
Der Plan, der ambitionierter kaum hätte sein können, entstand mit den Präsidentschaftswahlen. Sowohl in Barcelona als auch in Madrid. Und einem gewieften Bauunternehmer namens Florentino Pérez, der unbedingt Präsident bei Real Madrid werden wollte.
Im Jahr 2000 schien dieses Vorhaben allerdings gar nicht so einfach zu sein. Denn nach 32-jähriger Durststrecke war unter dem mittlerweile verstorbenen Präsident Lorenzo Sanz 1998 und eben 2000 zwei Mal in drei Jahren die Champions League gewonnen worden – Sanz hatte somit eine Menge Kredit bei den Fans und machte sich keine Sorgen, nicht wiedergewählt zu werden.
„Nobody“ Pérez, ein damals 53 Jahre alter Ex-Politiker, der schon bei den Wahlen 1994 am damaligen Ramón Mendoza scheiterte, musste sich in der Tat etwas einfallen lassen, wenn er gegen den drei Jahre älteren Sanz ankommen wollte. Und wie er sich etwas einfallen ließ!
„Wenn ich Präsident werde, wird Figo Spieler von Real“
Luís Figo war der große Star des FC Barcelona. Auch wenn Teamkollege Rivaldo von der FIFA 1999 zum Weltfußballer ausgezeichnet worden war, genoss Figo im Trainerstab und besonders bei den Fans ein höheres Ansehen. Der Talisman der Katalanen – schien er sich doch so mit ihrem Klub zu identifizieren.
Aber einen Kredit, wie ihn Madrids Präsident Sanz hatte, verspürte der Flügelmagier trotz der Meisterschaften 1998 und 1999 beim FCB nicht. Ein weiterer, entscheidender Schlag in diese Kerbe: Der neue Vertrag des Portugiesen, auf den dieser pochte, für den die Vereinsführung der Blaugrana allerdings keine Zeit hatte. Figo sollte sich gefälligst bis nach den Präsidentschaftswahlen gedulden, was diesem eher weniger gefiel. So hörten sich sein Beraterstab und er an, was Schlitzohr Pérez während dessen eigenen Wahlkämpfen im Schilde führte.
Florentino wollte den Madridistas tatsächlich den besten Spieler des verhassten Rivalen schenken – sein großes Wahlversprechen. Pérez bot Figo alleine circa zwei Millionen Euro an, wenn er unterschreibt, dass er im Fall von Pérez’ Wahlsieg zu den Blancos wechseln würde. Für den Fall, dass “Floren” nicht gewählt worden wäre, hätte der Superstar das Geld einfach behalten können.
Eine idiotensichere Sache, dachte sich die Figo’sche Delegation um Berater José Veiga und nahm dankend an – derart geringe Chancen wurden Pérez von allen Seiten eingeräumt. Aufruhr herrschte, als der Präsidentschaftsanwärter den Deal am 11. Juli 2000 publik machte – logisch, in Madrid sollte man ja wissen, was der Herausforderer da Großes versprach. Der panische Figo leugnete die Sache während der Europameisterschaft zunächst, wies auf seinen Vertrag in Barcelona hin und versprach, zu bleiben. Und wartete darauf, dass in Madrid der Favorit – Lorenzo Sanz – wiedergewählt werden würde.
Das Unerwartete passierte: Pérez gewinnt die Wahl
Sanz versuchte zwar noch, Pérez’ Machenschaften als illegal abzustempeln („Was Herr Pérez macht, ist Menschenhandel. Ein Vorvertrag ist illegal“), doch es nützte nichts mehr. Denn die damals circa 80.000 „Socios“ (Mitglieder, heute über 101.000) hatten derart Gefallen daran gefunden, den Liebling des Rivalen in den eigenen Reihen zu wissen, dass sie Pérez einfach glaubten. Und ihn am 16. Juli 2000 mehrheitlich zu ihrem neuen Anführer wählten.
