Historie

„Du wirst nie wieder hier spielen!“ Als Capello knallhart war, und das Team sich für Beckham einsetzte

David Beckham liebte Real Madrid. Als Alex Ferguson den Flügelstürmer bei Manchester United nicht mehr haben wollte, sah der Engländer den Wechsel nach Spanien als einzig richtigen Schritt. Doch anstatt Titel am Fließband zu sammeln, wechselte Real ununterbrochen seine Trainer. Unter Fabio Capello saß der Superstar auf der Bank und privat machte die Presse ihm und seiner Familie das Leben zur Hölle. Aber der Engländer kämpfte und beeindruckte nicht nur seine Kollegen, sondern auch seinen Trainer, bis er in seinem allerletzten Spiel schließlich doch noch seinen ersten großen Titel holte.

933
David Beckham, Fabio Capello
Capello war Beckhams sechster Trainer in Madrid, aber es endete mit einem großen Happy End – Foto: JAVIER SORIANO/AFP via Getty Images

Nach Manchester: Beckhams „Zuflucht“ bei Real Madrid

„Er ist geboren, um für Real Madrid zu spielen.“ Wenn Florentino Pérez so etwas im Nachhinein über einen sagt, muss es sich wirklich um einen Galáctico handeln. So war es auch bei David Beckham, der zur Saison 2003/04 von Manchester United in die spanische Hauptstadt wechselte. Während der Geschäftsmann die mit dem Transfer steigenden Einnahmen für seinen Klub im Kopf hatte, fragten sich andere: Wo soll der Engländer spielen? Luís Figo war zu dieser Zeit auf der rechten Seite gesetzt und nicht mal Beckham sah sich in der Position, einfach so zum Portugiesen zu gehen und zu sagen: „Also ich bin jetzt da, und wo wirst du spielen?“

Nach einiger Zeit schien es, als könnte es trotz des offensiven Übergewichts auf dem Platz funktionieren. Allmählich fand sich Beckham ins Team ein und verstand, dass er es mit einer eingeschworenen Einheit zu tun hatte. In seiner vierteiligen Netflix-Doku „Beckham“ erinnert sich der heute 48-Jährige: „In meiner ersten Saison dachte ich jedes Mal, wenn Real zurücklag: Warum lacht ihr? Und dann kam Ronaldo zu mir und sagte: ‚Keine Sorge, wir werden noch treffen.‘“ Meist klappte das auch, doch das Gerüst der unbesiegbaren Galácticos bekam schon in Beckhams erster Saison erhebliche Risse. In der Vorsaison hatte Real unter Vicente del Bosque noch den Ligatitel geholt. Da der Fußball des späteren spanischen Nationaltrainers für Pérez jedoch zu unspektakulär war, musste er trotz des Titels gehen.

Saison 2003/04: Die „Galácticos“ fallen in sich zusammen

Unter Carlos Queiroz, den Beckham noch aus seiner Zeit in Manchester kannte, warfen die Blancos mit der damals längsten Niederlagenserie aller Zeiten die Meisterschaft weg. Die letzten fünf Spiele gingen alle verloren und mit zehn Pleiten im gesamten Saisonverlauf beendeten Figo, Ronaldo, Beckham und Co. das Jahr hinter Meister Valencia, dem FC Barcelona und Deportivo La Coruña auf einem niederschmetternden vierten Platz. In der Königsklasse schied man zudem im Viertelfinale gegen AS Monaco aus und die Copa del Rey ging im Finale an Zaragoza – bekannt als der Anfang vom Ende der Galácticos.

