Reportage

Der nächste Zidane? Raúl setzt als Trainer ein erstes Ausrufezeichen

Der erste Triumph Real Madrids in der UEFA Youth League bedeutet gleichzeitig den ersten Titel in der noch jungen Trainer-Karriere von Raúl González Blanco. Die Legende der Königlichen ist seit Tagen in aller Munde, erst recht nach dem Coup mit der U19. Wird er der nächste Zinédine Zidane?

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Raúl
Raúl führte die U19 zum Triumph in der Youth League – Foto: imago images / Sportimage

Vorübergehender “Abstieg” zur U19 ein voller Erfolg

MADRID. Diesmal hat er nicht hingeworfen. Anders als Ende Mai 2018 nach dem Gewinn des Champions-League-Titels macht Zinédine Zidane jetzt, wo Real Madrid erstmals seit 2017 wieder Meister geworden ist, als Trainer des Starensembles weiter. Aber was, wenn sich die Geschichte wiederholt hätte? Vielleicht wären die Königlichen ja auf die Idee gekommen, die Zukunft mit einer anderen Legende anzugehen: Raúl González Blanco.

Der einstige Torjäger und Kapitän von Real schaffte es in seiner ersten Saison als Verantwortlicher der zweiten Mannschaft zwar ebenso wenig wie etliche seiner Vorgänger, von der dritten in die zweite Liga aufzusteigen. Raúl holte 40 Punkte aus 28 Spielen, was nur zu Platz sieben reichte. Dafür gelang es ihm nun jedoch als Interimstrainer der U19, ein erstes Ausrufezeichen in seiner noch jungen Laufbahn an der Seitenlinie zu setzen. Mit der Juvenil A, die er erst Mitte Juli nach dem Abgang von Dani Poyatos zu Panathinaikos Athen vorübergehend übernommen hatte, gewann er am Dienstag die UEFA Youth League. Erstmals überhaupt triumphierte Real in der 2013 eingeführten Junioren-Königsklasse.

Einer vierwöchigen Vorbereitung folgten vier Siege in der Endrunde: 3:1 im Achtelfinale gegen Juventus Turin, 3:0 im Viertelfinale gegen Inter Mailand, 2:1 im Halbfinale gegen RB Salzburg und schließlich ein 3:2 in einem wilden und hitzigen Finale gegen SL Benfica. Raúl ist damit nach Mário Silva vom FC Porto der Zweite, der erst als aktiver Profi Champions-League-Sieger wurde und schließlich als Trainer die Youth League einheimste.  

Unter Raúls Führung wusste die U19 in den letzten zehn Tagen mit attraktivem und offensiv geprägten Fußball durchaus zu überzeugen. Sowohl in der Spielanlage als auch in Sachen Einstellung und Mentalität war die Handschrift des Trainer-Anfängers gut zu erkennen.

Spieler schwärmen vom “Sieger-Gen” und “Madrid-DNA”

Die Youngster sind von ihrem 43 Jahre alten Anführer angetan. Noch vor dem Finale sagte Carlos Dotor: „Was dieses Team hat, ist das Sieger-Gen, das Raúl uns vermittelt.“ Auch Antonio Blanco wusste die Kernbotschaft zu überbringen, die Raúl seinen Jungs scheinbar eingebläut hat: „Real Madrid muss Endspiele immer gewinnen.“

Dass diese Worte sowie das Auftreten und das Selbstverständnis der Truppe in den entscheidenden K.o.-Spielen nicht von ungefähr kamen, beweist auch das Statement von Kapitän Víctor Chust nach dem Sieg über Benficas U19: „Es ist eine große Ehre, mit diesen großartigen Spielern den besten Verein der Welt zu vertreten. Als Kapitän bin ich stolz auf unser Team.“ Anschließend lobte Chust Raúls Fähigkeiten. Er ist der Ansicht, dass der Trainer „die Madrid-DNA tief in seinem Blut hat. Er pusht uns immer bis zum Schluss und vermittelt uns die Werte, für die dieses Trikot steht“.

Auf dem Weg zu Zidanes Nachfolger? Raúl bleibt bescheiden

Auch spanische Medien sind voll des Lobes für Raúl. Die Sportzeitung MARCA sieht ihn sogar bereits mittelfristig als potentiellen Nachfolger Zidanes auf der großen Bühne Estadio Santiago Bernabéu. Der ehemalige Weltkasse-Stürmer bleibt sich und seiner Art aber treu und gibt sich auch nach dem Triumph nach außen hin bescheiden. „Ich habe viele schöne Dinge in diesem Verein erlebt, aber dieser Moment ist vergleichbar mit allen anderen großartigen Momenten, die ich als Spieler erlebt habe. Er ist wundervoll. Es ist ein wichtiger Schritt in meiner Karriere, vor allem ist es aber eine Belohnung für alle Menschen, die in der Jugend gearbeitet haben, Spieler wie Trainer. Herzlichen Glückwunsch an alle Madridistas, denn das gehört uns allen“, so der gebürtige Madrilene.

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Raúl, der Bodenständige, der Teamplayer, wie man ihn seit jeher kennt. Diese Aussagen, seine Einstellung und sein Auftreten sowie die Tatsache, dass die Castilla-Rückkehr zur neuen Saison längst beschlossene Sache ist, weisen darauf hin, dass “Rulo” seine Trainer-Karriere mit Bedacht plant. Er wird sich in der dritten Liga weiterentwickeln, penibel an sich arbeiten und geduldig auf seine Zeit und seine Gelegenheit in der ersten Mannschaft warten. Oder aber erst einmal woanders Erstliga-Erfahrung sammeln. Unvorstellbar, dass Raúl sich früher oder später bei einer möglichen Zidane-Nachfolge fordernd aufdrängen würde.

Der eingeschlagene Weg ist bis dato vielversprechend und diese Gelegenheit könnte sicherlich irgendwann einmal kommen. Es ist dem Madridismo einerseits zu wünschen, dass Erfolgsgarant Zidane noch lange auf der Bank der ersten Mannschaft bleibt. Ebenso wünschenswert wäre es für den Real-Kosmos aber bestimmt auch, dass mit Raúl eine einzigartige Persönlichkeit des Vereins ihren Weg weitergeht und das Ruder übernimmt, wenn die Zeit dafür reif ist. Eine der größten Legenden der Blancos, die wie kaum eine andere sowohl für Erfolg als auch für die Werte Real Madrids steht, wäre die Fortsetzung des Systems, das mit Zidane bereits seit Jahren Früchte trägt.

Raúls Weg wird man mit Spannung und großem Interesse weiter verfolgen.

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Kommentare
Raull als Trainer von Madrid wäre genial aber erst nach der Perez Ära bitte
 
Ich kann Raul schwer einschätzen und habe mich für „erst einmal sollte ein erfahrener Trainer her“ entschieden, damit der Umbruch in seinem finalen Stadium bzw. fertig ist, wenn Raul übernimmt. So wie damals : Mourinho läutet ihn ein, Ancelotti führt es zu Ende und Zidane perfektioniert ist. Jetzt soll Zidane es einleiten, Trainer X zu Ende führen und Raul dann perfektionieren. Vorausgesetzt Raul kann sich damit anfreunden natürlich.
 
Raúl als Chef Trainer und Xabi Alonso als co. Da treffen dann Charisma und Taktiker aufeinander. Perfekte Mischung
 
Raúl als Chef Trainer und Xabi Alonso als co. Da treffen dann Charisma und Taktiker aufeinander. Perfekte Mischung

Auch wenn ich verstehe, wie du es meinst...Xabi Alonso hat mehr als genug Charisma
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