
Überraschender Transfer, verweigerte Leihe
51 Jahre. So lange hielt der Rekord des Francisco „Paco“ Gento als Madrilene mit den meisten gewonnenen Titeln. Nun wurde dieser Rekord geschlagen von einem, der ebenfalls einen langen Weg nach Madrid auf sich nehmen musste. Während der „kantabrische Sturmwind“ 1953 von Racing Santander zu Real Madrid gewechselt war, sollte im Winter 2007 ebenfalls eine weite Reise beginnen. Die des Marcelo Vieira da Silva Júnior.
Sie begann mit einem mysteriösen Anruf in Río de Janeiro: „Eines Tages erhielt ich einen Anruf eines Agenten. Er sagte: ‚Willst du zu Real Madrid?‘“, erinnerte sich Marcelo Jahre später in seiner aufgeschriebenen Lebensgeschichte.
Und die Reise ging weiter mit einem eher überraschenden Wechsel: „Ich schwöre bei Gott, dass ich dachte, ich würde nur für einen Plausch dorthin fliegen. Als ich ankam, um den Klub zu treffen, sah ich den Vertrag auf dem Tisch mit dem Real Madrid-Logo darauf und so – und ich hab den Sch*** so schnell unterschrieben.“
15 Jahre später muss man sagen: Zum Glück hat der brasilianische Wuschelkopf damals nicht genau überlegt und verhandelt. Zum Glück ist er immer „Marcelito“ geblieben, der sich im Sommer 2007 einfach weigerte, sich verleihen zu lassen („Der Klub würde mich verleihen wollen. Sie wollten Erfahrung für mich. Aber ich dachte: Das ist Real. Wenn ich jetzt gehe, könnte ich nie zurückkehren.“). Der sich durchsetzte gegen keinen geringeren als sein Kindheitsidol Roberto Carlos und dessen Spuren so ausfüllte, dass Fußballexperten ins Schwitzen geraten bei der Frage, wer denn nun der beste Linksverteidiger der Geschichte sei. Roberto Carlos konnte von 1996 bis 2007 ganze 13 Titel, erlebte den Aufstieg und Fall der „Galácticos“, leistete sogesehen Pionierarbeit für Marcelo. Der machte sich nicht nur als Sportler, sondern auch als Mensch beliebt und hatte, nicht wie andere vor ihm immer nur eines im haarigen Kopf: Real Madrid.
„Was ich bei Marcelo hervorheben kann, ist, dass er als Spieler wegen der nicht vielen Einsätze gelitten hat, aber weiterhin ein fantastischer Profi ist. Er spürt das Gewicht, der Kapitän dieser Mannschaft zu sein, zeigt eine hohe Professionalität, trainiert sehr gut, steht der Mannschaft immer nahe. Er ist ein perfekter Kapitän“, wusste Carlo Ancelotti erst am Freitag die richtigen Worte über die Nummer 12 zu finden: „Vor ihm als Person und auch als Spieler habe ich großen Respekt. Hoffentlich wird es jeder feiern, dass er der Spieler mit den meisten Titeln ist.“
Gento und Marcelo, nicht wie CR7, Ramos oder Di Stéfano
Und gewiss: Ein jeder wird es, wird ihn feiern! Denn zwischen all diesen maximal ehrgeizigen Alfredo Di Stéfanos, Cristiano Ronaldos und Sergio Ramos‘ wusste Marcelo immer die eine goldene Regel: niemand ist größer als der Klub. Dabei musste er sich in den letzten 15 Jahren immer wieder durchsetzen, gegen sein Kindheitsidol, gegen Reals Leih-Pläne, gegen Fábio Coentrao, der im Finale 2014 startete. Zwar ging es gefühlt nach Marcelos „Peak-Saison“ 2016/17 stetig bergab und Ferland Mendy hat den Stammplatz längst übernommen so wie Karim Benzema die Kapitänsbinde, und doch ist Marcelo – übrigens Reals allererster nicht-spanischer Spielführer – sich und Klub immer treu geblieben. Und auch genau deswegen, wird nicht nur sein 24. Titel mit Real Madrid gefeiert werden, sondern vor allem der Typ Marcelo. 15 Jahre Hingabe, Unterhaltung und eigentlich keine Skandäle, keine Vertragspoker. Und die Karriere des Marcelo, die – sehr wahrscheinlich – im Sommer ein Ende finden wird. Zu gut geht es der Familie in Madrid, zumal Sohn Enzo erfolgreich in der Infantil B (U13) auf Torejagd geht, und zu sehr hat sich Marcelo mittlerweile ein Business aufgebaut mit Fußballschulen, Friseursalons, eigenen Schmuck-Kollektionen und mehr. „Alles hat ein Ende, aber momentan denke ich nicht daran. Ich würde gerne mein ganzes Leben hier bleiben und hier meine Karriere beenden, doch ich bin nicht derjenige, der das allein entscheidet“, erklärte Marcelo zuletzt noch.
Reals Nummer 12 ist die Nummer eins
Er hat sich die weite Reise zugetraut, allen Widrigkeiten getrotzt, die linke Seite beackert – ähnlich wie einst Gento. Auch der ehemalige Ehrenpräsident – definitiv eher „lieber Opa“ als „arroganter Gockel“ – hat mehrere Ären bei Real Madrid miterlebt. In seinen 18 Jahren als Spieler aber „nur“ 21 offizielle Titel gewonnen plus zwei Copa Latinas, und wenn man die „Pequeña Copa del Mundo“ noch hinzu zählt, wären es sogar ebenso 24. So oder so: Reals aktuelle Nummer 12 ist die Nummer eins, und auch wenn Marcelos Karriere noch ein paar Spiele (und vielleicht sogar noch einen Titel) andauern wird – er darf stolz sein auf das Erreichte. Gento hätte sich wohl kaum einen würdigeren Nachfolger vorstellen können. Der Madridismo kann stolz sein auf einen seiner größten Ziehsöhne.
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