Analyse

Güler blüht auf: Wie Alonso den Spielmacher der Zukunft formt

Real Madrids 1:0-Erfolg über Juventus Turin im Achtelfinale der Klub-WM war kein fußballerischer Leckerbissen – aber ein taktischer Fingerzeig: Xabi Alonso plant mit Arda Güler. Der 20-jährige Türke übernahm Verantwortung im zentralen Mittelfeld, verzeichnete 101 Ballaktionen, 92 Prozent Passquote und bereitete zwei Großchancen vor. Es ist der nächste Entwicklungsschritt – und ein deutliches Signal: Güler soll im neuen Real-Mittelfeld nicht nur mitspielen, sondern mitgestalten.

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Xabi Alonso setzt voll auf Arda Güler – und sieht ihn in der Rolle des zukünftigen Taktgebers – Fotos: Getty Images

Vom Ergänzungsspieler zum Stammspieler

Noch unter Carlo Ancelotti war Arda Güler ein Versprechen, das nur selten eingelöst wurde. 43 Einsätze sammelte er in der Saison 2024/25 – meist als Einwechselspieler, im Schnitt 41 Minuten pro Partie. Nie durfte er dreimal in Folge in der Startelf ran. Fünf Tore und neun Assists zeigen sein Potenzial, aber auch: eine tragende Rolle hatte er nicht.

Mit der Klub-WM und dem Trainerwechsel änderte sich alles. Schon im Gruppenspiel gegen Al-Hilal wurde Güler nach einer schwierigen ersten Halbzeit eingewechselt – seither stand er in jeder Partie in der Startformation. Unter Alonso scheint er gesetzt. Und das liegt nicht nur an seiner Technik oder Kreativität, sondern an einer neuen Rolle, die ihm taktisch deutlich besser liegt.

Neue Position, neuer Einfluss

Güler wird nicht mehr primär am Flügel eingesetzt, sondern aus einer zentralen, tieferen Position heraus. Das hat seinen Einfluss aufs Spiel drastisch erhöht: Gegen Juventus spielte er drei Key-Pässe, schlug elf lange Bälle (neun angekommen) und war an zwei Großchancen direkt beteiligt. Güler bricht Linien – oder ist selbst eine Option im Zwischenraum.

Dabei helfen ihm die Positionswechsel mit Jude Bellingham und Federico Valverde, die das Zentrum dynamisch gestalten. Vor allem Valverde agiert derzeit als verbindender Taktgeber, doch Güler nähert sich dieser Rolle an. Noch ist er nicht der neue Toni Kroos oder Luka Modrić – aber seine Entwicklung weist in diese Richtung. Nach dem Abgang von Kroos entstand ein Vakuum in puncto Spielkontrolle. Vielleicht braucht es keinen Neuzugang – vielleicht wird Güler diese Lücke füllen.

Alonsos Plan: „Arda muss dem Ball nahe sein“

Xabi Alonso äußerte sich mit Blick auf die Rolle des türkischen Nationalspielers zuletzt deutlich: „Arda muss dem Ball nahe sein. Je mehr Ballkontakte er hat, desto besser spielen er und das Team.“ Gegen Juventus wurde das sichtbar: Der Türke spielte aus der Tiefe, war ins Kombinationsspiel eingebunden und strukturierte zahlreiche Angriffe mit. Alonso stellte im Spielverlauf um – zunächst agierte Aurélien Tchouaméni als dritter Innenverteidiger, später rückte er neben Güler auf die Doppelsechs. Ein taktisches Detail mit Wirkung – und ein klarer Fingerzeig, dass Alonso Güler im Zentrum des Spiels sieht, unabhängig von der taktischen Formation.

Der Türke war überall, band Mitspieler ein, verlagerte das Spiel, brachte Kontrolle in Ballbesitzphasen und hatte mit 101 Ballkontakten die meisten auf dem Platz (und das in nur 78 Minuten). Noch nicht als alleiniger Taktgeber, aber als gestaltender Akteur mit wachsender Verantwortung. Defensiv profitiert Güler dabei von der Absicherung durch die Dreierkette (und später Tchouaméni an seiner Seite), die es ihm erlaubt, höher zu stehen und risikoreicher zu agieren. Gerade weil er noch nicht der zweikampfstärkste Spieler ist, wirkt die taktische Einbindung wie ein geschützter Rahmen, in dem er wachsen kann.

Konstanz statt Kabinettstückchen

Was Gülers Entwicklung besonders spannend macht: Er liefert nicht nur ausgewählte Highlights, sondern die erwünschte Konstanz. In allen vier Klub-WM-Partien überzeugte er mit starker Passquote (jeweils 84 bis 92 Prozent), kontrolliertem Aufbauspiel und hoher Präsenz – beispielsweise 83 Ballaktionen in 67 Minuten gegen Salzburg. Dass er gegen Pachuca sein erstes Klub-WM-Tor erzielte, war mehr als eine Randnotiz: Güler sammelte zwar weniger Ballaktionen als in den anderen Partien, setzte aber punktuell wichtige Akzente.

Arda Güler Trent Alexander Arnold Real Madrid
Er strahlt wie selten zuvor: Arda Güler nimmt immer mehr Einfluss auf das Spiel der Königlichen – Foto: Andy Lyons – FIFA/FIFA via Getty Images

Trotz seiner hohen Passsicherheit leistet sich Güler pro Partie noch sechs bis 14 Ballverluste – ein Wert, der Aufmerksamkeit verdient, aber mit seinem in Phasen risikofreudigen Spiel zu erklären ist. Gleichzeitig zeigt er zunehmende Präsenz im Spiel gegen den Ball: Gegen Salzburg etwa mit acht gewonnenen Bodenzweikämpfen bei elf Duellen sowie vier erfolgreichen Tacklings. Auch im unmittelbaren Nachsetzen nach Ballverlust – etwa im Gegenpressing – zeigt er wachsendes Engagement. Zahlen, die seine Entwicklung zum spiel- wie zweikampfstarken Mittelfeldakteur unterstreichen.

