Reportage

Gento wäre stolz

Den Olymp hat er längst erklommen als vier-facher Champions-League-Sieger und auch jetzt als sechs-facher Meister. Aber den Vorsitz im Fußballhimmel teilt sich Marcelo spätestens jetzt mit Paco Gento, denn mit seinem 24. Titel hat Marcelo den großen Gento den Rang als meistdekorierter Blanco abgenommen.

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marcelo gento
Marcelo ist ein würdiger Erbe für Gentos Titel-Rekord – Fotos: imago

Überraschender Transfer, verweigerte Leihe

51 Jahre. So lange hielt der Rekord des Francisco „Paco“ Gento als Madrilene mit den meisten gewonnenen Titeln. Nun wurde dieser Rekord geschlagen von einem, der ebenfalls einen langen Weg nach Madrid auf sich nehmen musste. Während der „kantabrische Sturmwind“ 1953 von Racing Santander zu Real Madrid gewechselt war, sollte im Winter 2007 ebenfalls eine weite Reise beginnen. Die des Marcelo Vieira da Silva Júnior.

Sie begann mit einem mysteriösen Anruf in Río de Janeiro: „Eines Tages erhielt ich einen Anruf eines Agenten. Er sagte: ‚Willst du zu Real Madrid?‘“, erinnerte sich Marcelo Jahre später in seiner aufgeschriebenen Lebensgeschichte.

Und die Reise ging weiter mit einem eher überraschenden Wechsel: „Ich schwöre bei Gott, dass ich dachte, ich würde nur für einen Plausch dorthin fliegen. Als ich ankam, um den Klub zu treffen, sah ich den Vertrag auf dem Tisch mit dem Real Madrid-Logo darauf und so – und ich hab den Sch*** so schnell unterschrieben.“

15 Jahre später muss man sagen: Zum Glück hat der brasilianische Wuschelkopf damals nicht genau überlegt und verhandelt. Zum Glück ist er immer „Marcelito“ geblieben, der sich im Sommer 2007 einfach weigerte, sich verleihen zu lassen („Der Klub würde mich verleihen wollen. Sie wollten Erfahrung für mich. Aber ich dachte: Das ist Real. Wenn ich jetzt gehe, könnte ich nie zurückkehren.“). Der sich durchsetzte gegen keinen geringeren als sein Kindheitsidol Roberto Carlos und dessen Spuren so ausfüllte, dass Fußballexperten ins Schwitzen geraten bei der Frage, wer denn nun der beste Linksverteidiger der Geschichte sei. Roberto Carlos konnte von 1996 bis 2007 ganze 13 Titel, erlebte den Aufstieg und Fall der „Galácticos“, leistete sogesehen Pionierarbeit für Marcelo. Der machte sich nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch beliebt und hatte, nicht wie andere vor ihm immer nur eines im haarigen Kopf: Real Madrid.

„Was ich bei Marcelo hervorheben kann, ist, dass er als Spieler wegen der nicht vielen Einsätze gelitten hat, aber weiterhin ein fantastischer Profi ist. Er spürt das Gewicht, der Kapitän dieser Mannschaft zu sein, zeigt eine hohe Professionalität, trainiert sehr gut, steht der Mannschaft immer nahe. Er ist ein perfekter Kapitän“, wusste Carlo Ancelotti erst am Freitag die richtigen Worte über die Nummer 12 zu finden: „Vor ihm als Person und auch als Spieler habe ich großen Respekt. Hoffentlich wird es jeder feiern, dass er der Spieler mit den meisten Titeln ist.“

Gento und Marcelo, nicht wie CR7, Ramos oder Di Stéfano

Und gewiss: Ein jeder wird es, wird ihn feiern! Denn zwischen all diesen maximal ehrgeizigen Alfredo Di Stéfanos, Cristiano Ronaldos und Sergio Ramos‘ wusste Marcelo immer die eine goldene Regel: niemand ist größer als der Klub. Dabei musste er sich in den letzten 15 Jahren immer wieder durchsetzen, gegen sein Kindheitsidol, gegen Reals Leih-Pläne, gegen Fábio Coentrao, der im Finale 2014 startete. Zwar ging es gefühlt nach Marcelos „Peak-Saison“ 2016/17 stetig bergab und Ferland Mendy hat den Stammplatz längst übernommen so wie Karim Benzema die Kapitänsbinde, und doch ist Marcelo – übrigens Reals allererster nicht-spanischer Spielführer – sich und Klub immer treu geblieben. Und auch genau deswegen, wird nicht nur sein 24. Titel mit Real Madrid gefeiert werden, sondern vor allem der Typ Marcelo. 15 Jahre Hingabe, Unterhaltung und eigentlich keine Skandäle, keine Vertragspoker. Und die Karriere des Marcelo, die – sehr wahrscheinlich – im Sommer ein Ende finden wird. Zu gut geht es der Familie in Madrid, zumal Sohn Enzo erfolgreich in der Infantil B (U13) auf Torejagd geht, und zu sehr hat sich Marcelo mittlerweile ein Business aufgebaut mit Fußballschulen, Friseursalons, eigenen Schmuck-Kollektionen und mehr. „Alles hat ein Ende, aber momentan denke ich nicht daran. Ich würde gerne mein ganzes Leben hier bleiben und hier meine Karriere beenden, doch ich bin nicht derjenige, der das allein entscheidet“, erklärte Marcelo zuletzt noch.

