
„Los Galácticos“, mehr als nur herausragende Kicker
MADRID. Die Ära der „Galácticos“ – viele verbinden mit dem Madrider Star-Ensemble Anfang der 2000’er vor allem explodierende Ablösesummen, hohe Fußballkunst und irgendwie auch Reals anschließenden, temporären Niedergang auf europäischer Bühne. Für José Luis San Martín, zu jener Zeit Athletiktrainer der Königlichen, greift das allerdings zu kurz. In einem Gespräch mit der MARCA betonte der Fitness-Experte, dass einige Spieler der Galaktischen nicht nur herausragende Kicker, sondern vor allem auch außergewöhnliche Athleten gewesen seien, die durchaus auch in der Leichtathletik erfolgreich hätten sein können.
Raúl und Beckham, die Ausdauerspezialisten
Raúl González Blanco hätte in den Augen San Martíns beispielsweise ein Weltklasse-Marathonläufer werden können: „Kurz nachdem er seine Karriere beendet hatte, lief er einen Marathon in weniger als dreieinhalb Stunden. Mit speziellem Training hätte er ungefähr eine Zeit von zwei Stunden und 15 Minuten erreichen können. Er hatte eine enorme Ausdauer, nicht zu vergessen seine Opferbereitschaft und Leidensfähigkeit. Er bringt alles mit, was ein Weltklasse-Marathonläufer braucht, unter anderem einen geringen Körperfettanteil. Als er aktiv war, lag der ungefähr bei neun Prozent. Er besaß diese Fähigkeit, sich zu überwinden, zu leiden und niemals aufzugeben. Ohne irgendwelche herausragenden physischen Fähigkeiten zu haben, was seine physische Performance auf dem Platz optimal.“ So lief „el Siete“ während einer Champions-League-Partie einmal sagenhafte 14 Kilometer – der Durchschnitt liegt bei neun bis elf Kilometer pro Begegnung.
Auch David Beckham sei ein Ausdauerspezialist gewesen, hätte in den Augen San Martíns über 800 Meter an der Elite schnuppern können: „Er wäre ein toller 800-Meter-Läufer gewesen, weil er eine enorme relative Kraft besaß. Das ist die Kraft pro Kilo Körpergewicht. Der Weltrekord auf dieser Strecke liegt bei 1:40 Minuten, Beckham hätte locker 1:50 oder 1:52 erreichen können. Er war ein purer Mittelfeldspieler, verfügte über eine enorme Schnelligkeitsausdauer.“ Zehn bis zwölf Kilometer pro Partie seien für den Engländer nie ein Problem gewesen.
„Robertos Beinmuskulatur war aus einer anderen Galaxie“
Roberto Carlos wäre hingegen eher ein Mann für die Kurzdistanz gewesen. So knackte Reals ehemaliger Linksverteidiger auf 100 Meter die Elf-Sekunden-Marke: „Bei Roberto erinnere ich mich daran, dass ich ihn mal nach einem Training provozierte und sagte: ‚Du brauchst auf 100 Meter länger als elf Sekunden.‘ Er schaute mich an und sagte: ‚Profe, das werden wir jetzt ausprobieren.‘ Ich versuchte ihm zu erklären, dass er gerade trainiert hatte und das kein guter Moment wäre, aber es gab kein zurück mehr. ‚Schnapp dir die Uhr und wir machen es‘, war seine Anweisung. Er lief 10,8 Sekunden, eine brutale Zeit.“
In Erinnerung blieb San Martín dabei vor allem die Muskelmasse in den Beinen des Brasilianers – so etwas hätte er zuvor und danach nie wieder erlebt: „Ich habe nie wieder einen Fußballer gesehen, der solch eine Muskelmasse in den Beinen hatte wie Roberto Carlos, die war aus einer anderen Galaxie. Die Muskelmasse sah aus wie bei einem Bodybuilder.“
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„Gibt heute keinen Spieler mit dem Antritt von Ronaldo“
Carlos’ Landsmann Ronaldo war möglicherweise sogar noch etwas schneller und explosiver, konnte die Geschwindigkeit aber nicht ganz so lange aufrecht erhalten. Hinsichtlich Explosivität sei „O Fenômeno“ aber unerreicht: „Ronnie wäre ein wunderbarer Hallensprinter auf 60 Meter gewesen, er hatte einige ähnliche Charakteristiken wie Ben Johnson (ehemaliger Sprinter; d. Red.). Auf 60 Metern konnte er locker zwischen 6,8 und 7,8 Sekunden laufen. Er hatte sehr kräftige, schnelle Muskelfasern, aber ermüdete auch schnell. Er war enorm explosiv. Deshalb machte ich mit ihm viel aerobes Training, um seine Ausdauer zu erhöhen. Durch seine schnelle Erholungsfähigkeit, konnte viele kurze, explosive Antritte machen, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren. Heutzutage gibt es keinen Spieler mit dem Antritt und der Geschwindigkeit, die Ronaldo hatte.“
Bleiben noch Luís Figo und Zinédine Zidane, die San Martín vor allem als unheimliche Arbeitstiere bezeichnet. Als gute Allrounder wäre vor allem Ersterer bei Geländeläufen gut aufgehoben gewesen: „Figo war sehr stark in den Beinen und hatte eine enorme Ausdauer. Mit spezifischem Training wäre er bei Geländeläufen nicht fehl am Platz gewesen. Wie Zidane verfügte er über ein hohes Ausdauerlevel. Es gefiel ihnen, zu arbeiten und sich zu quälen.“
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