
Wieder verpassen sich Real und Ronaldo
TURIN. Der Fußballgott will scheinbar nicht, dass sie sich wiedersehen. 2019 hätten sie im Viertelfinale aufeinandertreffen können – aber daraus wurde nichts. 2020 hätten sie im Viertelfinale aufeinandertreffen können – aber daraus wird nichts.
Nachdem es vor einem Jahr wegen des blamablen Ausscheidens im Achtelfinale gegen Ajax Amsterdam noch an Real Madrid gelegen hatte, dass es zu keinem Mega-Duell mit Cristiano Ronaldo und Juventus Turin gekommen war, wurden diesmal gleich beide Mannschaften zu Beginn der K.o.-Phase der UEFA Champions League ausgeschaltet.
Ronaldo schießt 2019 und 2020 alle K.o.-Tore von Juve
Während die Königlichen gegen Manchester City zwei 1:2-Niederlagen hinnehmen mussten, reichte Ronaldo mit seiner „Alten Dame“ am Freitag ein 2:1-Heimerfolg gegen Olympique Lyon nicht, da das Hinspiel Ende Februar auswärts 0:1 verloren worden war. In der zweiten Spielzeit seit seinem viel diskutierten Abgang aus Madrid scheidet der portugiesische Superstar damit noch eher aus seinem geliebten Wettbewerb aus als 2019, als es wenigstens noch für eine Teilnahme an der Runde der letzten Acht gereicht hatte.

Erstaunlich: Ronaldo erzielte in den beiden K.o.-Phasen alle sieben Tore von Juventus! Drei Erfolgserlebnisse gegen Atlético, zwei gegen Ajax und jetzt gegen Lyon erneut zwei. Der mit 450 Treffern in 438 Einsätzen beste Schütze in der Real-Geschichte ist auch mit seinen 35 Jahren noch dazu imstande, Spiele allein zu entscheiden. Bei einem Hin- und Rückspiel-Modus reicht manchmal aber eben selbst das nicht, um zu triumphieren. „Wenn man von Ronaldo absieht: Was bleibt von Juve übrig? Eine langsame und ungenaue Mannschaft, die nie wirklich gefährlich wird“, konstatiert die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA nach dem Schlamassel gegen einen Kontrahenten, der wegen der Coronavirus-Pandemie zwischen der ersten März-Hälfte und Ende Juli kein Pflichtspiel absolviert hatte.
Ronaldo ging, um auch in Italien den Henkelpokal zu holen
Der ambitionierte Goalgetter hatte Spanien Mitte 2018 nach neun Spielzeiten vor allem verlassen, um allen zu beweisen, dass er nach Manchester United (2008) und Real (2014, 2016, 2017, 2018) auch einen italienischen Verein zu dem ganz großen Wurf im internationalen Geschäft führen kann. Persönlich würde CR7 mit dem Gewinn seines sechsten Europapokals zudem mit Rekordhalter Francisco Gento (1956, 1957, 1958, 1959, 1960, 1966) gleichziehen. Das Ausscheiden schmälert seine Chancen, dieses Jahr den Weltfußballer-Titel der FIFA einzuheimsen, nun empfindlich.
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Obendrein muss er nun befürchten, dass Lionel Messi ihm im Ranking der erfolgreichsten Königsklassen-Torschützen aller Zeiten etwas näher kommt. Ronaldo steht bei 128 Treffern, der Kapitän des FC Barcelona, dessen Achtelfinal-Rückspiel gegen Serie-A-Klub SSC Neapel am Samstagabend stattfindet (Hinspiel 1:1), kommt auf 114.
Nach Juve-Aus: Gerüchte um CR7-Flucht
Irgendwie kein Wunder, dass wegen all dieser zumindest vorerst verpassten Gelegenheiten wieder mal Gerüchte um einen Abgang des Aushängeschilds der Turiner aufkommen. Bereits vor dem K.o. hatte das französische Magazin FRANCE FOOTBALL berichtet, Ronaldo habe sich im Januar ernsthaft mit einer Unterschrift bei Paris Saint-Germain beschäftigt, da seine Meinung des als Juve-Trainer ganz frisch entlassenen Maurizio Sarri nicht die beste sei. Es heißt, er zweifle mittlerweile daran, mit den „Bianconeri“ den Henkelpokal, den sie in ihrer Geschichte nur zweimal abräumten (1985, 1996), gewinnen zu können.
Juve-Präsident Andrea Agnelli machte unmittelbar nach dem überraschenden Scheitern auf europäischem Parkett jedoch deutlich, dass es auch ein drittes gemeinsames Jahr mit dem 117-Millionen-Euro-Einkauf gibt. „Ronaldo wird weiter bei uns bleiben. Ich bin sicher, dass er auch in der nächsten Saison noch für uns antreten wird. Er ist eine tragende Säule unserer Mannschaft, daran wird sich auch nichts ändern“, so der 44-Jährige bei SKY ITALIA.
Ronaldo fehlen die Real-Stars
Es sei „das beste Team, in dem ich gespielt habe“, hatte Ronaldo im Dezember 2018 noch von seinem neuen beruflichen Umfeld geschwärmt. Eine gewagte Aussage, die einerseits in Madrid angesichts der riesigen gemeinsamen Erfolge nicht gerade gut ankam und sich bis dato auch nicht wirklich bewahrheitet hat. Der Stürmer mag mit der „Alten Dame“ national in der kurzen Zeit zwar erfolgreicher sein als in Madrid (mit Real im Schnitt alle anderthalb Jahre ein Titel, insgesamt sechs; mit Juve alle 7,2 Monate, insgesamt drei), aber dort hatte sie zuvor auch ohne ihn schon ihre Pokale gewonnen. Zumindest bislang hält sich der Sinn und Nutzen des Turin-Transfers dementsprechend stark in Grenzen.
Man könnte die Behauptung aufstellen: Real fehlen Ronaldos Tore in der Champions League, um es wieder über das Achtelfinale hinaus zu schaffen – insbesondere Ronaldo aber die Real-Profis, um nicht jäh die Segel zu streichen. Mit ihnen war er bis auf eine anfängliche Ausnahme immer mindestens in das Halbfinale und viermal in das Endspiel eingezogen. Das weiße Ballett hätte eine Zukunft ohne die alternde Lebensversicherung früher oder später sowieso angehen müssen und konnte mit einem Verkauf so noch eine dreistellige Millionen-Ablöse einnehmen. In der Primera División hat es auch ohne die legendäre Nummer 7 erstmals seit 2017 zum Gewinn des Titels gereicht.
Daher leidet der Torgarant wohl noch mehr unter der Trennung. Die Rechnung scheint relativ simpel auszufallen: Ronaldo – Real = keine Champions-League-Titel, keine spektakulären individuellen Auszeichnungen à la Ballon d’Or. Ob das auch so bleibt?
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