Und da war noch ein anderer Anreiz, dem der unterlegene Sanz wenig entgegenzusetzen hatte: Hätte Figo sich trotz der Vereinbarung mit Pérez geweigert, hätte er sich mit einer Strafe von 30 Millionen aus dem Vertrag „freikaufen“ müssen. Und dieses Geld wäre dafür eingesetzt worden, dass Reals Dauerkarteninhaber die Saison 2000/01 gratis zu sehen bekommen, da im Jahr zuvor laut El País 3.655.965.000 Peseten durch Dauerkarten in Madrids Kassen gespült worden waren. Übrigens: Auch Pérez hätte diese Strafe zahlen müssen, sofern er noch einen Rückzieher gemacht hätte.

Figo hatte kaum eine andere Wahl, Barça noch weniger
Den dabei gänzlich machtlosen Katalanen um ihren langjährigen Präsidenten Josep Lluís Núñez, welcher im selben Jahr kampflos gegen Joan Gaspart aufgab, blieben immerhin die gut 60 Millionen Euro Transfergeld. Gaspart hatte zwar vorab versprochen, Figo zu halten und mit ihm verlängern zu wollen, aber Ausstiegsklausel ist Ausstiegsklausel. Unklar bleibt hingegen, ob der zockende Figo je echte Wechselabsichten nach Madrid gehegt hatte, auch wenn er hinterher behauptete, dass es wegen der besseren sportlichen Perspektive tatsächlich so gewesen sei.
Dem ließ der Rechtsaußen immerhin Taten folgen. Nach nur einem halben Jahr an der Concha Espina präsentierte er dem Bernabéu den Ballon d’Or von FRANCE FOOTBALL, ein Jahr darauf den Weltfußballer-Titel der FIFA und führte Real zur Meisterschaft 2000/01 – der ersten seit 1997. Zwölf weitere Monate später war in der Königsklasse „La Novena“ fällig, der neunte große Europapokal. Die um Figo aufgebauten „Galácticos“- Figo quasi „the first Avenger“ – auf dem Zenit ihres Schaffens!
Der „Verräter“ und der Schweinskopf
Jahre, die für den Feind aus Katalonien die Hölle darstellten, genauso wie Auswärtsspiele im Camp Nou für die königliche Nummer 10. Bei seiner ersten Rückkehr am 21. Oktober 2000 forderte der Portugiese unter Dauerpfiffen jeden Ball, was ihm seine ehemaligen Mitspieler, die ihn nach dem Abpfiff – Barça gewann mit 2:0 – allsamt umarmten, bewundernd anrechneten. Der tiefe Hass eruierte nur von den Rängen, sodass die Polizei schon für damalige Verhältnisse ein enormes Sicherheitspaket auffuhr.
Normalerweise führte Figo die Ecken aus, an diesem Abend nicht – und trotzdem standen sechs Polizisten mit Schildern um die Eckfahnen herum. Figo selbst meinte, dass Fans generell eigentlich keine Meinung hätten und nur an das glauben würden, was ihnen die Medien an Geschichten erzählen. Zwei Jahre später, am 23. November 2002, prangerten die Tageszeitungen aus Barcelona Figo in ihren Schlagzeilen immer noch als „Verräter“ an und es kam zum berühmt-berüchtigten Schweinskopf-Wurf.
Denn 2002 führte Figo die königlichen Ecken im Camp Nou wieder aus, und unter einem Regen aus Münzen und Flaschen fand sich in der 72. Minute auch der abgeschnittene Kopf eines Ferkels wieder. Die Situation schien zu eskalieren, sodass Schiedsrichter Luis Medina die Partie für zwölf Minuten unterbrach – einsichtig zeigte man sich in Barcelona nicht. „Er provozierte die Fans“, waren sich Trainer Louis van Gaal, Gaspart und Co. einig. Sicherlich noch immer aufgebracht von Florentino Pérez’ großem Plan.
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