Analyse

Suboptimales Gegenpressing, fehlender Stratege: Darum wackelt Reals Abwehr

Mal wieder mit einem blauen Auge davongekommen... Bei Celta konnten die Blancos trotz einer keineswegs gänzlich überzeugenden Leistung einen 2:1-Arbeitssieg einfahren. Doch auch wenn der amtierende Meister dank des späten Vinícius-Treffers zumindest bis Sonntagabend punktgleich mit Tabellenführer Barcelona ist und zudem auch seine Ungeschlagen-Serie ausbauen konnte, hinterlässt der Auftritt in Vigo einige Fragezeichen. Insbesondere defensiv wirken die Blancos trotz ordentlicher Statistiken anfällig wie lange nicht mehr. REAL TOTAL analysiert die Gründe für die zumindest in der subjektiven Wahrnehmung wackelige Abwehrleistung.

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Haben Redebedarf: Aurélien Tchouaméni und Antonio Rüdiger können mit der defensiven Balance der Merengues nicht zufrieden sein – Foto: Denis Doyle/Getty Images

Schaut man sich lediglich die nackten Zahlen an, so könnte Real Madrid derzeit kaum erfolgreicher performen: Dank des 2:1-Siegs gegen RC Celta sind die Blancos seit mittlerweile 42 Spieltagen ohne Niederlage in LaLiga und befinden sich mit Blick auf eine mögliche Titelverteidigung in einer guten Ausgangslage. Über eine Saison ungeschlagen zu bleiben – die letzte Niederlage setzte es im September 2023 bei Stadtrivale Atlético – das schaffte zuvor nur der FC Barcelona.

Und auch in puncto Punkteschnitt sind die Schützlinge von Carlo Ancelotti mit 24 Punkten nach zehn Spieltagen (2,4 Punkte pro Spiel) schon fast auf dem Niveau der Vorsaison (95 Punkte aus 38 Partien; 2,5 Punkte pro Spiel). Die Defensive ist mit gerade einmal sieben Gegentreffern (0,7 Gegentore pro Spiel) nach der Abwehrreihe von Atlético (fünf Gegentore in neun Spielen) statistisch die beste Hintermannschaft in LaLiga. Wenn man die bisherigen Auftritte genauer beleuchtet, werden jedoch einige Schwächen deutlich, die das Prunkstück der Gala-Saison 2023/24 so wackelig wie lange nicht mehr erscheinen lassen.

1. Das Fehlen eines klaren Abwehrchefs

Auch wenn Antonio Rüdiger, derzeit ohne Frage das Gesicht der königlichen Abwehrkette, mit spektakulären Rettungsaktionen und seiner enormen physischen Präsenz in den vergangenen Monaten immer stärker in der Gunst des Madridismo gestiegen ist, kann der Deutsche die Rolle des Abwehrchefs nicht in Gänze ausfüllen. So agiert der 31-Jährige zwar immer wieder als emotionaler Leader, erzwingt sogar offensiv regelmäßig entscheidende Situationen und erfüllt zudem seine Kernaufgabe, das Abwehrspiel, auf höchstem Niveau. Mit 65 Prozent gewonnenen Zweikämpfe (75 Prozent gewonnene direkte Duelle am Boden; 57 Prozent gewonnene Luftduelle) übertrifft der deutsche Nationalspieler nach zehn Spieltagen im Übrigen sogar die starken Zweikampfquoten der vergangenen beiden Spielzeiten (jeweils 59 Prozent).

