
„Mourinho fragte, ob ich für ihn spielen will“
TURIN. Im Alter von 23 Jahren wagte Sami Khedira den großen Schritt weg vom Jugendklub VfB Stuttgart zum spanischen Rekordmeister Real Madrid. Der 77-fache deutsche Nationalspieler hatte José Mourinho, der im Sommer 2010 von Inter Mailand nach Madrid kam, während der Weltmeisterschaft 2010 in Südamerika beeindruckt. „Er schrieb, dass ich ein großartiges Turnier gespielt habe, dass er mich schon eine Weile beobachtet hat und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für ihn zu spielen“, erinnerte sich der Mittelfeldspieler nun in einem Interview mit dem englischsprachigen Sportportal THE ATHLETIC zurück.
Khedira dachte sich damals: „Was ist das für eine Frage? José Mourinho, Triple-Sieger mit Inter, der beste Trainer der Welt, interessiert sich für mich, Sami Khedira, einen Mittelfeldspieler, der beim VfB Stuttgart spielt?“ Der gebürtige Stuttgarter „wusste, dass ich gut bin, aber ich habe mich fast ein bisschen vor ihm geschämt und war super nervös.“ Doch natürlich konnte er den Lockrufen Mourinhos nicht widerstehen. „Ich bin nach Madrid geflogen, um ihn zu treffen. Wir haben nicht über Taktik gesprochen, sondern nur über das Gewinnen. Er fragte mich: ‘Was willst du erreichen?’ und sagte: ‘Du bist mein Mann’. Dann haben wir uns umarmt, als das Treffen vorbei war, nach ein paar Minuten“, verriet der frühere Real-Profi.
„Arbeit mit ihm kein Zuckerschlecken“
Dass er nur für ein kurzes Gespräch in die spanische Metropole reiste, habe Khedira zunächst zum Nachdenken gebracht. „Im ersten Moment dachte ich: Dafür bist du den ganzen Weg nach Madrid geflogen? Aber eine größere Botschaft kann man von einem Trainer nicht bekommen. Er hat eine Art, die Leute zu überzeugen, da ist etwas in seinen Augen.“ Der Portugiese könne jedoch auch anders: „Er ist sehr direkt, sehr fordernd, die Arbeit mit ihm ist kein Zuckerschlecken, denn er macht keine halben Sachen. Wenn du keine Leistung bringst, kriegst du es in den Nacken. Aber du verstehst, dass das so ist, weil er dich als Spieler schätzt. Das Maximum ist für ihn nicht genug, er treibt dich an dein Limit.“
Nur durch die Anforderungen, die der „Special One“ an ihn stellte, sei er „zu dem Spieler und dem Menschen geworden, der ich heute bin. Nur wenn er aufhört, mit dir zu reden, musst du dir übrigens Sorgen machen. Dann musst du aufpassen. Ich bin so froh, dass es ihm bei den Spurs so gut geht. Keiner hätte gedacht, dass er es noch drauf hat. Aber er hört nie auf, daran zu glauben, das ist sein Geheimnis. Und jetzt ist er wieder da. Ich finde das faszinierend, aber ich bin nicht überrascht.“
Neben Mourinho auch Ancelotti „tolle Persönlichkeit“
Neben Mourinho bekam es Khedira bei den Königlichen auch mit Carlo Ancelotti zu tun. „Wir sind über die Jahre in Kontakt geblieben. Er und José sind beides tolle Persönlichkeiten, von denen ich so viel gelernt habe, über das Spiel und über mich selbst. Sie sind beide bei Klubs, die eine wichtige Rolle in der Liga spielen.“
Den Arbeitsethos, der die Stars bei Real Madrid auszeichnet, habe der 33-Jährige so zuvor „noch nie gesehen.“ Khedira blickte zurück und erinnerte sich daran, wie er Cristiano Ronaldo zu Beginn nach guten Lokalen in der spanischen Hauptstadt fragte: „Wir essen meistens Zuhause und machen zusätzliche Trainingseinheiten“, lautete die Antwort des Starstürmers.
„Sie waren von einem ganz anderen Planeten“
Seine damaligen Mitspieler beim weißen Ballett seien alle „Weltklassespieler oder sogar Ballon d’Or Sieger“ gewesen. Der Schwabe habe schnell erfahren: „Sie blieben länger auf dem Spielfeld und verbrachten mehr Zeit auf dem Trainingsplatz, um zusätzliche Arbeit zu leisten. Ich dachte, ich wüsste, was es heißt, Profi zu sein, aber sie waren von einem ganz anderen Planeten. Sie zogen es bis zum logischen Ende durch und zeigten totale Hingabe. Da wurde mir klar, dass ich jeden Tag etwa zehn Stunden Zeit hatte, an mir zu arbeiten, zusätzlich zu den vier, fünf Stunden, die ich auf dem Trainingsplatz verbrachte, und dass ich so viel mehr konnte, als auf dem Sofa oder am Pool zu faulenzen.“
Khedira bestritt insgesamt 161 Pflichtspiele für Real Madrid, erzielte neun Tore und 13 Vorlagen. Seine Zeit in der spanischen Metropole war allerdings auch von Verletzungen überhäuft. 2015 wechselte er letztlich zu Juventus Turin. Bei den Italienern ist er aber ohne Zukunft, spielte in der laufenden Saison noch gar nicht und wünscht sich eigenen Aussagen nach einen Transfer in die Premier League – demnach zu Mourinho und Tottenham oder Ancelotti und Everton.
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