
1. Auch auf Top-Niveau: Die Abwehr steht
Fünf Siege, eine Niederlage bei 14:3 Toren – so lautet Real Madrids bemerkenswerte Königsklassen-Statistik nach der Gruppenphase. Abgesehen von einer denkwürdigen, zugleich aber unnötigen Niederlage gegen Sheriff Tiraspol überzeugten die Merengues dabei nicht nur offensiv, sondern auch in der Arbeit gegen den Ball. Wirkte das Team von Carlo Ancelotti nach den Abgängen von Sergio Ramos und Raphaël Varane in LaLiga zu Saisonbeginn defensiv noch wenig sattelfest, funktionierte die Defensivarbeit auf europäischem Parkett fast ausnahmslos gut.
Mit gerade einmal drei Gegentreffern (0,5 pro Partie) stellt der spanische Rekordmeister somit bislang die zweitbeste Hintermannschaft des Wettbewerbs. Lediglich Titelverteidiger FC Chelsea (ein Gegentor in fünf Partien) weist noch bessere Zahlen auf. Zu erklären ist dies einerseits damit, dass die Blancos mit Thibaut Courtois über einen Weltklasse-Schlussmann verfügen. Andererseits scheint das Duo David Alaba/Éder Militão einander hervorragend zu ergänzen. So hat Alaba sehr schnell sowohl als Wortführer als auch als sportlicher Anführer das Kommando in Reals Defensive übernommen, während Nebenmann Militão unter der Führung des Österreichers seit Wochen einen sehr stabilen Eindruck macht. Seine Monster-Performance gegen Inter Mailand (sechs gewonnene Kopfballduelle, fünf direkte Ballgewinne, sechs Klärungen) unterstreichen diesen Trend.
2. Reals Offensive mehr als „nur“ Benzema
Was vor eineinhalb Jahren noch undenkbar schien, ist dieser Tage fast schon Normalität: Torjäger Karim Benzema und Youngster Vinícius Júnior harmonieren so gut wie kaum ein anderes Duo in Europa – und liefern auch auf der europäischen Bühne Tore und Assists wie am Fließband. Während Benzema auf fünf Tore und eine Vorlage kommt, unterstreichen „Vinís“ Zahlen (zwei Tore, vier Assists), dass der Brasilianer auch auf höchstem Niveau konstant liefert. So präsentiert sich der Flügelstürmer nicht nur mutig im Eins-gegen-Eins, sondern hat sich in puncto Entscheidungsfindung und Torabschluss ebenfalls enorm verbessert.
Die positivste Erkenntnis (neben der Form-Explosion des 21-Jährigen) ist aber vor allem die Tatsache, dass die Offensivlast auf mehrere Schultern verteilt ist. War in der Vorsaison fast nur Benzema für das Offensivspiel der Blancos zuständig, zeigte der 2:0-Erfolg gegen Inter Mailand eindrucksvoll, dass der Rekordsieger auch ohne seinen Top-Stürmer erfolgreich sein kann. So sorgten Toni Kroos und Marco Asensio für zwei sehenswerte Treffer. Und auch der viel gescholtene Luka Jović sowie Rodrygo Goes strahlten – obwohl sie sicherlich kein perfektes Spiel absolvierten – immer wieder Torgefahr aus. Will Real die Champions League gewinnen, sind die Königlichen sicherlich auch weiterhin auf Benzema-Tore angewiesen. Jedoch eben nicht mehr (fast) ausschließlich.

3. KMC liefern, Camavinga und Valverde in der Hinterhand
Doch nicht nur in der Hintermannschaft und im Angriff verfügt der spanische Rekordmeister über jede Menge Qualität. Auch die Schaltzentrale des königlichen Spiels performt auf Weltklasse-Niveau. Während Toni Kroos nach seinem Nationalmannschaftsrücktritt nicht nur so frisch wie selten zuvor wirkt, sondern auch das Toreschießen für sich entdeckt hat, liefern seine Nebenmänner auf gewohnt hohem Niveau. So erwischte Casemiro sicherlich keinen guten Saisonstart – mit zunehmendem Saisonverlauf steigerte sich der Brasilianer jedoch stetig. Gegen Inter bekam das Bernabéu im Prinzip den „Case“ zu sehen, der einen großen Anteil an vier Champions-League-Triumphen hatte.
Hinzu kommt, dass Luka Modrić auch im fortgeschrittenen Fußballeralter noch immer regelmäßige Sternstunden hat. Zwar kann der 36-Jährige nicht in jeder Partie über 90 Minuten ein Feuerwerk abfackeln. In puncto Passspiel, Verhalten im Raum und Blick für den tiefen Ball gibt es auch im Jahr 2021 nur wenige Spieler, die dem Kroaten das Wasser reichen können.
Dass mit Eduardo Camavinga und Federico Valverde zudem zwei enorm talentierte Spieler mit den Hufen scharren, unterstreicht die geballte Qualität im Real-Mittelfeld. Dabei brilliert Camavinga mit einem dynamischen Zug zum Tor und scharfem Passspiel, wohingegen „Fede“ dem Real-Spiel mit seinem außergewöhnlichen Energie-Level noch mehr Möglichkeiten verleiht.
4. Ancelotti kann Königsklasse
Dass Carlo Ancelotti der Europapokal liegt, hat er in seiner langjährigen Trainerkarriere bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Gleich drei Mal (2003 und 2007 mit Milan, 2014 mit den Blancos) gewann der 62-Jährige den Henkelpott bislang. Dass er jedoch eine statistisch derartig eindrucksvolle erste Saisonhälfte hinlegen würde, war so nicht zu erwarten.
So überzeugte Ancelottis Real im bisherigen Saisonverlauf nicht nur auf nationaler Ebene, sondern eben auch in der Königsklasse. Sicher, die Merengues haben nicht in jedem Spiel brilliert. Sieben Punkte Vorsprung in LaLiga sowie ein ungefährdeter Gruppensieg in der Champions League sprechen allerdings eine deutliche Sprache. Besonders die Tatsache, dass es den Blancos in beiden Duellen mit Inter Mailand gelungen ist, die Italiener zu Null zu bezwingen, impliziert Ancelottis trainerische Fähigkeiten.
5. Mehr als nur Außenseiter-Chancen
Eng an die Personalie Ancelotti sind auch Real Madrids Titelchancen geknüpft. Wurschtelten sich die Königlichen in der Vorsaison mit teilweise minimalistischen Erfolgen sogar bis ins Halbfinale (dort war gegen den späteren Sieger Chelsea Endstation), wirken die Blancos in dieser Spielzeit deutlich spielstärker. Das liegt neben der Leistungs-Explosion von Vinícius Júnior sicherlich auch an Ancelottis Spielidee. Diese beinhaltet eine gute Mischung aus offensiver Variabilität und defensiver Stabilität.
So haben im bisherigen Verlauf des Wettbewerbs zwar neben Vorjahressieger FC Chelsea auch der deutsche Rekordmeister aus München oder Jürgen Klopps FC Liverpool jeweils mit einer weißen Weste überzeugt. Angst und Schrecken verbreitet derzeit aber kein (potenzieller) Gegner. Die Tatsache, dass Real seinerseits nicht nur offensiv überzeugt, sondern auch über eine der besten Abwehrreihen verfügt, spült die Ancelotti-Elf sicherlich in den Kreis der Titelanwärter. Sollte es dem Italiener gelingen, seine Spielidee stetig weiterzuentwickeln, dürften die Blancos ein ernstes Wörtchen im Kampf um den Champions-League-Sieg mitsprechen.
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