Nichtsdestotrotz mangelt es den Blancos seit der langwierigen Alaba-Verletzung und des Nacho-Abgangs an einem Defensivstrategen. So können weder Rüdiger noch Éder Militão die Abwehrkette der Blancos mit einem kühlen Kopf führen. Zwar weisen sowohl Rüdiger (92 Prozent Passquote; 97 Prozent Passquote in eigener Hälfte, 83 Prozent Passquote in gegnerischer Hälfte) als auch Militão (91 Prozent Passquote; 94 Prozent Passquote in eigener Hälfte, 84 Prozent Passquote in gegnerischer Hälfte) ähnliche Zahlen wie Alaba (89 Prozent Passquote; 95 Prozent Passquote in eigener Hälfte, 79 Prozent Passquote in gegnerischer Hälfte) oder Nacho (92 Prozent Passquote; 95 Prozent Passquote in eigener Hälfte, 87 Prozent Passquote in gegnerischer Hälfte) auf. Trotz der Souveränität im Passspiel sind beide kein klassischer Leitwolf, der den Rhythmus des Spiels von der hintersten Linie aus beeinflussen oder gar diktiert, auch durch besondere kommunikative, anfeuernde Fähigkeiten. Dass beide Innenverteidiger eher „physische Draufgänger“ sind, ist in so mancher Partie ein Faktor dafür, dass Real Madrid die gewohnte Dominanz und Kontrolle abgehen.

2. Defensive Disziplin und Gegenpressing optimierungsbedürftig

Den Grund für die aktuell wenig ausbalanciert wirkende Defensivleistung lediglich am Fehlen eines Defensivstrategen festzumachen, wäre angesichts des Weltklassekaders der Merengues allerdings zu undifferenziert. Ein zentrales Problem scheint derzeit die Disziplin im Spiel gegen den Ball zu sein. So ist die Kontersicherung des Rekordmeisters oftmals nicht optimal – wie schon gegen Stuttgart gesehen. Beispielhaft dafür die Riesenchance von Swedberg in der achten Minute, als die Defensive der Gäste mit einem einzigen langen Ball bloßgestellt wurde. In dieser Szene hatten die Königlichen das Glück auf ihrer Seite.

In dieser Szene sichert lediglich Militão (grün) den Konter, Rüdiger, Tchouaméni und Valverde sind viel zu weit weg und können nicht mehr eingreifen – Screenshot: DAZN

Damit verwoben sind die fehlende Galligkeit im Defensivspiel und das folglich weniger effektive Gegenpressing sowie das mitunter schläfrige (defensive) Umschaltverhalten. Gewann der Rekordmeister in der Vorsaison viele Bälle durch ein extrem aggressives Gegenpressing zurück, wirkt es so, als würde dieses in der veränderten Statik im Spiel des amtierenden Meisters und Champions-League-Siegers noch längst nicht so reibungslos und geradezu automatisch funktionieren. So ging Swedbergs Top-Chance ein Angriff über Kylian Mbappé voraus. Nachdem dessen Hereingabe geklärt wurde, reagierte lediglich Camavinga blitzschnell. Vinícius und Fran García wirkten nicht gedankenschnell und griffig genug.

In dieser Szene funktioniert das Gegenpressing der Blancos nicht wie gewünscht, lediglich Camavinga (grün) überzeugt mit Handlungsschnelligkeit – Screenshot: DAZN

Nach dem verpufften Gegenpressing verpassten es Tchouaméni und Co., die Distanz zum eigenen Tor schnell zu verringern. Zudem sicherte lediglich Militão auf letzter Linie.

Rüdiger, Tchouaméni und Valverde (rote Kreise) erkennen zu spät, dass das Gegenpressing verpufft, und setzen sich daher nicht früh genug ab, in der Folge entscheidet sich Militão, den langen Ball ballnah zu verteidigen, kann die Verlängerung dieses Zuspiels aber nicht verhindern – Screenshot: DAZN

3. Personeller Engpass – 3-4-3-Experiment scheitert

Weil neben Alaba nun auch mit Dani Carvajal eine absolute Größe – physisch wie psychisch – in der Viererkette fehlt, sah sich Trainer Carlo Ancelotti genötigt, mit einer Dreierkette plus aktiver Schienenspieler zu agieren. Beim spielerisch starken Gegner aus Galicien war jedoch zu spüren, dass Tchouaméni, Rüdiger und „Mili“ große Probleme hatten, die Tiefe zu sichern. Insbesondere auf den Halbverteidigerpositionen wackelten die Gäste gehörig – zumal in manchen Situationen beide Halbverteidiger deutlich zu hochschoben.