Beckhams erste Saison bei Real Madrid entwickelte sich zur Farce – Foto: Bru García/ AFP via Getty Images

Für Reals Neuzugang war es weder auf dem Platz noch abseits dessen eine einfache Zeit. Der Flügelstürmer war immer ein Familienmensch, doch im ersten Jahr musste Ehefrau Victoria wegen der Kinder Brooklyn und Romeo noch in London bleiben. Hinzu kam: Die spanische Presse zerriss das ehemalige Spice Girl regelmäßig in der Luft und ging so weit, Beckham eine Affäre anzudichten. Diese Situation war für den damals 29-Jährigen kaum auszuhalten. „An manchen Tagen dachte ich: Wie soll ich heute auf das Feld gehen, wie soll ich das machen? Ich fühlte mich körperlich krank, jeden Tag, wenn ich meine Augen öffnete“, blickt er zurück.

Bankplatz unter Capello: „Es hat mich umgebracht“

Eine Welle an Trainerwechseln sollte folgen. Queiroz durfte seine Sachen nach der verkorksten Saison 2003/04 packen. Im Laufe der folgenden zwei Spielzeiten saßen mit Camacho, Mariano García Remon, Vanderlei Luxemburgo und Juan Ramón López vier Trainer auf der Bank der Königlichen. Im Februar 2006 trat dann Pérez selbst wegen der schlechten Leistungen schließlich als Präsident zurück. Der neue Mann auf dem „Thron“ hieß Ramón Calderón – und an der Seitenlinie stand ab Sommer 2006 Fabio Capello. Für David Beckham, der seit seiner Ankunft bis auf die Supercopa keinen einzigen Titel geholt hatte, wurde es nur noch schlimmer. Unter dem Italiener saß der Fan-Liebling oft auf der Bank: „Das hat mich umgebracht“, erzählt Beckham, der von sich selbst behauptet: „Ich glaube, es gibt niemanden, der diesen Sport mehr liebt als ich.“ Die Unzufriedenheit des englischen Nationalspielers war förmlich zu spüren und ein Mann wusste diese Situation für sich auszunutzen: Tim Leiweke, Besitzer von LA Galaxy. Der Hype um den Engländer war auch dem US-Amerikaner nicht ferngeblieben und so wollte er die Major League Soccer mit seiner Verpflichtung „zu einer der großen Ligen“ formen.

Capello knallhart: „Du spielt nie wieder für mein Team“

Obwohl Beckham eigentlich kein Interesse an den USA hatte, sondern bei Real Madrid zurück ins Team finden wollte, wurde ihm allein der Kontakt – aufgrund des auslaufenden Vertrags durchaus legal, aber damals eben noch verpöhnt – zu Leiweke zum Verhängnis. Unerwartet rief ihn Fabio Capello in sein Büro und fragte, ob er mit anderen Vereinen kommuniziere. „Und dann sagte er: ‚Dann wirst du nie wieder für Real Madrid spielen.‘ Und ich sagte: Was? ‚Du wirst nie wieder für mein Team spielen‘“, erinnert sich der Offensivmann immer noch sichtlich getroffen.

Capello selbst erzählt in der Doku, der Verein habe sich auf den Schlips getreten gefühlt. Beckham, der nun keinen anderen Ausweg mehr sah, unterschrieb den Vertrag bei den Amerikanern zur Saison 2007/08. Wie schon bei Manchester United wurde er förmlich gezwungen, einen Verein zu verlassen, den er eigentlich liebte. Und es wurde noch schlimmer: Capello ging so weit, ihn daraufhin komplett vom Mannschaftstraining auszuschließen. Einzeltraining für „Becks“, doch nicht mal dann warf er das Handtuch.

