Historie

Ein Jahr vor Real-Wechsel: Modrićs Abstecher auf Abramowitschs Yacht

Der FC Chelsea buhlt im Jahr 2011 um Luka Modrić. So sehr, dass der Kroate sogar einer Einladung auf die Yacht von Roman Abramowitsch folgt. Zu einem Transfer kommt es letzten Endes aber nicht. In seiner Autobiographie schildert Real Madrids Mittelfeld-Star, damals Profi von Tottenham Hotspur, die Geschehnisse.

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Luka Modric
Einer der besten Fußballer der vergangenen Dekade: Luka Modrić – Foto: imago images / ZUMA Wire

Dieser Artikel erschien erstmals am 23. November 2020.

Modrić wollte 2011 unbedingt zu Chelsea

MADRID. Er ist seit August 2012 da und hat sich zu einem absoluten Leistungsträger entwickelt, bisher fast 400 Pflichtspiele absolviert und 17 Trophäen abgeräumt – zudem auf individueller Ebene den Ballon d‘Or, den Weltfußballer-Titel und die Auszeichnung zu Europas Fußballer des Jahres gewonnen. Ob Luka Modrić das alles auch gelungen wäre, wenn er Tottenham Hotspur nicht Richtung Real Madrid, sondern für den FC Chelsea verlassen hätte?

Im Sommer 2011, ein Jahr vor der Unterschrift in Spanien, bemühten sich die „Blues“ stark um eine Verpflichtung des damals 26-Jährigen. So stark sogar, dass er von Klubeigentümer Roman Abramowitsch zu einem persönlichen Gespräch auf dessen Yacht an der Côte d‘Azur eingeladen wurde. In einer geheimen Mission begab sich ein gespannter Modrić dorthin.

Abramowitsch-Security bringt Modrić mit Speedboot zur Yacht

„Meine Berater Vlado Lemić und Davor Ćurković informierten mich über Chelseas Wunsch, mich zu verpflichten. Vor meinem Transfer zu Tottenham hatte es schon danach ausgesehen, dass ich an die Stamford Bridge wechseln würde. Ich stand der Idee, zu Chelsea zu gehen, offen gegenüber. Dann geschahen Dinge in Lichtgeschwindigkeit. Vanja und ich haben einen Privatjet von Zadar nach Cannes genommen, dort wartete mein Management. Dann brachte uns ein Van mit getönten Scheiben nach Nizza, gut 30 Kilometer entfernt. Dort wurden wir von Abramowitschs Security mitgenommen, die uns mit einem Speedboot zur Yacht des Chelsea-Besitzers fuhr. Es war alles sehr aufregend. Es lief alles schnell ab und war gut organisiert. Wir hatten es uns auf dem luxuriösen Deck gerade bequem gemacht, als Abramowitsch sich blicken ließ. Ich war fasziniert davon, wie sich dann all die Sicherheitsleute diskret zurückzogen. Es war klar, dass sie alle sehr gut trainiert sind. Ihr Timing war perfekt“, erinnert er sich in seiner im August erschienenen Autobiographie.

„Ich hätte gerne, dass du bei Chelsea unterschreibst“

Der russisch-israelische Oligarch habe „einen relaxten Eindruck“ gemacht und „nicht um den heißen Brei“ herumgeredet, so der Kroate: „Er sagte: ‚Wir wissen, dass du ein Spieler mit einer großen Qualität bist. Ich hätte gerne, dass du bei Chelsea unterschreibst.‘“ Eine Idee, an der Modrić Gefallen fand: „Ich hatte drei erfolgreiche Jahre bei Tottenham hinter mir. Mein Gefühl sagte mir, dass es an der Zeit für einen Wechsel sei. Ich wollte um Titel kämpfen und Titel gewinnen und spürte, dass das bei Tottenham nicht möglich wäre, wenn ich bleiben würde. Ich wollte zu einem ambitionierteren Verein.“

Luka Modric
Modrić, 160 Pflichtspiele für die Spurs, hätte innerhalb von London gerne die Seiten gewechselt – Foto: imago images / Sportimage