Reals Nummer 12 ist die Nummer eins

Er hat sich die weite Reise zugetraut, allen Widrigkeiten getrotzt, die linke Seite beackert – ähnlich wie einst Gento. Auch der ehemalige Ehrenpräsident – definitiv eher „lieber Opa“ als „arroganter Gockel“ – hat mehrere Ären bei Real Madrid miterlebt. In seinen 18 Jahren als Spieler aber „nur“ 21 offizielle Titel gewonnen plus zwei Copa Latinas, und wenn man die „Pequeña Copa del Mundo“ noch hinzu zählt, wären es sogar ebenso 24. So oder so: Reals aktuelle Nummer 12 ist die Nummer eins, und auch wenn Marcelos Karriere noch ein paar Spiele (und vielleicht sogar noch einen Titel) andauern wird – er darf stolz sein auf das Erreichte. Gento hätte sich wohl kaum einen würdigeren Nachfolger vorstellen können. Der Madridismo kann stolz sein auf einen seiner größten Ziehsöhne.

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von
Nils Kern

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Kommentare
Marcelo sitzt seit rund 2 Saisons auf der Bank und spielt nur gelegentlich und trotzdem bleibt er treu. Er hat nie einen aufstand oder Skandale gehalten ist einer der größten Real Legenden. Ich werde ihn vermissen, wenn es tatsächlich die letzte Saison ist. Würde mich über ihn als back up weiterhin freuen. Ist zwar nicht mehr ihm Peak allerdings waren seine letzten Spiele souverän und es gab nichts zu bemängeln, auch gegen Chelsea. Würde auch die Gelegenheit nutzen um vorallem nacho, vazquez, isco, Benzema zu ehren. Hatten alle wie marcelo auch hatte Zeiten in denen sie nicht spielen durften oder gar ausgepfiffen wurden. Trotzdem waren sie immer da, ohne sich groß zu beschweren und Unruhe in Klub zu bringen. Wünsche Marcelo nur das Beste. Auch Isco wenn er gehen sollte, er hat zwar schon lange keine besonderen Leistungen gebracht allerdings werde ich mit ihm immer die magische Saison 2017 verbinde. Er war ein echter Madrilene.
 
Dankbar für so vieles! In seiner Blütezeit war er ein herausragender Spieler, mit das beste „links hinten“ was ich im Fußball je bis hierhin erleben durfte!

Ein würdiger Kapitän, ein würdiger Spieler für das große El Madrid!
 
Ehre,wem Ehre gebührt. Schon zur aktiven Spielzeit eine Vereinslegende.

Nur „gegen Roberto Carlos durchgesetzt“ stimmt so meines Wissens nach nicht.

Die einzige (Halb-) Saison, die sie gemeinsam in Madrid verbracht haben, war Carlos immer noch Stammspieler, teils zu unrecht, teils wegen mangelnder Alternativen. Marcelo war damals noch keine davon und auch nach Carlos Abgang noch nicht klarer Stammspieler, sondern wechselte sich erst mit Miguel Torres und Drenthe bzw. später Heinze und Arbeloa als LV ab. Er hat also schon einige Zeit gebraucht, ausgerechnet unter defensivspezialist Mourinho wurde er dann unverzichtbar.

Ändert nichts an seinem Legendenstatus aber ich wollte es gesagt haben :)
 
Unser Wuschelkopf ist schon längst eine Legende und thront jetzt als Titelhamster ganz oben. Seine Genialität und positive Einstellung sowohl auf als auch neben dem Platz wird uns fehlen. Ich werde mich gerne an den Prime-Marcelo erinnern, dem niemand das Wasser reichen konnte. Die letzten Jahre zwar nicht ganz auf der Höhe, aber immer noch mit Leib und Seele dabei. Grande Marcelo!
 
Marcelo, ein absoluter Techniker er hatte geniale Momente, Ehrgeiz und Treue zum Verein!
Allerdings traue ich ihm schon noch min. eine gute Saison zu, sogar eine in der er noch einige Male zum Einsatz kommt. Denke er müsste nur nochmal vermehrt auf seinen Körper und Fitness achten, dann könnte er nochmal überragend sein. Vielleicht hat er noch ein letztes Mal den Biss dazu, ich wünsche es ihm
 
Marcelo, ein absoluter Techniker er hatte geniale Momente, Ehrgeiz und Treue zum Verein!
Allerdings traue ich ihm schon noch min. eine gute Saison zu, sogar eine in der er noch einige Male zum Einsatz kommt. Denke er müsste nur nochmal vermehrt auf seinen Körper und Fitness achten, dann könnte er nochmal überragend sein. Vielleicht hat er noch ein letztes Mal den Biss dazu, ich wünsche es ihm

Marcelo eine der Vereinslegenden und der technisch beste LV, den ich je gesehen habe, keine Frage. Aber im Sommer sollte man sportlich einen Schlussstrich ziehen.
 
Zu aller erst einmal: Gratulation an Marcelo für diesen Rekord. Für mich der mit (großem) Abstand beste Linksverteidiger den ich je gesehen habe (R.Carlos und Maldini habe ich leider nie aktiv spielen sehen) und er wird sportlich schmerzlich vermisst.
 

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