Logischerweise benötigt jede Systemumstellung von dieser Tragweite auch auf Top-Niveau einige Spiele, bis die Automatismen gefestigt sind. Dass eine Dreierkette in dieser Konstellation gegen Gegner wie den FC Barcelona oder auch Borussia Dortmund funktionieren wird, ist eher unwahrscheinlich. Sinnvoller (und realistischer) ist eher, dass neben zwei Innenverteidigern (voraussichtlich Rüdiger und Militão) mit Ferland Mendy ein defensiv orientierter Außenverteidiger eingesetzt wird, um die defensiven Schwächen und den Offensivdrang von Lucas Vázquez zu kompensieren. Sinnvoll erscheint zudem, den Sechserraum vor der Viererkette mit einem klaren, defensiv orientierten Abräumer (voraussichtlich Tchouaméni) besser zu kontrollieren. Das 3-4-3-System dürfte trotz der personellen Probleme und der Nachvollziehbarkeit dieses Experiments keine wirkliche Alternative darstellen.

Fazit: Offensichtliche Stellschrauben drehen

Die Gründe für die zumindest in der subjektiven Wahrnehmung wackeligen Defensive des spanischen Rekordmeisters sind vielseitig. Während die Persönlichkeiten und Spielertypen des zur Verfügung stehenden Personals kurzfristig nicht beeinflusst werden können, kann und muss Ancelotti in taktischer Hinsicht ansetzen und Antworten finden. Insbesondere das Gegenpressing, die Positionsdisziplin und Kontersicherung sowie das defensive Umschaltspiel sind (miteinander verknüpfte) Stellschrauben, die der „Mister“ drehen muss. Angesichts des bitteren Carvajal-Ausfalls und des noch immer nicht erfolgten Alaba-Comebacks – vielleicht im November – sollten jedoch auch Wintertransfers nicht vollkommen tabu sein. Prognose: sind sie bei Real aber, weswegen es mit dem gegebenen Personal besser werden muss.

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Kommentare
Bin ich eigentlich der einzige der Rüdigers Leistung seit Wochen unterirdisch findet? Ich verfolge Rüdiger schon lange, da ich auch mit dem FC Chelsea sympathisiere und ich bleibe dabei: der Junge funktioniert nur wenn du mit drei richtigen Innenverteidigern spielst. Was kann Rüdiger besonders gut bzw. was zeichnet ihn aus? Seine Physis/Zweikampfstärke und seine Schnelligkeit. Sein fußballerisches Können ist maximal Bezirksliga-Niveau. Ihr müsst mal darauf achten, er kann keinen flachen Pass nach vorne spielen. Entweder spielt er hoch und weit nach vorne, zum Torwart oder zum anderen IV. Wenn du mit drei richtigen IVs spielst und deine Hauptaufgabe darin besteht, gegen den Ball zu arbeiten, dann funktioniert Rüdiger gut. Aber so spielt Real Madrid eben nicht und so ergibt sich für mich auch kein Real-Niveau. Nicht umsonst war er teilweise in seiner 1. Saison bei Real Innenverteidiger Nummer 4 bzw. war in den großen Spielen sicherlich nicht erste Wahl (City-Hinspiel ausgeklammert). Bei Chelsea konnte er glänzen weil er neben Thiago Silva gespielt hat, letzte Saison sind bei Real alle über sich hinausgewachsen und es war alles sehr homogen. Sobald jedoch nicht alles perfekt funktioniert, profitiert ein Rüdiger eben nicht mehr von seinen Mitspielern. Seit dem Kroos-Abgang sind wir vielleicht noch mehr auf den Spielaufbau der IVs angewiesen und das kann Rüdiger einfach nicht. Statistiken hin oder her, für mich ist Rüdiger ein permanenter Gefahrenherd, der an sich nichts bei Real verloren hat. Ich hätte lieber einen Sergio Ramos in der IV.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bin ich eigentlich der einzige der Rüdigers Leistung seit Wochen unterirdisch findet? Ich verfolge Rüdiger schon lange, da ich auch mit dem FC Chelsea sympathisiere und ich bleibe dabei: der Junge funktioniert nur wenn du mit drei richtigen Innenverteidigern spielst. Was kann Rüdiger besonders gut bzw. was zeichnet ihn aus? Seine Physis/Zweikampfstärke und seine Schnelligkeit. Sein fußballerisches Können ist maximal Bezirksliga-Niveau. Ihr müsst mal darauf achten, er kann keinen flachen Pass nach vorne spielen. Entweder spielt er hoch und weit nach vorne, zum Torwart oder zum anderen IV. Wenn du mit drei richtigen IVs spielst und deine Hauptaufgabe darin besteht, gegen den Ball zu arbeiten, dann funktioniert Rüdiger gut. Aber so spielt Real Madrid eben nicht und so ergibt sich für mich auch kein Real-Niveau. Nicht umsonst war er teilweise in seiner 1. Saison bei Real Innenverteidiger Nummer 4 bzw. war in den großen Spielen sicherlich nicht erste Wahl (City-Hinspiel ausgeklammert). Bei Chelsea konnte er glänzen weil er neben Thiago Silva gespielt hat, letzte Saison sind bei Real alle über sich hinausgewachsen und es war alles sehr homogen. Sobald jedoch nicht alles perfekt funktioniert, profitiert ein Rüdiger eben nicht mehr von seinen Mitspielern. Seit dem Kroos-Abgang sind wir vielleicht noch mehr auf den Spielaufbau der IVs angewiesen und das kann Rüdiger einfach nicht. Statistiken hin oder her, für mich ist Rüdiger ein permanenter Gefahrenherd, der an sich nichts bei Real verloren hat. Ich hätte lieber einen Sergio Ramos in der IV.

