
Barça zahlte 18 Jahre lang 7 Mio. Euro an den Schiedsrichter-Vizepräsidenten
Paukenschläge in der Causa Nagreira! Nachdem der verantwortliche Richter Joaquín Aguirre López schon Anfang September von „systemischer Korruption“ sprach, die durch eine „neuartige Methode“ des Schiedsrichterkaufens kommt, ist am Donnerstag noch mehr passiert. So wurde nicht nur die 21-seitige Zusammenfassung des Richters veröffentlicht, beim Verband RFEF kam es zudem zu einer zwölfstündigen Aktenuntersuchung. REAL TOTAL fasst zusammen:
- Razzia der Guardia Civil bei der RFEF: Von Donnerstagmorgen bis -abend hat die spanische Bürgergarde den Nationalverband nach Belegen rund um ihren ehemaligen Verantwortlichen José María Enríquez Negreira untersucht.
- Negreira war von 1997 bis 2018 einer von drei Vizepräsidenten des spanischen Schiedsrichterkomitees CTA. Er erhielt von 2001 bis 2018 mehrere Zahlungen vom FC Barcelona in Gesamthöhe von 7,5 Millionen Euro. Anfangs betrugen die Zahlungen „nur“ 73.000 Euro, später waren es bis zu 728.000 Euro. Diese Zahlungen geschahen unter vier unterschiedlichen Präsidenten, darunter auch unter dem aktuellen Präsidenten, Joan Laporta, in dessen erster Amtszeit (2004 bis 2010).
- Der Vorwurf, der im Frühjahr 2023 erstmals aufkam: Hat Barça das spanische Schiedsrichtersystem durch als Beratung verschleierte Zahlungen, unter anderem an Negreiras Unternehmen DASNIL 95, korrumpiert, um daraus sportliche Vorteile zu erschleichen?
- Negreiras Funktionen und Aufgaben waren laut Richter unter anderem „die Qualifizierung von Schiedsrichtern sowie die Beförderung und der Abstieg von Schiedsrichtern“, bei dem ihm eine „erheblicher Bedeutung“ zugute kam. Da es sich um eine „neuartige Form möglicher unrechtmäßiger Vergütung“ handelt, geht es nicht primär um einzelne Zahlungen an Schiedsrichter, sofern es diese überhaupt gab, eher wurden Schiedsrichter anders belohnt: Abstellung zu Copa-Finals, Clásicos, Länderspiele und auch Abstellungen zu den Turnieren von UEFA und FIFA. Grob gesagt: Wer nach Negreiras Pfeife tanzte, wurde eher bevorzugt, aber wenn ein Schiedsrichter gewisse, uneindeutige Entscheidungen eher gegen den Geschmack des Spaniers pfiff, ist eher abgestiegen.
- So lässt sich diese „systemasche Korruption“ nicht auf ein Spiel oder einen Schiedsrichter festlegen, es geht um den 18-jährigen Zeitraum, in denen es bereits zu Kuriositäten kam, wie dass der FC Barcelona beispielsweise von 2016 bis 2018 auf ein Elfmeter-Verhältnis von 33:3 und ein Rot-Verhältnis von 4:23 kam. Von 2004 bis 2021 gehen die Zahlen teilweise noch auseinander, so hatte in diesen 17 Spielzeiten Barça ein Rot-Verhältnis von +55, am nähesten dran war da nur der FC Sevilla mit +17. Zum Vergleich: Real Madrid lag bei -5. Siehe Video aus dem Jahr 2021:
SALDO DE TARJETAS ROJAS
(SOLO LIGA ESPAÑOLA)Evolución desde 2004/05 hasta MAYO 2021, 17 temporadas
FCB +55
SEV +17
ATM +10
ATH +6VAL -5
RMA -5(Quito el ESP temporalmente)
NUEVO VIDEO CON LA EVOLUCIÓN: pic.twitter.com/xShSqoZpJt
— Juanpa (@juanpfrutos) June 4, 2021
Neu: Was Richter Aguirre Barça und Co. vorwirft
- Ganz neu ist jetzt der „Bericht“ des Richters Joaquín Aguirre. COPE hat die 21 Seiten veröffentlicht, EL MUNDO hat es zusammengefasst. In diesem erhärten sich die Vorwürfe, teilweise ergibt sich sogar ein noch verheerenderes Bild. Auch wenn deutlich gemacht werden muss: Es handelt sich primär um Belege, an klaren Beweisen mangelt es hingegen, aber das stellt laut Aguirre kein Hindernis dar für eine Verurteilung.