Noch kein Taktgeber – aber auf dem Weg dorthin

Güler ist aktuell noch kein klassischer Spielmacher im Stil eines Kroos oder Modrić, die Tempo und Rhythmus einer Partie vollständig diktieren. Aber er bringt Eigenschaften mit, die ihn auf diesem Weg weit bringen können: Technik, Übersicht, Passstärke – und nun auch das Vertrauen seines Trainers. Alonso sagte jüngst: „Es reicht nicht aus, wenn ein einzelner Spieler das Mittelfeld organisiert. (…) Wir sind auf dem Weg, diesen Bereich zu stärken.“ Und genau das ist Gülers Chance. In einem funktionierenden Kollektiv kann er wachsen – mit Raum zum Entwickeln, aber ohne sich verstecken zu müssen.

Fazit: Die Zukunft beginnt jetzt

Güler ist kein Projekt mehr – er ist Gegenwart und Zukunft. Die Klub-WM hat gezeigt, dass er mehr ist als ein Talent mit feinem Fuß. Xabi Alonso gibt ihm eine Rolle, die seinen Stärken entspricht. Wenn Güler diese weiter ausfüllt und sich defensiv noch verbessert, könnte Real bald einen neuen Spielmacher sehen – nicht als Kopie eines Kroos oder Modrić, sondern als eigene Variante. Der Weg ist geebnet.

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Kommentare
Eigentlich sahen alle es kommen und wollten ihn viel früher in der Zentrale haben. Carlo hat Güler meiner Meinung nach fast ein Jahr gestohlen. Ich bin froh, dass jetzt auch der Letzte merkt, was wir mit Güler in den Reihen haben.
 
Eigentlich sahen alle es kommen und wollten ihn viel früher in der Zentrale haben. Carlo hat Güler meiner Meinung nach fast ein Jahr gestohlen. Ich bin froh, dass jetzt auch der Letzte merkt, was wir mit Güler in den Reihen haben.
Finde es spannend, dass Carlo ja grundsätzlich ähnliche Gedanken hatte wie Xabi.
Güler im ZM ist nicht neu aber unter Carlo hat es mehr schlecht als recht funktioniert. Genauso Tchouameni in der IV.

Xabi gibt den Spielern halt auch einen Plan mit auf den Weg – bzw hat mit diesem 3-5-2/4-1-3-2 auch das richtige Setting gefunden, in dem die Stärken zum Vorschein kommen aber die Schwächen eher kaschiert werden.
 
Was genau meinst du mit "oft lange nicht"?
Gestern und heute gab es ein Problem, das haben wir heute Mittag gelöst.

Offtopic: Warum funktoiniert die Kommentier-Funktion oft lange nicht bei Artikel?

Zum Thema. Erinnert ein wenig an Toni Kroos. Zuerst LM, OM dann später als ZM/DM.
 
Finde es spannend, dass Carlo ja grundsätzlich ähnliche Gedanken hatte wie Xabi.
Güler im ZM ist nicht neu aber unter Carlo hat es mehr schlecht als recht funktioniert. Genauso Tchouameni in der IV.

Xabi gibt den Spielern halt auch einen Plan mit auf den Weg – bzw hat mit diesem 3-5-2/4-1-3-2 auch das richtige Setting gefunden, in dem die Stärken zum Vorschein kommen aber die Schwächen eher kaschiert werden.
Das kann ich so nicht bestätigen. Er wurde immer wieder auf die Seite gezogen. Die Höhe war es vor dem Spiel gegen Barca. Er liefert drei Spiele in der Mitte ab und was macht Carlo? Er verdonnert ihn wieder auf den Flügel. Carlo hat zu sehr auf seine Lieblinge gesetzt und erst wo der halbe Kader schon durch war, kam Güler erst zu seinen einsätzen...
 
Das kann ich so nicht bestätigen. Er wurde immer wieder auf die Seite gezogen. Die Höhe war es vor dem Spiel gegen Barca. Er liefert drei Spiele in der Mitte ab und was macht Carlo? Er verdonnert ihn wieder auf den Flügel. Carlo hat zu sehr auf seine Lieblinge gesetzt und erst wo der halbe Kader schon durch war, kam Güler erst zu seinen einsätzen...
Eh aber Carlos "Rotation" ist für mich wieder ein anderes Thema. Grundsätzlich sah er Arda im Zentrum, das hat er auch in Interviews gesagt. Er hat ihm halt leider noch nicht genug vertraut, um ihn sofort dauerhaft ins Zentrum zu stellen.
 
Ein Trainer der motiviert und den Spielern aufzeigt wie sie spielen sollen plus taktische Veränderungen während des Spiels und dann dürfen die Spieler auf ihrer Lieblingsposition spielen, ja dann ist das Spiel schon halb gewonnen. Alonso und Arda und der Rest weiter so und noch besser werden. Hala Madrid y nada más
 
Ich denke ein wesentlicher Unterschied bei Carlo war es, dass er seinen Spielern vertraut und ihnren viele Freiheiten eingeräumt hat. Dafür müssen die Spieler über ein gewisses Maß an Erfahrung und Reife verfügen. Wenn die Spieler sich gut kennen, kann das im Kollektiv gut funktionieren.

Spieler die diese Erfahrung nicht mitbringen, zumeist jüngere, brauchen klare Anweisungen und Strukturen.

Xabi hat klare Spielideen und Rollen in seinen Systemen und ich denke davon profitieren Güler oder Garcia.
 

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