
Militão und Co. müssen aufwachen
Die größte Schwierigkeit dürfte für Carlo Ancelotti und Co. darin bestehen, den Schalter nach etlichen blutleeren und uninspirierten Auftritten in LaLiga wieder umzulegen. Vor allem beim 2:4 in Girona und beim 0:2 bei Real Sociedad präsentierten sich die Königlichen offensiv harmlos und defensiv mitunter katastrophal. So war allein Abwehrchef Éder Militão in den besagten Partien an fünf Treffern unmittelbar beteiligt. Das Auftreten des Brasilianers verleitete sogar Ancelotti, der sich sonst schützend vor seine Spieler stellt, zu einer klaren Ansage: „Er muss aufwachen, und zwar schnell.“
Doch damit dürfte nicht nur Militão gemeint sein. In Girona stand beispielsweise nicht nur der Brasilianer (Note 6) neben sich. Auch Daniel Carvajal (Note 5,5), Antonio Rüdiger (Note 5,5) oder Luka Modrić (Note 4,5) lieferten jeweils erschreckend schwache Performances ab. Bei Real Sociedad fügten sich Daniel Ceballos (Note 4,5) oder Marco Asensio (Note 4,5) nahtlos in die Reihe enttäuschender Leistungen ein. „Eine (solche) Niederlage sorgt immer für Unruhe, hemmt ein wenig die Dynamik und das gute Gefühl. Das ist also nicht die beste Art und Weise, die vor uns liegenden Spiele vorzubereiten“, betonte Ancelotti. Der „Mister“ stellte bei aller berechtigten Kritik aber auch heraus, dass der Fokus der Spieler bereits auf den im Saisonfinale wichtigeren Wettbewerben liegt: „Es ist aber auch klar, dass die Spieler mit dem Kopf beim Finale am Samstag sind und nochmal mehr beim Halbfinale (gegen Manchester City in der Champions League; Anm. d. Red.). Das wirkt sich auf die Konzentration in den Spielen aus und so entstehen die Fehler.“
Zu viele Fehler in LaLiga
Die Spieler selbst, deren Äußerungen nach den beiden schwachen Auftritten rar gesät waren, gaben sich selbstkritisch: „Wir begehen individuelle defensive Fehler, wie schon so oft in der Liga. Mit einem Mann weniger und gegen diesen Gegner… dann ist es sehr kompliziert“, sagte etwa Nacho Fernández am Dienstagabend nach der 0:2-Pleite im Estadio Anoeta. Doch auch für den Routinier ist die Erklärung für die aktuelle Form-Delle eindeutig: „Würde ich sagen, wir hätten nicht daran (das Copa-Finale; Anm. d. Red.) gedacht, würde ich lügen. Wir versuchen immer zu gewinnen, aber auswärts zeigen wir nicht immer unsere beste Version. Wenn du nicht die volle Intensität auf den Platz bringst, gewinnt jedes Team gegen dich.“
Da der FC Barcelona in LaLiga um 14 Punkte enteilt ist, sich am nächsten Spieltag bereits als Meister für eine fast fehlerfreie Saison krönen kann, die Qualifikation für die Königsklasse aber nicht in Gefahr scheint, auch wenn die Blancos derzeit einen Zähler hinter Stadtrivale Atlético Madrid liegen, schmerzen die jüngsten Patzer mit Blick auf den Saisonausgang nur bedingt. Ob die schwachen Auftritte jedoch das Selbstverständnis des Rekordmeisters ankratzen oder gar Zweifel säen, bleibt abzuwarten. Cheftrainer Ancelotti hält ein solches Szenario jedoch für ausgeschlossen: „Ich bin mir sicher, dass wir ein anderes Team sehen werden, mit maximaler Konzentration und Motivation. Fast alle sind fit und sie werden bereit sein, die Copa del Rey zu gewinnen und (in der Champions League) ins Finale zu kommen. Dieses Team ist in dieser Hinsicht besonders.“
Unangenehmer Gegner
Dass die Königlichen es am Samstagabend allerdings mit einem unangenehm zu bespielenden Gegner zu tun bekommen, wird nicht nur mit Blick auf die Tabelle in LaLiga deutlich. So belegen die Nordspanier mit 44 Zählern aus 33 Spielen einen starken neunten Platz und haben sich schon vor Wochen der letzten Abstiegssorgen entledigt. Hinzu kommt, dass das Team von Jagoba Arrasate nicht nur in den Copa-Spielen (etwa beim 1:1 nach Verlängerung in Bilbao) eine immense (Sieger)-Mentalität unter Beweis gestellt hat – in den letzten vier Pokalspielen musste man gar in die Verlängerung.