- Der Richter kommt zu dem Schluss, dass „die Zahlungen zu den vom FC Barcelona gewünschten Effekten führten“ und behauptet weiter „dass die Zahlungen an die Familie Enríquez (angeklagt ist auch der Sohn Javier Enríquez Romero; d. Red.) dazu dienten, dass er Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung seines Amtes vornahm“.
- Im Fokus und unter Anklage stehen nun folgende Personen: José María Enríquez Negreira und sein Sohn Javier, die ehemaligen Barça-Präsidenten Sandro Rosell und Josep Maria Bartomeu (bis zu Laportas erster Amtszeit 2010 gilt scheinbar Verjährung), den ehemaligen Barça-Direktoren Óscar Grau und Albert Soler, Negreiras Firma DASNIL 95 SL, aber auch der FC Barcelona selbst als juristische Person.
- Anklage gegen Barça ist primär Bestechung, aber es geht auch um weitere Straftaten wie Sport-Korruption und Urkundenfälschung.
- Zu diesen Schlüssen kommt Richter Aguirre nicht nur, weil die Zahlungen regelmäßig gestiegen sind aufgrund des offensichtlichen Erfolgs, sondern auch weil diese eingestellt wurden „sobald Enríquez Negreira nicht mehr Vizepräsident des CTA war. Die vom FC Barcelona geleisteten Zahlungen entsprachen aufgrund ihrer Dauer und jährlichen Erhöhung logischerweise den Interessen des Vereins. Daraus folgt auch, dass die Zahlungen die gewünschten schiedsrichterlichen Auswirkungen für den FC Barcelona hatten, so dass eine Ungleichbehandlung anderer Mannschaften und die daraus resultierende systemische Korruption in der gesamten spanischen Schiedsgerichtsbarkeit vorgelegen haben muss“.
- Dazu kommt ein verhängnisvoller Brief von Negreira aus dem Sommer 2018, den er nach Barças „Kündigung“ verschickt hatte und den man als Erpressung verstehen kann. „Angesichts dessen schickte dieser einen einschüchternden Brief an den ehemaligen Präsidenten des FC Barcelona Bartomeu, in dem er ihm mitteilte, dass er eine Reihe von Fakten enthüllen wolle, die dem Verein ernsthaft schaden könnten, wenn er nicht weiter bezahlt würde. Daraus lässt sich ableiten, dass Negreira wusste, dass zu Gunsten des FC Barcelona rechtswidrige Handlungen von erheblichem Ausmaß stattgefunden hatten“.
- Spannend: Zwar fehlen weiter klare Beweise, aber diese muss es scheinbar gar nicht geben. So formuliert es zumindest der Richter: Der Straftatbestand der Bestechung sei „mit der Zahlung erfüllt, unabhängig davon, ob die systemische Korruption als Folge dieser Zahlungen nachgewiesen wird oder nicht.“
- Schlussendlich kommt der Richter zu dem Schluss, dass Barça bewusst auf eine „traditionelle Zahlungsmethode“ verzichtet hat, um die Zahlungen zu verstecken. Es ging nicht darum, ein bestimmtes Spiel zu kaufen, stattdessen sollen diese fortgesetzten und regelmäßig erhöhten Zahlungen eine „neuartige Form einer möglichen unrechtmäßigen Vergütung“ darstellen, weswegen es laut Richter zu einer „möglichen systemischen Korruption“ gekommen sein könnte.
Ende: noch nicht in Sicht – Verurteilung und Strafen möglich
Was all das nun zu bedeuten hat und in welcher „juristischen Phase“ man sich nun befindet, ist nicht ganz klar. Anklage wurde eigentlich längst erhoben, eine Verurteilung ist dieser „Bericht“ aber natürlich noch nicht. Gut möglich, dass es bald zu Gerichtsverhandlungen kommt, damit sich die Gegenseite verteidigen kann. Erstmal muss die Gegenseite scheinbar Einspruch gegen diesen „Bericht“ erheben.
Welche Konsequenzen genau drohen, ist ebenso noch nicht klar, aber zumindest kann der FC Barcelona als juristische Person zur Verantwortung gezogen werden. Und das vermutlich auch ohne klare Beweise wie nachweisbare Zahlungen an Schiedsrichtern, zu denen es vermutlich ohnehin nie gekommen ist. Nochmal: Richter Aguirre denkt, dass die Zahlungen bereits eine Straftat darstellen, da das angebliche Ziel darin bestand, „das Ergebnis bestimmter Spiele zu verändern“. Ob und wie das reicht und zu einem Gerichtsurteil und gewissen Strafen – nicht nur für „ehemaligen Aktive“ wie Bartomeu, Negreira und Co. – muss weiter abgewartet werden.
Für noch mehr Details lohnt sich der Artikel von EL MUNDO oder man liest direkt den 21-seitigen und von COPE veröffentlichten Bericht.
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