
MADRID. Betrachtet man den spanischen Fußball in seiner Gesamtheit, zeichnet sich eigentlich ein überaus positives Bild ab: Die Spanier sind ein über alle Maßen fußballverrücktes Volk, besitzen eine Vorliebe für das schöne, gepflegte Spiel und gehören seit jeher (zumindest auf Vereinsebene) zu den erfolgreichsten Fußballnationen der Welt. Blickt man jedoch auf das Geschehen neben dem Platz, also insbesondere auf die Strukturen hinter den Vereinen, wendet sich jenes Bild um 180 Grad: Aus wirtschaftlicher Sicht genießen die spanischen Klubs nicht gerade den besten Ruf in Europa, hinter vorgehaltener Hand ist die spanische Primera División bis heute als „Schuldenliga“ verschrien. Der Großteil der iberischen Klubs sei wirtschaftlich katastrophal aufgestellt und sitzen auf einem fast nicht mehr definierbaren Berg aus Schulden, ist immer wieder zu hören und zu lesen. Doch entspricht dieses Image eigentlich noch der Wahrheit? Und wie kam es überhaupt dazu?
Die wilden 80’er und der erste Rettungsplan
Der Ursprung allen Übels führt dabei zurück in die frühen 1980’er-Jahre und ist eine Geschichte, die geradezu vor Vorurteilen so strotzt. Tatsächlich aber hatte die wirtschaftlich katastrophale Situation des spanischen Fußballs zu Beginn der 80’er einen einfachen Grund: Die spanischen Vereinsverantwortlichen gaben jede Menge Geld für Spieler und Gehälter aus, ohne sich um Maßnahmen für die Refinanzierung zu bemühen. Stattdessen wurden munter Kredite aufgenommen respektive Schulden angehäuft – und das ganze ohne großartige Interventionen von Seiten des Staates.
1985 sah sich die Regierung aufgrund der fehlenden Solvenz vieler Vereine – zwischenzeitlich kam es sogar zu einem Streik der Spielergewerkschaft, da viele Spieler monatelang auf ihre Gehälter warten mussten – dann allerdings doch zum Handeln gezwungen: Der Schuldenberg der ersten drei spanischen Ligen, bestehend aus Steuerschulden und Sozialversicherungsbeiträgen, war zu diesem Zeitpunkt auf 20.727 Millionen Peseten (entspricht umgerechnet zirka 124,4 Millionen Euro) angewachsen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurde deshalb bereits zuvor eigens ein Komitee berufen. Jenes „Comité de Fútbol Profesional“ sollte die finanziellen Interessen der Vereine gegenüber dem spanischen Verband RFEF verteidigen und in Kooperation mit der Regierung einen Plan zum Schuldenabbau erarbeiten. Konsequenz diverser Verhandlungen waren schließlich die Gründung des spanischen Ligaverbandes „Liga de Fútbol Profesional“ (LFP) 1984 sowie die Ausarbeitung eines Rettungsplans, dem ersten „plan de saneamiento“.
Im Zuge dessen einigten sich die LFP und der „Consejo Superior de Deportes“ (CSD), der oberste Sportrat Spaniens, 1985 auf einen Vertrag. In diesem garantierte die LFP, die Schulden abzutragen, indem sie 2,5 Prozent der durch die „quiniela“, dem staatlichen Wettpool für die spanische Liga, erwirtschafteten Einnahmen hierfür aufwenden würde. Aufgrund der Konkurrenzsituation der Wettanbieter mit anderen nationalen Lotterien und den daraus resultierend zu niedrigen Einnahmen wurde das Ziel der Entschuldung allerdings deutlich verfehlt.
