
Aus der Hafenstadt auf die große Fußballbühne
Geboren ist Royston Ricky Drenthe, wie er mit vollem Namen heißt, als Sohn surinamischer Einwanderer im April 1987 in Rotterdam. Der Niederländer hatte sicher keine einfache Kindheit, wurde doch sein Vater im Drogenmilieu der niederländischen Hafenstadt ermordet, als der kleine Royston erst drei Jahre alt war. “Meine Mutter verheimlichte es mir gegenüber für eine lange Zeit, um mich zu schützen. Sie sagte, es sei ein Unfall gewesen”, schilderte der Mann mit der außergewöhnlichen Haarpracht die damaligen Vorkommnisse. Mit Freunden flüchtete er nach draußen, um zu kicken und der schwierige familiäre Background brachte auch Gutes mit sich, denn in seinen Genen schlummerte großes Talent, wie es sein berühmter Onkel, Edgar Davids, zu jener Zeit – den frühen 90ern – begann vorzumachen. Diese Gabe, wie er sie auch mit seinem Cousin Georginio Wijnaldum vom FC Liverpool teilt, brachte Drenthe schließlich aus dem Westen der Hafenstadt in die Jugendakademie von Feyenoord Rotterdam.
Beim Ehrendivisionär schaffte er spätestens zur Saison 2006/07, als er in 26 Ligaspielen zum Einsatz kam, seinen endgültigen Durchbruch im Profifußball. Die erste ganz große Sternstunde folgte im anschließenden Sommer 2007 bei der U21-Europamiesterschaft im eigenen Land, wo er sich mit seiner “Oranje” nicht nur den Titel sicherte, sondern zudem zum besten Spieler des gesamten Turniers gekürt wurde. Eine individuelle Auszeichnung, welche vor ihm schon Größen wie Luís Figo, Andrea Pirlo oder auch Fabio Cannavaro in Empfang genommen hatten. Spätestens nach diesem Erfolg standen dem damals 20-Jährigen alle Türen offen – Drenthe musste sie nur noch passieren.
Traum-Debüt, Eskapaden, Abstieg
Auf der anderen Seite dieser metaphorischen Tür fand sich der Linksfuß bei den Königlichen aus der spanischen Hauptstadt wieder, welche im Sommer 2007 14 Millionen Euro für den wegen seiner Rastalocken exotisch daherkommenden Paradiesvogel berappten. Auch Chelsea, Barcelona oder Manchester United wollten den begehrten Youngster, gingen allerdings leer aus, weil Drenthes Stiefvater schon “immer ein großer Fan war”. Und es begann wie in einem Märchen, der Einstand für den explosiven und laufstarken Außenspieler hätte kaum besser laufen können, knallte doch der Verteidiger bei seinem Debüt im Finale der Supercopa gegen den FC Sevilla (3:5) das Spielgerät aus circa 30 Metern an die Unterkante der Latte, von wo aus der Ball in den Maschen landete. Real und Drenthe, das hätte eine Lovestory werden können, doch die rosarote Fassade begann schnell zu bröckeln.

Der Ruhm und all der Erfolg schienen dem Niederländer recht schnell in den Kopf zu steigen, denn die Fehltritte und Eskapaden – lange Partynächte inklusive Probleme mit Prostituierten – häuften sich zunehmend. Warum es kam, wie es kommen musste, soll Spekulationen überlassen werden. Das krankhafte Streben nach Anerkennung, das schlechte Umfeld mit vermeintlichen Freunden oder der Drang zu einem Leben als “Gangster” – all diese Gründe werden mit dem Lebenswandel von Drenthe in Verbindung gebracht. Fakt jedoch bleibt: 15.000 Euro Strafe erhielt er in jener Zeit alleine wegen Falschparkens oder Geschwindigkeitsüberschreitungen. Bei einer früh-morgentlichen Spritztour mit seinem Ferrari rammte er um halb fünf einen Polizeiwagen und es existiert ein Video von ihm, welches ihn mit Bier am Steuer seines Ferraris zeigt – laut singend durch ein Madrider Nobelviertel rasend.