„Tief in mir wusste ich, dass Levy nichts hören wollen wird“

Zu euphorisch wurde der Mittelfeld-Star wegen des Interesses des Stadtrivalen, mit dem er in der Folgesaison übrigens Champions-League-Sieger geworden wäre, vorerst allerdings nicht, denn er wusste, dass er mit Daniel Levy bei den Spurs einen für andere Vereine ziemlich schwierigen Verhandlungspartner als Präsidenten hatte. „‚Glaubst du, dass Tottenham widerstehen wird? Werden sie einen Kampf austragen?‘, fragte Abramowitsch. ‚Ich glaube, dass die Verhandlungen hart werden‘, antwortete ich. Wir waren fertig mit unseren Drinks und nach 20 Minuten oder so zogen Abramowitsch und seine Frau sich zurück. Als er sich verabschiedete, schlug er vor, dass wir noch auf dem Boot relaxen und eine Runde schwimmen gehen können. Wir lehnten aber dankend ab und gingen. Vanja und ich waren beeindruckt über dieses blitzschnelle Treffen, aber tief in mir wusste ich, dass Tottenhams Präsident Daniel Levy nichts davon hören wollen wird“, erklärt Modrić.

Real Madrid Trikot

„Ich reichte eine Transferanfrage ein – aber nichts geschah“

Wohl genau deshalb entschied sich der Spielgestalter dazu, sein Verlangen nach einer Karriere-Veränderung öffentlich zu kommunizieren – was ihm Ärger einbrachte. „Vor dem Beginn der Saisonvorbereitung riefen mich englische Reporter an und fragten, ob es wahr sei, dass ich die Spurs verlassen möchte. Ich war ehrlich, und wahrscheinlich naiv, als ich sagte, dass ich der Meinung bin, dass es an der Zeit für den nächsten Schritt in meiner Karriere ist. Das sorgte für eine Menge Aufregung, die bis zum Ende des Transferfensters einfach nicht enden wollte. Levy stellte öffentlich klar, dass es keine Chance auf einen Abgang von mir gebe und ich einen gültigen Vertrag bei Tottenham habe. Ich sprach dann mit ihm. Es wurden keine harschen Worte verloren oder Beleidigungen ausgesprochen, wie es die Medien sagten, aber das Gespräch war sehr spannungsgeladen. Er rügte mich dafür, dass ich öffentlich über meinen Wechselwunsch gesprochen hatte und wiederholte, dass Tottenham nicht die Intention habe, mich zu verkaufen – für keinen Preis“, so Modrić.

Es war keine Verhandlungstaktik, die Levy anwandte. Er meinte es so, wie er es sagte. Modrićs Kopf sei mehr und mehr „nicht mehr bei Tottenham“ gewesen, „sodass ich eine offizielle Transferanfrage einreichte – aber nichts geschah. Als der Transfermarkt noch drei Wochen offen war, gab Chelsea verbesserte Angebote ab. Levy lehnte sie weiterhin ab“. Konsequent, bis zum Ende der Wechselfrist. Ein Jahr später erhielt er dann die Freigabe für einen Wechsel nach Madrid. Angesichts der Bedeutung von Modrić für Real wird man Levy an der Concha Espina für dessen vorherige Stringenz rückblickend sicher dankbar sein.

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Letztendlich hat er alles richtig gemacht und avancierte in Madrid zum Weltfußballer, obwohl er in London hätte bleiben können und dort auch einige Erfolge gefeiert hätte. Wir können froh sein, dass er sich in Madrid durchgebissen hat und großen Anteil an den historischen Erfolgen hatte: Nachspielzeit, Modric-Ecke auf Ramos, Courtois und Simeone im Tal der Tränen. Danke, Luka!
 
Sein Werdegang ist schon ein Wahnsinn, und dass für gerade einmal 35 Mio. Trotzdem wurde bei seiner ersten Saison bereits sein Abgang gefordert weil er halt nicht die besten Leistungen brachte.
 
Danke Levy :-)
 

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