Der zweite Rettungsplan
Konsequenz dieser wirtschaftlich weiterhin fatalen Entwicklung war 1990 schließlich die Installierung des sogenannten „Ley del Deporte“, dem Sportgesetz in Spanien, sowie die obligatorische Einführung der Rechtsform der „Sociedad Anónima Deportiva“ (SAD), der Sportaktiengesellschaft. Ziel dieses Vorgehens war, den Schuldenabbau der Vereine voranzutreiben und den Klubs seriöses Wirtschaften näher zu bringen, da sie nun ähnliche Auflagen wie gewöhnliche Aktiengesellschaften zu erfüllen hatten. Denn: Bis dahin waren alle Klubs noch mitgliedergeführt! Denjenigen Vereinen, die im Zeitraum von 1986 bis 1990 ein positives Nettovermögen aufweisen konnten, war es jedoch gestattet, die Rechtsform des „Club Deportivo Básico“ (CDB) beizubehalten, da dies im Sinne der siebten Zusatzverordnung des Ley del Deporte eine gute wirtschaftliche Unternehmensführung implizierte. Mit dem FC Barcelona, Real Madrid, Athletic Bilbao und CA Osasuna machten vier Vereine von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch und sind noch heute als CDB organisiert.
Übersicht der Rechtsformen der 20 Erstligisten 2018/19
Verein | Rechtsform | Verein | Rechtsform |
Atlético Madrid | SAD | Real Betis Sevilla | SAD |
Athletic Bilbao | CDB | Real Madrid | CDB |
CD Leganés | SAD | Real Sociedad | SAD |
Celta Vigo | SAD | Real Valladolid | SAD |
Deportivo Alavés | SAD | SD Éibar | SAD |
FC Barcelona | CDB | SD Huesca | SAD |
Getafe CF | SAD | Sevilla CF | SAD |
Girona CF | SAD | UD Levante | SAD |
Rayo Vallecano | SAD | Valencia CF | SAD |
RCD Espanyol | SAD | Villareal CF | SAD |
Mit der Etablierung des „Ley del Deporte“ wurde gleichzeitig ein neuer Rettungsplan verfolgt – der „segundo plan de saneamiento“. Dieser sah unter anderem vor, dass die Schulden der Klubs gegenüber staatlichen Einrichtungen (Steuerschulden und Sozialversicherungsbeiträge) erlassen beziehungsweise auf die LFP überschrieben wurden und der Anteil der Zuwendungen aus den Einnahmen durch die „quiniela“ an die Klubs auf 7,5 Prozent erhöht wurde. Unter anderem dank dieser Maßnahmen gelang den Klubs der lang ersehnte Schuldenschnitt und die kumulierten Schulden von damals 192 Millionen Euro konnten abgetragen werden.
Rekordschulden und Restrukturierung
Eine nachhaltige Besserung der chaotischen finanziellen Situation trat in der Folge jedoch abermals nicht ein, weil der LFP die Befugnisse fehlten, um schlecht wirtschaftende Klubs entsprechend zu belangen. Die Vereine investierten munter weiter und häuften bis 2011 Steuerschulden in Rekordhöhe von 752 Millionen Euro an, wovon 674 Millionen Euro auf die Klubs der beiden obersten Profiligen – Primera und Segunda División – zurückzuführen waren.
Erst 2012 gelang es der LFP unter Führung von Präsident Javier Tebas der Situation Herr zu werden. Seit sechs Jahren müssen alle Vereine zur Partizipation am Profispielbetrieb nämlich die Anforderungen des „Reglamento General de la Liga Nacional de Fútbol Profesional“ erfüllen. Dieses ist an die Regelungen zur UEFA-Lizenzierung sowie zum Klub-Monitoring des finanziellen Fairplay-Konzepts angelehnt und entspricht faktisch einem Lizenzierungsverfahren. Klubs, welche an UEFA-Wettbewerben teilnehmen wollen, müssen die Anforderungen der UEFA-Lizenz zudem vollständig erfüllen.
