler noch tiefer und zogen sich in die Strafraumverteidigung zurück. So wurde Real häufiger nach hinten gedrückt als Bayern, kam in diesen Situationen aber einigermaßen klar. Das Hauptproblem stellten die Standardsituationen dar, welche oft aus diesen Szenen resultierten und zu einigen guten Bayern-Chancen führten.
Konterfokus im 4-4-1-1 mit Benzema als Umschaltstürmer
In der Halbzeitpause kam Asensio für den angeschlagenen Isco, sodass Real etwas offensiver bei eigenem Ballbesitz agierte. Asensio fiel auf Iscos linker Seite wie üblich weniger zurück und suchte stärker nach gefährlichen Räumen weiter vorne. Dank Rafinhas Fehlpass zahlte sich der Wechsel früh aus: 1:2 in Minute 56!
Anschließend änderte Zidane das System vom 4-1-4-1 zum 4-4-1-1 mit Modrić als rechtem Flügel und Benzema davor. Real verteidigte nun noch viel häufiger am eigenen Strafraum, wobei die Mittelfeldlinie sehr kompakt stand und Casemiro auch mal in der Abwehr Löcher stopfte. Dadurch kamen die Bayern in der letzten halben Stunde auf rund 75 Prozent des Ballbesitzes, der zuvor noch recht ausgeglichen war (insgesamt: 60:40 Prozent).

Benzema bewegte sich vor der kompakten Viererlinie im Mittelfeld. Zuweilen konnte er von dort Druck auf Bayerns Spielaufbau ausüben. Primär war er in dieser Position jedoch die erste Station im Konterspiel. Er sollte dort die ersten Bälle erhalten und Bayern in die Mitte ziehen, während Ronaldo versuchte, entstehende Räume auf außen auszunutzen.
Dieser Kniff führte nicht zu vielen Gegenstößen, da Bayerns Gegenpressing gut funktionierte und Benzema stets sofort unter Druck gesetzt wurde. Allerdings hinderte es Bayern daran, mehr Spieler nach vorne zu bringen. So konnten die Münchner nicht allzu viele Chancen aus ihrem vermehrten Ballbesitz herausspielen.
Real wartete den Bayern-Fehler ab, verteidigte danach gut
Letztlich war es ein interessantes, taktisch vielseitiges Spiel, welches von Bayern über die meisten Strecken leicht dominiert wurde, doch aufgrund eines groben Fehlers trotzdem verloren. Real wartete mit Erfolg auf diesen schwachen Moment des starken Gegners und verteidigte dann gut am eigenen Strafraum.
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