Historie

Die Spitznamen von Real Madrid: Mythen von Backwaren und Wikingern

Im spanischen Fußball gehören Spitznamen zu den Klubs, wie die Sonne nach Andalusien. Auch Real Madrid hat im Laufe seiner Geschichte den einen oder anderen Kosenamen verpasst bekommen. REAL TOTAL klärt auf, wo Begriffe wie Blancos oder Merengues herkommen und räumt zugleich mit eigentlich falschen Verwendungen auf.

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Historie und Tradition wurde in Madrid unlängst zum Mythos: REAL TOTAL erklärt die Spitznamen von Real Madrid

Blancos, Merengues und Real

“Los Blancos” oder die “Königlichen” – das sind gängige und schnell erklärbare Umschreibungen der Zidane-Elf, mit deren Erläuterungen von eingefleischten Madrid-Anhängern teilweise lediglich ein müdes Gähnen zu erwarten ist, aber der Vollständigkeit halber: Während “Los Blancos” (übersetzt die Weißen) auf die jeher traditionell weißen Trikots anspielt, wurde der erhabene Namenszusatz “Real” (spanisch für königlich) durch einen Erlass des spanischen Monarchen Alfonso XIII im Jahr 1920 verliehen. Eine Ehre, die auch anderen Klubs zum Teil wurde (mehr dazu), weshalb man auf der iberischen Halbinsel auch nicht an die Mannschaft aus Madrid denkt, wenn man “Real” sagt, sondern an die Basken von Real Sociedad aus San Sebastián. Entsprechend handelt es sich bei der regelmäßigen Verwendung im deutschen Sprachgebrauch eigentlich um einen Irrglauben. “La Real” ist eigentlich Real Sociedad, und Real Madrid eher “el Madrid”.

Auch die Formulierung “die Königlichen” ist in Spanien durchaus unüblich und eher in deutschsprachigen Ländern geläufig – Real Madrid selbst wählt in Mitteilungen meist “Blancos” als Umschreibung der Mannschaft.

Etwas komplizierter wird es beim nächsten Spitznamen, denn eine Verbindung zwischen dem erfolgreichsten Fußballklub der Welt und einem Schaumgebäck ist doch etwas weiter hergeholt. Auf dem ersten Blick gibt jene Assoziation wahrlich wenig Sinn, daher ist die tatsächliche Herkunft des populären Kosenamens “Merengues” für das Starensemble aus der spansichen Hauptstadt nicht unumstritten – dennoch: Die logische Schlussfolgerung, dass der Spitzname von der weißen Farbe des Gebäckstückes aus gezuckertem Ei-Schnee und deren Ähnlichkeit zur weißen Arbeitskleidung der Spieler hervorgeht, scheint plausibel zu sein vor dem Hintergrund, dass in Spanien viele Kosenamen in Anlehnung an Lebensmittel entstehen. Geprägt haben soll den Begriff ein spanischer Journalist Namens Matis Prats Cañete, welcher in seinen Radio-Kommentaren immer wieder jenen Ausdruck bemüht hatte. In Spanien oder auch Süddeutschland wird das Gebäck übrigens auch als Meringue bezeichnet und ist ein Baiser – gesprochen “Besee” – was so viel wie “Kuss” bedeutet und mancherorts auch als “spanischer Wind” umschrieben wird.

„Real Madrid überrollt Europa wie damals die Vikinger“

Als “los Vikingos”, mit leicht martialischer Beinote, werden die Madrilenen zuweilen von ihren Fans dargestellt und der Begriff ist heute für viele Madridistas längst eine Identifikationsform geworden: Mitglieder des Fanklubs „Orgullo Vikingo“ (zu deutsch: Stolzer Wikinger) erscheinen mit Wikingerhelmen im Stadion und Gottheiten der nordischen Mythologie werden regelmäßig in Fan-Choreographien dargestellt. Wie kommt es, dass das “weiße Ballett” – diese Bezeichnung entstand Ende der 50er-Jahre aufgrund des technisch anspruchsvollen und doch leichtfüßigen Fußballs der Blancos – gleichzeitig mit barbarischen Seeräubern verglichen wird? Zwei Theorien klingen plausibel, womöglich haben auch beide Anekdoten ihren Beitrag zum Mythos der Wikinger geleistet.

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Sinnhaft erscheint die Erläuterung, dass sich der Titel „Vikingos“ auf einen Artikel der TIMES aus den 60er Jahren zurückführen lässt, indem die britische Zeitung die Erfolge im Europapokal der schier unbezwingbaren Mannschaft rund um Alfredo di Stéfano mit Raubzügen der Nordmänner verglich: „Real Madrid überrollt Europa so wie damals die Vikinger und zerstört alles, was ihnen in den Weg kommt“, hieß es damals in besagtem Beitrag. Eine andere Theorie hat ihre Wurzeln eine Dekade später, als Real Madrid in den 70er Jahren eine Vielzahl an – wie die Spanier pauschalisierten – „nordeuropäischen“ Fußballern verpflichtet hatten: Neben den deutschen Stars Günter Netzer, Uli Stielike und Paul Breitner ebenso der aus der Bundesliga stammende Däne Henning Jensen. Mit ihren blonden Langhaarfrisuren und Schnauzbärten erinnerten sie allesamt an das Aussehen der skandinavischen Vikinger und sorgten, so glaubt man, für den neuen Spitznamen.

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Während die Lokalrivalen von Atlético Madrid als “Indios” bezeichnet werden, propagiert man im weißen Lager die Begrifflichkeit der “Vikingos”

Die Galaktischen

Unabhängig, wo die Ursprünge der Kosenamen tatsächlich fruchteten, interessant ist der Mythos dahinter allemal. Die Historie von Real Madrid hatte immer wieder Anlass gegeben, fantastisch verrückte Begriffe für das “weiße Ballett” zu finden. Auch die Begrifflichkeit der “Galácticos” kursiert noch immer sehr präsent in den hiesigen Gazetten, wobei er im deutschsprachigen Raum zuweilen missbräuchliche Verwendung findet. Denn: Wird von den Galaktischen gesprochen, handelt es sich streng genommen um die Ära Anfang dieses Jahrtausends, als Transfers wie die von Luis Figo, Zinédine Zidane, Ronaldo oder auch David Beckham das damalige Team zu etwas Übernatürlichem heranwachsen ließ. Pauschal für die Mannschaft von Real Madrid trifft der Begriff der “Galaktischen” allerdings nicht zu und auch im Verein selbst findet er keine Verwendung. Zum Trost bleiben allerdings kurios kreative Alternativen mit teilweise überraschendem Ursprung. Und wer es schlicht und traditionell halten will, nutzt: Blancos und Madrid.

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

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