Bezirksliga?
 
Also Rüdiger Bezirksliganiveau zuzuschreiben finde ich sehr pathetisch. Toni ist immer mal wieder für einen Pass von Hinten auf einen der schnellen Stürmer in der Lage, der Kroos und Luka in nichts nachsteht. Auch, wenn er zum Glück nicht immer versucht, hat er seine magischen Momente und einen versteckten Zauberfuß.

Ich verstehe dein Unwohlgefühl aber doch. Das habe ich auch meist bei Rüdiger. Aber das liegt wohl eher an seiner Körpersprache.

Was ich an der Analyse hier kritisieren möchte ist, dass das 3-4-3 Experiment "gescheitert" sei. So schlecht fand ich es nicht und natürlich brauchen wir Eingewöhnung. Ich weiß nicht, wann ich das letzte mal ein Real mit Dreierkette spielen hab sehen. Das dauert, wir neigen aber immer dazu so absolut zu sein. Lasst die Jungs mal zocken, wir gewinnen ja.
 
Bin ich eigentlich der einzige der...

Ich hoffe, dass du der einzige bist der so viel Quark redet. Klar Rüdiger hat nicht immer die Stärke das Spiel perfekt zu einem Konter zu entwickeln, aber es so lächerlich dastehen zu lassen, ist nur albern. Alaba ist hinten eine Graupe, weil er im Geiste ein Mittelfeldspieler ist, höchstens außen in der Verteidigung. Er sah sich selbst ja im liebsten im Zentrum. Er hat auch den Kopf dazu, aber mehr auch nicht.

Und trotzdem zeigt Rüdiger oft die starken Pässe in die außen, läuft dann auch selber mal in den16er wenn der Ball nach vorne getrieben wird. Wie oft werden seine Verstöße dann aber von den anderen gebremst und enden in Rückpässen? Für mich ist das größte Problem der Defensive im Mittelfeld zu finden. Vor allem Tchoua der für eine 6 viel zu pomadig wirkt. Aber Cama kann auch nicht jede Minute spielen.
 
Heute grad gelesen, dass Real die verpflichtung von Mbappe bereue.
Stimmung in der Kabine nicht gut, und Mbappe habe auch körperlich abgegeben.

Hoffe wirklich nicht auf eden 2.0....
 
Romain Molina (BBC,The Guardian,NY Times.)

Soll angeblich mit den Bossen geredet haben.
Angeblich wollte
Sowieso nur Perez ihn unbedingt holen.

Offenbar auch ein ganz schwieriges Verhältniss mit seinen Mitspielern.
War schon bei PSG so.



Heute grad gelesen, dass Real die verpflichtung von Mbappe bereue.
Stimmung in der Kabine nicht gut, und Mbappe habe auch körperlich abgegeben.

Hoffe wirklich nicht auf eden 2.0....

Quelle?
 

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