
Drei Spiele. Drei Niederlagen. Null Titel.
Am 27. Februar 2019 nahm das Schicksal seinen Lauf, als die Königlichen nach einem eigentlich soliden 1:1-Unentschieden im Hinspiel des Copa-Halbfinals beim Rückspiel mit 0:3 gegen den FC Barcelona baden gingen und sich abermals verfrüht aus dem Pokal verabschieden mussten. Barça stieß Real wenige Tage später noch tiefer in die Krise, als es auch in LaLiga beim Bernabéu-Besuch mit 0:1 als Sieger vom Platz ging und den Vorsprung im Meisterschaftsrennen auf uneinholbare zwölf Punkte vergrößerte. Trauriger Höhepunkt der Woche: Trotz glücklichem 2:1-Auswärtssieg endete die Serie von acht Champions-League-Halbfinals in Folge gegen das Überraschungsteam Ajax Amsterdam, als die jungen Wilden das Bernabéu stürmten und Real mit einem sensationellen 1:4-Sieg aus dem Wettbewerb schmissen. War hier dasselbe Team auf dem Platz, das noch im Sommer zuvor den dritten Champions-League-Titel und den vierten in fünf Jahren einheimste?
Der Klub-gewordene Superlativ im Weltfußball
„Sensationell. Historisch. Für die Ewigkeit.“ Die Superlative rund um den dritten Champions-League-Titel am 25. Mai 2018 überschlugen sich selbst für königliche Verhältnisse, als die Blancos das Kunststück des Europapokal-Hattricks real machten. Erst 2014 hatte das weiße Ballett nach jahrelanger Durststrecke mit der langersehnten „La Décima“den Knoten lösen können und mit Ausnahme einer Erfolgspause 2015, als der Erzrivale FC Barcelona zuletzt den Henkelpott eroberte, für eine Hegemonie im Weltfußball gesorgt, die in der Geschichte einmalig ist und das wohl auch für lange Zeit bleiben wird. Wie konnte es also in nicht einmal zwölf Monaten zu einem solchen Absturz kommen?
Die Chefs verlassen das sinkende Schiff
Was aus heutiger Sicht schon fast vorhersehbar schien, ahnten nach dem Titelgewinn der Champions League 2018 wohl nur wenige. Die berechtigte Euphorie in Folge der Titel-Flut kaschierte eine sich längst abzeichnende Talfahrt des Hauptstadtklubs. Die letzte spanische Meisterschaft datierte zurück auf das Jahr 2017. 2018 hatte Real am Ende sogar 17 Punkte Rückstand auf Barça. Beim Gewinn der Copa del Rey 2014 waren viele aktuelle Spieler noch längst kein Teil des Teams. Und die Champions-League-Saison, auch wenn man den Titel abermals gewann, stand schon im Viertelfinale auf der Kippe, als Cristiano Ronaldo erst in der 97. Spielminute per Elfmeter die (beinahe) 3:0-Aufholjagd der Turiner verhinderte.
Die besten Momente der „Ära Zidane 1.0“
Eben jener Cristiano, seines Zeichens Rekordtorjäger in der glorreichen königlichen Geschichte, war es auch, der nach Ablauf der Saison 2018 die Anzeichen richtig deutete und das sinkende Schiff Real Madrid am Zenit verließ. „Man soll gehen, wenn es am Schönsten ist“, dachte sich vor dem Portugiesen bereits Cheftrainer Zinédine Zidane, der nicht einmal eine Woche nach dem Gewinn der Champions League das (vorübergehende) Ende seiner Trainerkarriere an der Concha Espina erklärte.
Die Abschiedsworte des Erfolgscoaches klingen in der Retrospektive wie eine böse Vision der darauffolgenden Monate: „Wir haben es ja bereits gesehen, dieses Jahr in der Liga war sehr kompliziert. Das sind Momente, die ich nicht vergessen habe. Und wenn man in diesem Klub ist, muss man das wissen. Wenn es nur darum geht, eine weitere Spielzeit dranzuhängen und diese dann schlecht endet, will ich das nicht. Diese Etappe soll für Real Madrid ein gutes Ende finden.“
Fußball-Legende Zidane, als Spieler und Trainer längst unsterblich, sollte Recht behalten: Die Saison 2018/19 endete mit großem Trainerverschleiß (Julen Lopetegui, Santiago Solari, wieder Zidane) und abgesehen von der Klub-WM ohne großen Titel, führte irgendwie aber immerhin zur Rückkehr des gerade einmal knapp ein Jahr vorher zurückgetretenen Erfolgstrainers.
Hat Zidane noch das Motivator-Gen?
Während Zidane in seiner ersten Amtszeit auf einen nahezu perfekt aufeinander abgestimmten Kader und ein über Jahre optimiertes Spielsystem zurückgreifen konnte und oftmals „nur“ die Rolle des Motivators mit Legenden-Status einnehmen musste, stellt sich die zweite Etappe als sehr viel fordernder heraus. Kein Ronaldo, kaum Neuzugänge, alternde Stars und zu allem Überfluss auch noch die Corona-Pandemie. Zidane schlägt sich Woche für Woche mit unzähligen Verletzungen rum, hat mit dem „Alcoyanazo“ eine erneute Blamage im Pokal hinnehmen müssen und bringt es bislang nicht zu Stande, die sich immer wieder anbietenden Patzer der Konkurrenz zu nutzen, um in LaLiga auf die Tabellenspitze aufzurücken. Am Sonntag bietet sich im „Derbi Madrileño“ die Möglichkeit, sich für den Endspurt der Meisterschaft zurückzumelden und den Stadtrivalen und Tabellenführer unter Druck zu setzen. Ebenso realistisch: Atlético siegt, setzt sich auf Platz eins ab und stößt Real in ein Motivationsloch – samt Ausscheiden gegen Atalanta Bergamo am 16. März 2021. Dann würden die Merengues tatsächlich ein Déjà-vu erleben. Schonmal gesehen 2019…
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