Eine weitere Stärke des Tabellenneunten liegt in der gut organisierten Defensive (erst 35 Gegentreffer in LaLiga) und der körperlichen Robustheit. So hat das Team aus Pamplona die fünftmeisten gelben Karten in LaLiga gesammelt (84) und spielt pro Partie fast 15-mal Foul (nur zwei Teams noch häufiger). Demnach müssen sich die Blancos auf einen physisch präsenten Gegner einstellen, der ihnen keinen Zentimeter Boden schenken wird. Das haben die Nordspanier zuletzt auch bei der denkbar knappen 0:1-Niederlage beim FC Barcelona unter Beweis gestellt, als sie dem designierten Meister trotz 65-minütiger Unterzahl fast ein Remis abtrotzten. Und auch den Blancos hat der Klub aus Pamplona in den letzten sechs Duellen drei Unentschiede abgerungen – kämpfen und verteidigen, das wird auch Osasunas Devise in ihrem erst zweiten Pokalfinale.
Einige Patzer gegen „Underdogs“
Doch nicht nur der Gegner, sondern auch ein Blick in die Historie dürfte die Alarmglocken an der Conach Espina zum Schrillen bringen. Denn Real und die Pokalfinals gegen „Underdog“ – das ging schon einige Male schief! So verloren die Blancos auf ihrer Jahrhundertfeier am 6. März 2002 im heimischen Estadio Santiago Bernabéu mit 1:2 gegen Deportivo La Coruña, ehe zwei Jahre später in Barcelona eine ebenso wenig zu erwartende Pleite gegen Real Zaragoza (2:3 n.V.) folgte – die Blamage ist heute noch bekannt als „Anfang vom Ende der Galácticos“. Das letzte verlorene Finale datiert aus dem Jahr 2013. Im ausverkauften Estadio Santiago Bernabéu brachte Cristiano Ronaldo den Favoriten im Stadtderby gegen Atlético Madrid damals in Führung (14.), ehe Diego Costa (35.) und Miranda (98.) die Partie zugunsten Atléticos drehten. Vor zehn Jahren war Atlético gerade erst wieder am kommen, so galt der Stadtrivale auch als „Underdog“, weil es sich um José Mourinhos letzten möglichen Titel gehandelt hätte.

Hinzu kommt, dass der Hauptstadtklub ohnehin nur zwei der letzten fünf Copa-Endspiele für sich entscheiden konnten. Im April 2011 rangen die damals von José Mourinho trainierten Blancos Rekordsieger FC Barcelona in einem epischen Finale mit 1:0 nieder. Torschütze war Cristiano Ronaldo in der ersten Halbzeit der Verlängerung. Drei Jahre später bezwangen die zu jener Zeit ebenfalls von Carlo Ancelotti trainierten Madrilenen den Erzrivalen durch Tore von Ángel di María und Gareth Bale mit 2:1. Dass der Rekordmeister jedoch vor allem gegen vermeintliche „Underdogs“ schlecht aussah, unterstreicht die komplizierte Beziehung mit der Copa.
Vorfreude überwiegt
Vor dem Finale überwiegt im Lager der Königlichen trotz all jener Warnungen die Vorfreude: „Ich sage ganz ehrlich – und ich weiß, dass es oft als Normalität wahrgenommen wird: Ich bin einfach schon wieder sehr, sehr froh und stolz auf die Mannschaft, dass wir hier schon wieder im Mai sitzen und Chancen auf zwei richtig gute Titel haben. (…) Im Idealfall genießt man es ab jetzt schon. Wenn man Spiele genießt, hat es nichts damit zu tun, dass man auch nur ein Prozent weniger gibt. Aber es sind halt Spiele zum Genießen“, betonte etwa Toni Kroos in seinem Podcast „Einfach mal Luppen“ jüngst.
Klar scheint, dass Ancelotti und Co. im Olympiastadion „La Cartuja“ von Sevilla eine komplett andere Mentalität an den Tag legen müssen als in den vergangenen Liga-Spielen. Dann sind die Merengues klarer Favorit und dürften gute Chancen auf Copa-Sieg Nummer 20 haben. Sollte sich der Negativlauf fortsetzen, dürften die Vorzeichen vor dem Champions-League-Kracher gegen Manchester City ebenfalls deutlich schlechter stehen.
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