Wegen seiner Unterschrift bei LA Galaxy wurde Beckham vom Mannschaftstraining ausgeschlossen – Foto: Philippe Desmazes/AFP via Getty Images

Beckham kämpft: „Wollte bleiben, auch wenn ich nicht gewollt war“

„Auch wenn ich nicht gewollt war, wollte ich bleiben“, erzählt er. Er trainierte wochenlang allein und während der Spiele saß er mit seiner Familie auf der Tribüne. Nicht mal Ehefrau Victoria verstand noch, wo der unermessliche Wille ihres Mannes herkam: „Er hat einfach weitergemacht. Warum hat er nicht einfach gesagt: ‚Ich habe keine Lust mehr‘?“ Seine Teamkollegen versuchten dem Coach ins Gewissen zu reden, so berichtet Ronaldo: „Es war schwer, ihn nicht mit dem Team trainieren zu sehen. Wir haben mit Capello geredet. ‚Bitte lass’ ihn mit uns trainieren.‘“ Der Italiener zeigte sich lange unbeeindruckt, bis er sah, dass der junge Engländer einfach nicht nachließ. „Ich war überrascht, dass er weiter so hart arbeitete.“ Die Entscheidung, die er dann traf, sollte den Wendepunkt der Saison darstellen. Es war der 31. Spieltag, Real stand nach einigen Patzern – zwischenzeitlich wurde nur einer von sieben Spieltagen gewonnen – nur noch auf dem dritten Platz, als David Beckham nach sechs Wochen erstmals wieder den Rasen betrat – in der Startelf. Mit ihm auf dem Platz hatte das Team plötzlich wieder das Gefühl „wir werden die Liga gewinnen“, erzählt Míchel Salgado. Inklusive dem 2:1-Sieg gegen Valencia sollten Beckham in seinen letzten sieben Liga-Partien noch vier entscheidende Vorlagen gelingen.

David Beckham Real Madrid
An seinem letzten Tag bei Real Madrid holte Beckham seinen ersten großen Titel – Foto: Denis Doyle/Getty Images

Erster großer Titel im letzten Spiel der letzten Saison

Denn Real gewann Woche für Woche, und das knapp beziehungsweise nach Rückständen. Bis am letzten Spieltag eine weitere Remontada gegen Mallorca – das Team, gegen das Beckham im Sommer 2003 seinen allerersten Treffer erzielt hatte – reichte, um die Meisterschaft zu holen. Die Mallorquiner zeigten sich stark, gingen im Bernabéu in Führung und dann der Schock: Beckham musste wegen einer Verletzung an der Achillessehne raus. Er selbst sagt: „Es sollte einfach nicht sein. Doch in dem Moment ging es nicht um mich, sondern um das Team.“ Und das Team hielt zusammen, verwandelte ein 0:1 innerhalb von 15 Minuten in ein 3:1. Der Held hieß nicht Beckham, sondern José Antonio Reyes. Den Kampfgeist zurückgebracht hatte allerdings genau dieser David Beckham, der nach drei schweren Jahren seinen ersten galaktischen Moment bei Real Madrid erleben durfte – die Meisterschaft der verrückten, weil am Ende mit Barça punktgleichen Saison 2006/07. Dass es auch der letzte Titel bleiben würde, hatte vor allem der scheidende Fabio Capello zu verschulden, denn obwohl Real alles tat, um Beckham nach diesem Saison-Finish zu halten – seine Entscheidung stand fest und sie hieß LA Galaxy.

Jetzt bestellen: Die Neuausgabe von „Mythos Real Madrid“

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes

Verwandte Artikel

Von Özil bis Vinícius: Real Madrids Assist-Könige

Den Top-Torjägern im Spitzenfußball winken Glanz und Ruhm, während die Vorbereiter oft...

„Ein Mann des Klubs“ – Del Bosques leiser Abschied und lautes Vermächtnis

Er war Spieler, Jugendtrainer, Koordinator, Chefcoach – und Symbolfigur einer Ära. Vicente...

El Clásico: Statistiken und Historisches

El Clásico ist zurück! Am Sonntag (16:15 Uhr) begegnen sich Real Madrid...

Als Henry die „Galácticos“-Ära und Pérez-Amtszeit beendete: Böse Erinnerungen an Arsenal

Endlich ein Champions-League-Viertelfinale, in dem es nicht gegen Manchester City, Chelsea, den...