
Real macht sich unnötig „klein“
Als Carlo Ancelotti wenige Stunden vor dem Rückspiel gegen RB Leipzig die Startelf bekanntgab, schien es schlüssig, was der Italiener sich ausgedacht hatte. Ein defensiverer Ansatz, um den Gegner herauszulocken und Platz für Tempogegenstöße zu bekommen. Mit Toni Kroos, Eduardo Camavinga, Aurélien Tchouaméni und Federico Valverde bot Reals Coach ein Mittelfeld auf, das auf dem Papier sowohl Kontrolle als auch Tempo und Dynamik versprach. In der Praxis sah das Ganze am Mittwochabend über weite Teile des Spiels anders aus. Es fehlte sowohl an Dynamik als auch an Kontrolle im Zentrum, und Umschaltmomente – wenn es sie gab – verpufften schon im Ansatz. Neben Vinícius Júnior fehlte vorne eindeutig eine weitere Anspielstation mit Geschwindigkeit, um den Leipzigern ernsthaft wehzutun. Ein übliches 4-4-2-System mit Rodrygo Goes oder Brahim Díaz als zusätzlicher Spitze wäre vermutlich ausreichend gewesen, um mehr Gefahr durch schnelles Umschalten zu erzeugen.
Ancelotti passte seinen Matchplan dem Gegner an und machte ihn dadurch nur noch stärker. Leipzig schien von der Tatsache, dass das große Real Madrid sich nach ihnen richtet, zusätzlich beflügelt worden zu sein, trat noch entschlossener und selbstbewusster als im Hinspiel auf. Die Blancos hingegen fremdelten mit dem ungewohnten Ansatz sichtlich von Beginn an, die Mannschaft fühlte sich nicht wohl und wirkte seltsam lethargisch. Der Trainer sendete sowohl seinem Team als auch dem Gegner hier die falschen Signale. Bei allem Respekt für den Red-Bull-Klub: Real Madrid darf sich in einem Heimspiel gegen einen solchen Gegner nicht kleinmachen. Die Mannschaft sollte in diesen Situationen in der Lage sein, ihren üblichen Stiefel herunterzuspielen und den Vorsprung aus dem Hinspiel routiniert auszubauen.
Ancelotti zeigt sich einsichtig
Der Real-Coach gestand den Fehler immerhin unumwunden ein. „Wenn Kritik angebracht ist, musst du sie akzeptieren. Heute ist sie vollkommen verdient. Die Pfiffe am Ende waren vollkommen verdient. Man braucht so ein forderndes Publikum wie im Bernabéu. Sie hofften, dass wir durch die Pfiffe aufwachen würden. Ich bin zufrieden, weil wir im Viertelfinale stehen, aber auch kritisch, weil wir nicht gut gespielt haben. Ob ich dieselbe Elf nochmal wählen würde? Auf keinen Fall“, zeigte sich der Italiener selbstkritisch auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Ancelotti erklärte ausführlich, was seine Idee mit der Aufstellung war, sah aber auch ein, dass sie überhaupt nicht gegriffen hatte und die Mannschaft nur lähmte. Gegen einen Gegner größeren Formats hätten die Königlichen am Mittwochabend noch deutlich mehr Probleme bekommen. Sicher ist auch, dass es in dieser Form, mit diesem Ansatz und dieser Einstellung gegen keinen der möglichen Gegner im weiteren Verlauf der Champions League reichen würde. Die Reaktionen des 64-Jährigen lassen jedoch keinen Zweifel daran zu, dass er das selbst sofort verstanden hat. Außerdem attestierte er seiner Mannschaft eine Schwäche bei eigenen Führungen, die es so schnell wie möglich abzustellen gelte.
Durchhalten bis zur Länderspielpause: Hoffnung auf Rückkehrer
Nicht nur die schnelle Einsicht des Trainers macht Mut für den weiteren Saisonverlauf. Trotz aller berechtigten Kritik an der Auf- und Einstellung stand das Weiterkommen gegen Leipzig zu keinem Zeitpunkt richtig auf der Kippe. Es gab einige kritische Momente, doch sowohl vor der Führung als auch nach dem Ausgleich zeigten die Blancos zumindest in Ansätzen, dass sie die Drehzahl jederzeit erhöhen können. So ist davon auszugehen, dass die Mannschaft gegen noch deutlich stärkere Gegner ein anderes, nämlich ihr wahres Gesicht zeigen wird. Es hatte den Anschein, als würde das Team auch von sich aus nur das Allernötigste tun, um das Weiterkommen zu sichern, was angesichts der mentalen und physichen Anstrengungen, durchaus nachvollziehbar ist – es war schon das 39. Saisonspiel, die Siegquote von 79,5 Prozent ist die beste in diesem Jahrtausend. In den vergangenen Wochen sind den Merengues daher die Spuren der seit Saisonbeginn anhaltenden Verletzungsmisere durchaus anzumerken – sie wirken nicht frisch, es fehlt immer mehr an Energie.
Zwei Spiele sind vor der Länderspielpause, nach der sich der aktuelle LaLiga-Tabellenführer offensichtlich sehnt, noch zu absolvieren: Zunächst kommt Celta ins Estadio Santiago Bernabéu (Sonntag, 18:30 Uhr), anschließend geht es nach Pamplona, wo Real es mit CA Osasuna zu tun bekommt. (16. März, 16:15 Uhr). Danach ist für einige Spieler immerhin ein wenig Durchschnaufen angesagt. Außerdem lichtet sich langsam das königliche Lazarett – solch eine Spielzeit mit so vielen Verletzungen haben die Madrilenen schon lange nicht mehr erlebt. Mit David Alaba (Kreuzbandriss) wird es voraussichtlich aber nur einen Spieler geben, der in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz kommen wird, die anderen beiden Langzeitverletzten Thibaut Courtois und Éder Militão arbeiten fleißig an ihren Comebacks. Ancelotti verriet so am Mittwoch noch, dass beide bis zum Champions-League-Viertelfinale (16./17. April) wieder einsatzbereit sein werden. Vor allem die Rückkehr des brasilianischen Innenverteidigers wäre eminent wichtig für die kommenden Aufgaben – kann aber auch nicht der ganz große Hoffnungsträger, mit dem garantiert alles wieder besser wird, sein. Denn der teilweise gegen RB präsentierte Angsthasenfußball ist nicht primär auf die ABwehrspieler zurückzufahren und ein No Go für Real Madrid!
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