
Freitagabend hatte der Schneesturm „Filomena“, der Madrid in den letzten beiden Tagen ins Chaos gestürzt hat, seine wildesten Stunden. Laut der Tageszeitung EL PAÍS hat die spanische Hauptstadt seit 1971 kein so gewaltiges Unwetter erlebt. Eine Folge: Ab den frühen Abendstunden wurden reihenweise Flüge am Flughafen Madrid-Barajas gestrichen. Später wurde der gesamte Flugverkehr eingestellt, der Airport geschlossen. Der Flieger vom Club Athletic drehte seine Runden um den Flughafen, konnte nicht landen und kehrte zurück nach Bilbao. Doch die Real-Profis um Sergio Ramos hoben – nach über drei Stunden Wartezeit im Flieger – auf Anordnung von LaLiga inmitten der nächtlichen Flugannullierungs-Welle für das Liga-Spiel bei Osasuna gen Pamplona ab. Trotz des Risikos, aber glücklicherweise mit gutem Ausgang – der Landung eine halbe Stunde später.
Ich war zur selben Zeit am selben Flughafen in einem Flugzeug nach München, wartete ähnlich wie die Blancos von 18:30 Uhr bis kurz nach 1 Uhr morgens. Mit einem Unterschied: Mein Flug wurde wie die meisten anderen nicht durchgeführt. Weil der Schnee auf den Straßen den Taxi- und Busverkehr unmöglich machte, musste ich die Nacht im Flughafen verbringen. Seit Samstagvormittag sitze ich nun in einem Madrider Hotel fest und warte, bis der Flugverkehr am Montag wieder richtig ins Rollen kommt. Nach meinen Erlebnissen finde ich: Real in der beschriebenen Situation das Fliegen anzuordnen war grob falsch von Javier Tebas!
Der Madrider Flughafen ist für ein Unwetter dieses Kalibers peinlicherweise schlicht nicht vorbereitet. Hätte man am frühen Abend schon einige Schneeräum-Fahrzeuge auf die Rollfelder geschickt, wäre der Flugverkehr wohl gar nicht zum Erliegen gekommen. Die entsprechenden Maschinen sind vorhanden, allein das nötige Personal war es nicht – obwohl der Schneesturm schon einige Tage zuvor groß angekündigt worden war. Das Problem deswegen: Um gefahrlos zu starten, brauchen Flugzeuge eine Enteisung und eine einigermaßen schneefreie Startbahn. Aufgrund des Personalmangels konnten beide Aspekte gleichzeitig nicht an allen Bahnen gewährleistet werden. Unser Flugkapitän unternahm sagenhafte vier Startversuche. Alle scheiterten. Denn: Nach der Enteisung müssen Flieger innerhalb von fünf Minuten starten, sonst ist eine neue fällig. Genau das passierte mit unserer Maschine: Nachdem sie mit Enteisungs-Mittel besprüht worden war, brachten es die Räum-Fahrzeuge nicht auf die Reihe, den neuen Schnee in der vorgegebenen Zeit zu beseitigen. Zum einen wegen katastrophaler Koordination, zum anderen, weil pro Bahn oft nur ein Fahrzeug Schnee schippte.
Weitere Beispiele für die Barajas-Blamage gefällig? Nachdem unsere Reise abgesagt worden war, wollte sich der Kapitän auf den Weg zurück zum Terminal machen. Konnte er aber bis weit nach Mitternacht nicht, weil kein Flughafen-Personal mehr zugegen war, das uns den Weg dorthin freiräumen hätte können. Nach langem, aber erfolglosem Warten ging es quer durch die schneebedeckten Rollfelder. Aus demselben Grund konnten wir den Flieger zu allem Übel nicht über einen „Finger“ (Fluggastbrücke zum Gate) verlassen, sondern mussten stattdessen einige Zeit auf einer vereisten Treppe warten. Ferner war zu jener Uhrzeit niemand mehr im Einsatz, der uns unser Gepäck zurückgeben hätte können. Das wird mir die Lufthansa, wenn sie es den jemals gebacken bekommt, hoffentlich in den kommenden Tagen nach Hause schicken…
Alles in einem: Eine Sternstunde spanischer Stümper, in der es in meinen Augen nicht ohne Risiko war, den Flughafen fliegend zu verlassen. Weil LaLiga bei Spielabsagen Unmengen an Geld verliert und mit der ohnehin amateurhaften Terminplanung noch mehr ins Schleudern kommt, ordnete sie der laut der TV-Sendung „El Chiringuito“ stinksauren Real-Delegation dennoch den Fahrlässig-Flug an. Nochmal: In der schlimmsten Stunde des Sturms!
Für Zinédine Zidane und Co. kommt erschwerend hinzu, dass sie nach dem blamablen 0:0 bei Osasuna bis auf Weiteres in Pamplona festsitzen. Angesichts des frenetisch getakteten königlichen Terminkalenders besonders blöd… Logisch, dass der Coach nach Abpfiff stänkerte: „Das war kein Fußballspiel, man hätte es absagen müssen“ und erklärte: „Wir sind angetreten, weil wir mussten, aber man hat gesehen, was dabei rausgekommen ist.“
Weil um jeden Preis Fußball gespielt werden musste, sitzen die Spieler in einem Hotel fest und können wohl erst am Montag fliegen – dann jedoch nicht nach Hause, sondern aufgrund des engen Terminkalenders direkt zur nächsten Aufgabe nach Andalusien. Immerhin ist es dort etwas wärmer.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die eben gewerteten Umständen dürfen keinesfalls eine Ausrede für Reals Rumpel-Fußball sein, der mich immer wieder so verzweifeln lässt, wie der Madrider Flughafen es in den letzten Stunden getan hat. Dieses Gekicke bedarf schon lange einer schonungslosen Analyse. Zum gewissenlosen geldgierigen Gebaren von Javier Tebas hingegen ist alles gesagt.
Community-Beiträge