
Dank Schiedsrichter-Klage: Staatsanwaltschaft zieht vor Gericht
Welche Fußballfans im „Caso Negreira“ auf Gerechtigkeit und Aufklärung hoffen, konnten diese Hoffnung nicht auf LaLiga setzen. Denn LaLiga-Chef Javier Tebas erklärte bereits, dass aufgrund der internen Verjährungsregeln keine sportlichen Strafen für den FC Barcelona möglich seien (ähnlich verhält es sich wohl auch bei UEFA und FIFA). Dafür wohl auf anderer Ebene: Wie mittlerweile bekannt ist, hat die Staatsanwaltschaft ihre angeblich seit Mai 2022 laufenden Ermittlungen in dem Korruptionsskandal mehr oder weniger abgeschlossen und es wird zu einer Anklage kommen. Das allerdings auch, weil mittlerweile ein Schiedsrichter – Javier Estrada Fernández – selbst Klage erhoben und den Fall so beschleunigt hat.
Wie EL PAIS berichtet, wird der FC Barcelona nun angeklagt und vor Gericht kommen. Und damit nicht, wie Tebas andeutete, eine Einzelperson wie etwa lediglich Ex-Präsident Josep Bartomeu, sondern anscheinend der gesamte Verein wird verantwortlich gemacht und entsprechend vor Gericht gezogen – zumindest so weit es die Verjährungsfristen zulassen.
Barça zahlte von 2001 bis 2018 6,6 Mio. an Schiri-Funktionär
Zur Erinnerung: Nach Untersuchungen des Finanzamts tauchten Zahlungen auf, die inzwischen zu einigen Leaks in der spanischen Medienlandschaft geführt haben. Durch diese Veröffentlichungen ist mittlerweile klar und belegt, dass der FC Barcelona von 2001 bis 2018 fast sieben Millionen Euro an den damaligen Vizepräsidenten des spanischen Schiedsrichterkomitees CTA zahlte. Mittlerweile heißt es sogar, die Geschäftsbeziehung hätte schon in den 90er-Jahren begonnen, allerdings kann das Gericht wohl nur rückwirkend bis 2010 tätig werden. Weder Barça noch der betroffene José María Enríquez Negreira, der jenes Amt von 1994 bis 2018 innehielt, bestritten die Zahlungen, im Gegenteil: Sie bezeichneten diese als mehr oder weniger mündliche Beratung für die Mannschaft, um sich auf Schiedsrichter vorzubereiten, allerdings hatten Ex-Trainer wie Tata Martino oder Ernesto Valverde zu diesen Berichten keine Kenntnis.
Der Vorwurf war also klar: (mögliche) Korruption und Manipulation. Nachdem bis auf Real Madrid (und Barça selbst) alle spanischen Erst- und Zweitligisten eine Erklärung abgaben, hielten sich die Blancos dagegen aufgrund der unklaren rechtlichen Grundlage bisher raus: „Bei Real Madrid müssen wir den Lauf der Justiz respektieren und jetzt den Abschluss der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten, um festzustellen, was passiert ist“, erklärte mit Emilio Butragueño der Direktor für institutionelle Beziehungen.
Die Institution FC Barcelona wackelt noch mehr als eh schon. Denn nun wird eben nicht nur eine Privatperson angeklagt, sondern der gesamte Verein als juristische Person, auch weil von 2001 bis 2018 vier verschiedene Präsidenten die Zahlungen an Enríquez Negreiras Unternehmen „DASNIL 95“ tolerierten, darunter auch der aktuelle Präsident Joan Laporta, der in seiner ersten Amtszeit (2003 bis 2010) die Zahlungen an den einstigen Funktionär sogar erhöht hatte – um das vierfache!
Bartomeu im Fokus, Verjährung bei Laporta
Kurios: Nachdem Enríquez Negreira vor dem Finanzamt bereits Auskunft gegeben hatte, wies er vor der Staatsanwaltschaft auf seine (angebliche) Alzheimererkrankung hin und verweigerte entsprechend weitere Aussagen. Wie EL PAIS berichtet, gehe die Staatsanwaltschaft davon aus, dass es sich um ein fortlaufendes Verbrechen gehandelt hat – ein Verbrechen wegen Korruption, so die Bezeichnung der Anklage. Beweise für ein Korruptionsdelikt seien gegeben, weswegen die Staatsanwaltschaft den Fall nun vor Gericht zieht. Auch Liga-Chef Tebas sagte bereits: „Diese Leistungen hätten niemals erbracht werden dürfen!“ Aber die internen Compliance-Regeln im Verband hätten „nicht funktioniert“.
Wie geht es weiter? Die Staatsanwaltschaft hat laut EL PAIS entschieden, den Fall vor Gericht zu bringen, muss die Klage allerdings noch einreichen, dies wird wohl nach der Formalisierung bis Mittwoch geschehen. Lässt ein Gericht dann die Klage zu (wie in der Regel quasi immer bei Klagen durch die Staatsanwaltschaft), kann über den Fall verhandelt werden und die Parteien müssen sich verantworten. Ob und welche Konsequenzen dann drohen für den Verein und speziell beteiligte Personen wie Bartomeu, Enríquez Negreira und dessen ebenfalls beteiligten Sohn Javier, ist noch nicht klar. Kurios: Bartomeu hatte die Zahlungen 2018 eingestellt, parallel zu Enríquez Negreiras Amtsausscheiden und unter Drohungen des Ex-Funktionärs, und dürfte nun angeklagt werden, wohingegen andere ehemalige Präsidenten wie Laporta wohl mit Verjährung davon kommen und gegen sie im speziellen scheinbar nicht (mehr) ermittelt wird. Ob Fans also auf „wirkliche“ Gerechtigkeit hoffen können, bleibt noch offen.
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