Auch Streitigkeiten mit Mitspielern hat es gegeben, unter anderem mit Fernando Gago oder auch Javier Saviola: “Bei Gago bevorzuge ich es, nichts zu sagen, wirklich“, antwortet Drenthe, angesprochen auf die Vorfälle. Mit Saviola habe er sich nach einer Trainings-Schubserei ausgesprochen und daraufhin ein gutes Verhältnis gepflegt.
Vom Paradies- zum Wandervogel
All diese Ausschweifungen führten dazu, dass Drenthe in seinen ersten drei Spielzeiten bei den Blancos zwar eine Rolle spielte, es allerdings nie zum Stammmspieler schaffen sollte (insgesamt 65 Pflichtspieleinsätze, vier Tore, fünf Vorlagen). Für die “Elftal” brachte er es auf ein einziges Länderspiel, als er 2010 für die letzten zehn Minuten Rafael van der Vaart ersetzen durfte. Bei der Reise seiner Mannschaft zu Olympia nach Peking verspätete sich der Flieger – der Grund: Royston Drenthe hatte sich im Duty-Free-Shop noch tütenweise mit Parfüm, Kleidung und Schmuck eingedeckt. Bei seiner Ankunft im Flugzeug kam prompt die Retour-Kutsche von Trainer Foppe de Haan vor versammelter Mannschaft: “Deswegen wirst du nie ein Top-Spieler”, soll er seinem Schützling zugetragen haben und damit leider auch Recht behalten.
“Leute haben viel von mir erwartet”, rechtfertigte sich der 1,67 Meter-Mann später dazu, und erklärte weiter: “Es ist nicht einfach mit 20 Jahren damit klarzukommen.” Als dann auch noch der strenge José Mourinho im Sommer 2010 das Traineramt bei den Königlichen übernahm, wurde Drenthe schnell klargemacht, dass es keine Verwendung mehr für den exzentrischen Verteidiger gibt. Einen Groll gegenüber seinen damaligen Arbeitgeber hegt Drenthe hingegen nicht, wie er in einem Interview beteuerte: “Es gibt Top-Stars, die davon träumten, in Madrid zu spielen und es nie geschafft haben. Ich habe es geschafft und es sehr genossen, weil ich dort einen Traum gelebt habe. Ich werde Real Madrid immer im Herzen behalten, bin ein Madrid-Fanat.”
Es folgte eine Leihe zu Hércules Alicante, wo er zum Außenseiter mutierte: Ein bodenständiger Ostküstenklub, dessen größter Erfolg die Meisterschaft in der zweiten Liga darstellte und ein Exzentriker, der mit weißem Ferrari und Brillianten im Ohr vorfuhr – das ging nicht gut. Mit einem Trainingsboykott setzte Drenthe dieser Episode selbst ein Ende. “Wenn sie keine Gehälter bezahlen, dann werde ich nicht zum Training kommen”, sollte er sich für sein Verhalten mit den Zahlungsschwierigkeiten beim Arbeitgeber auf Zeit rechtfertigen. In diesem Kontext überwarf er sich auch endgültig mit José Mourinho, welcher ihn ohnehin nach dessen Aussage als “Badboy” gebrandmarkt hätte und verbaute damit auch den Weg zurück nach Madrid. “Zwischen uns fielen einige sehr ernste Worte”, gab Drenthe vielsagend zu Protokoll.

In der darauffolgenden Spielzeit 2011/12 versuchte sich der Niederländer beim FC Everton in der Premier League, wo er eher durch Einbrüche in das Trainingsgelände mit weiblicher Begleitung als durch sportliche Leistungen auf dem Rasen glänzte. “Ich hatte soviele Diskussionen mit Moyes”, schilderte Drenthe die Differenzen mit seinem dortigen Trainer, obwohl er auf immerhin 27 Pflichtspiele für die “Toffees” kam. Weil nach dieser Leihe der FC Everton kein Interesse an einer Verpflichtung zeigte – Real sowieso nicht mehr – und die Forderungen des Beraters für potentielle Abnehmer horrend erschienen, blieb Drenthe im Anschluss bis auf Weiteres vereinslos. Spätestens jetzt begann eine Odysee für den einstigen Shootingstar.