Seit 2012: Schulden von 674 auf 150 Millionen runter
Obwohl das Financial Fairplay aufgrund diverser Sonderfälle wie Paris Saint-Germain oder Manchester City im europäischen Profifußball eher kritisch betrachtet wird, bewegen sich die spanischen Vereine seit der Überarbeitung des Ligen-Reglements finanziell endlich wieder in gesunden Bahnen. Seit jener Reform kann Jahr für Jahr von einem sinkenden Schuldenberg berichtet werden. Wie dem aktuellen „informe económico“ der LFP zu entnehmen ist, konnte der Stand der Schulden gegenüber den Steuerbehörden auf mittlerweile 150 Millionen Euro gesenkt werden und soll bis zum Ende der Spielzeit 2019/20 nahezu vollständig abgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt wird von einem Restbestand von dann knapp 54 Millionen Euro ausgegangen.
+++ Zum vollständigen INFORME ECONÓMICO 2017 der LFP +++
Einnahmen: LaLiga kämpft um Platz zwei
Auch wenn der beschwerliche Weg der Entschuldung für Spaniens Vereine noch lange nicht zu Ende ist, lässt sich dennoch festhalten, dass auf wirtschaftlicher Ebene auf der iberischen Halbinsel aktuell Vieles in den richtigen Bahnen verläuft. Ein Großteil der spanischen Erstligisten erfreut sich mittlerweile der Nettoschuldenfreiheit – Real Madrid seit 2016 –, auch das Thema der ausufernden Gehaltskosten und damit einhergehenden Problemen mit den Sozialversicherungsbeiträgen hat man durch die jährlich neu berechneten Gehaltsobergrenzen für die einzelnen Klubs in den Griff bekommen. Dass die Kontrollmechanismen greifen und auch konsequent umgesetzt werden, beweist das Beispiel des Zwangsabstiegs des FC Elche aus der Saison 2013/14: Dieser konnte eine Frist zur Begleichung von bestehenden Steuerschulden nicht einhalten und musste deshalb trotz sportlicher Qualifikation durch Rang 13 in der Liga den bitteren Gang in die Segunda División antreten.
Insgesamt erfreut sich die Primera División seit einigen Jahren einer stets wachsenden Finanzkraft und befindet sich im Kampf um Platz zwei hinter der über allen thronenden Premier League im Umsatzranking der Top-5-Ligen mittlerweile auf Augenhöhe mit der Bundesliga. Wie der aktuellen Ausgabe des alljährlich erscheinenden „Annual Review of Football Finance“ der Wirtschaftsprüfer von DELOITTE zu entnehmen ist, konnte man den deutschen Fußball im transferbereinigten Umsatzranking das erste Mal seit dem Wirtschaftsjahr 1999/2000 wieder auf den zweiten Rang verweisen: Während LaLiga 2016/17 2,854 Milliarden Euro einnahm, kommt die Bundesliga im selben Zeitraum „nur“ auf 2,793 Milliarden Euro.

Ruf als „Schuldenliga“ längst überholt
Ein Ergebnis, das vor allem in der deutlich verbesserten Einnahmensituation durch die Rückkehr zur Zentralvermarktung begründet liegt. Und auch wenn die Bundesliga laut Prognosen in der kommenden Spielzeit wieder vorbeiziehen dürfte, zeigt der Trend weiter nach oben: Im nächsten Geschäftsjahr wird erwartet, dass LaLiga erstmals die Umsatzmarke von drei Milliarden Euro überschreitet. Eine weitere positive Entwicklung, die vor allem eines deutlich zeigt: Die Zeiten, als die Konkurrenz aus dem Ausland mit argwöhnischen Blicken Richtung Spanien blickte und die Misswirtschaft in den Klubs anprangern konnte, sind definitiv vorbei. Spaniens Fußball wächst kontinuierlich, die Schulden werden langsam abgebaut – LaLiga ist auf einem guten Weg, auch abseits des sportlichen Geschehens ein würdiger „Big-Five“-Vertreter zu werden, und der Premier League am stärksten Konkurrenz zu machen.
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