Mikrofon statt Fußballschuhe
Es muss schon Verzweiflung mitgespielt haben, als Drenthe sieben Monate später beim Abstiegsbedrohten Alanija Wladiskawkas im Nirgendwo Russlands anheuerte. Der Abwärtsstrudel seiner Karriere drehte sich von da an immer schneller. Nirgends konnte der athletische Fußballer Fuß fassen und es folgten Episoden in der zweiten englischen Liga, der Türkei oder auch den Verienigten Arabischen Emiraten. Mit 29 Jahren hatte Drenthe dann genug von der Tingelei durch unbekannte Gefilde, war “müde, enttäuscht und desillusioniert”. Er zog einen Schlussstrich, beendete seine Karriere. “Ich mag den Fußball, aber wenn er mich unglücklich macht, wieso sollte ich dann spielen”, stellte er sich selbst die Frage nach dem “Warum?”. “Ich musste einfach heraustreten, um mich selbst wieder zu finden”, begründete er seine Entscheidung.
“I like to help people. I’m open. I’m a family man. I’m just Royston, you know? I go with the flow.”
Auch nach der aktiven Zeit fand der Paradiesvogel weiterhin einen Weg, Schlagzeilen zu schreiben: Drenthe kehrte nach Rotterdam zurück und startete eine Laufbahn als Rapper. Unter dem Pseudonym “Roya2Faces” veröffentlichte der Lebemann mehr oder weniger erfolgreiche Musik, bis ihn schließlich die Liebe zum Fußball nochmal einholte und sein einstiger Jugendtrainer ihn von einem Comeback überzeugen konnte.
Mit inzwischen 31 Jahren arbeitete er sich nochmal von 96 Kilogramm Kampfgewicht um 22 Kilogramm herunter und startete einen neuen Anlauf beim Zweitligisten Sparta Rotterdam, wo er mit 32 Einsätzen, fünf Treffern und sechs Vorlagen direkt eine wichtige Rolle beim Aufstieg in die Eredivisie einnehmen konnte. Es roch quasi nach einem zweiten Frühling für Royston Drenthe, der die Freude am Fußball in dieser Zeit erneut für sich reklamierte und den Anschein von Vernunft erweckte: “Die Leute sollen wissen, dass ich nicht mehr so bin wie damals, als ich bei Real war”. Der sechsfache Vater freue sich einfach, dass sein einziger Sohn “seinen Vater als Profifußballer spielen sehen kann”. Der Fußball vor 1.500 Zuschauern bereite ihm ebenso viel Freude, wie im ausverkauften Bernabéu zu spielen.

“Dinge erlebt, die viele in 200 Jahren nicht erleben würden”
Nun hätte es auch nicht zwingend das Bernabéu sein müssen, aber zumindest hätte man Drenthe zu dieser Saison wieder in der Eredivisie spielen sehen können. Doch der Exzentriker entschied sich erneut für einen anderen Weg: Während Sparta Rotterdam nach dem gemeinsamen Aufstieg in der niederländischen Eliteliga um Punkte kämpft, schleppt sich Drenthe durch die Gefilde der drittklassigen Tweede Divisie, wo er sich den Kozakken Boys angeschlossen hat. Dort spielt er nun mit einem seiner Cousins, scheint zufrieden zu sein. Die Frage nach dem “was wäre wenn?” stellt sich der 33-Jährige offenbar nicht: “Ich bedauere Nichts. Alles geschieht aus einem Grund”, sagt er und weiß auch: “Ich habe in 30 Jahren Dinge erlebt, die viele in 200 nicht erleben würden.”
Wahrscheinlich war es genau diese Einstellung, welche eine Weltkarriere verhinderte, die dem einst 20-jährigen Drenthe zu Füßen lag. Sein persönliches Heil scheint der Fußballer, welcher zwischenzeitlich auch zum Eigentümer einer Parfümerie, einer Bar sowie eines Fitness-Studios geworden ist, dennoch gefunden zu haben – und das ist vielleicht auch das Wichtigste: “Ich bereue nichts, weil ich damit glücklich bin, wo ich jetzt bin und wo ich war. Ich lebe mein Leben im Moment.”
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