
Ronaldo trifft früh, Atléti braucht nur eine Chance
MADRID. Welch harter Abend für den Madridismo! Kein geringerer als der gegen Real sonst so chancenlose Stadtnachbar hat den Königlichen den fast und zu sehr als sicher geglaubten Trostpreis Königspokal aus den Händen gerissen. Den einzigen großen Titel der Saison, die Entschuldigung und Entschädigung für die Enttäuschungen in Liga und Champions League, das selbst ernannte Fan-Pfand. Atlético triumphiert, Real ist am Boden. Das gab es seit 1999, seit 26 Derbi madrileños nicht mehr – Real steht mit leeren, abgekämpften und leblosen Händen da.
Dabei sah zu Beginn alles noch ganz anders aus! Mit prächtiger Stimmung im zwiegespaltenen Estadio Santiago Bernabéu ging es los. José Mourinho überraschte, indem er erneut Pepe aus dem Kader strich und stattdessen Raúl Albiol neben Sergio Ramos verteidigte. Die Gründe für die Berufung Luka Modric‘ statt Ángel Di María lagen im Spielsystem – Real agierte im kompakteren und vermeintlich sichereren 4-3-3 mit Modric, Sami Khedira und Xabi Alonso in der Zentrale. Dass die Merengues zu Beginn mehr Ballbesitz hatten, ist aber nicht nur auf diese Entscheidung Mourinhos zurückzuführen – sondern auch auf das abwartende Wesen Atléticos, das auf das Herausrücken Reals und Konterchancen lauerte. Wenig Zwingendes, beide Teams standen soweit stabil, auch wenn Real klar mehr Anteile hatte. Die ersten Torannäherungen: Cristiano „wer sonst“ Ronaldo aus der Distanz und eine Flanke nach Konter auf Radamel „wer sonst 2“ Falcao, die López sicher fischte. Viel packender: die Zweikämpfe, begleitet von anfänglich herausragender Atmosphäre und nicht immer souveränen und konsequenten Darbietungen von Schiedsrichter Clos Gómez. Wenig Platz auf beiden Seiten. Doch dann: Atlétis Suarez verlor den Ball in der Offensive, überfallartig starteten Karim Benzema und Ronaldo – den aussichtsreichen Konter spielten sie jedoch schlampig aus und es wurde zur Ecke geklärt. Ein Job für Mesut Özil: stramm schlug der Deutsche den Ball in die Mitte mitten auf den höchsten Punkt des Bernabéus, Cristiano Ronaldo, der mit einem für ihn typischen Kopfball das Spielgerät in der 14. Minute ins Netz schädelte – klasse (damit war CR7 erst der neunte Spieler in Spaniens Geschichte, der in zwei Pokalendspielen traf)! Und da war es eigentlich schon um die Rojiblancos, die so lange einem Sieg über Real hinterher sehnten, geschehen. Dachte man, dachte auch Real. Der Druck verflachte zunehmends, die Blancos standen solide und Atlético fand keine Mittel ihre beiden Stürmer einzusetzen, das Glück fehlte den Colchoneros ebenfalls. Die Mannen des Mourinho wogen sich in totaler Sicherheit – bis zu dem einen Moment des Radamel Falcao. Mit der Ballannahme vernaschte und tunnelte der Tiger Raúl Albiol, der sich aus der Defensive locken ließ – zwei weitere Hacken und die spanische Slalomstange sowie Sami Khedira waren erneut verladen und der Kolumbianer bediente perfekt Diego Costa in den Lauf, der Sergio Ramos bereits – dank der großen, weiten Wiese – enteilt war. Strammer Schuss auf den langen Pfosten, Diego López konnte nicht schnell genug unten sein, Innenpfosten, Ausgleich. Die Hausherren wurden für ihre zurückhaltende Spielweise bestraft!
In der Folge erhöhten sie den Druck Stück für Stück – die oberste Devise blieb jedoch, hinten nicht zu offen zu stehen. Modric mit einer halben Gelegenheit, Ramos, Özil und Ronaldo mit etwas zu gut gemeinter Kombination im Strafraum. Eigentlich nichts wirklich Bedrohliches. Auch der Pfosten-Knaller des Mesut Özil in der 43. Minute war eine gewürgt-abgefälschte Flanke voraus gegangen, sodass der Deutsche sich einfach mal ein Herz fasste aber seine Direktabnahme mit voller Wucht am kurzen Pfosten zerschellte – der Schlusspunkt einer intensiven ersten Halbzeit.
[advert]
Drei Pfostentreffer und ein Trainer weniger
Die zweiten 45 Minuten trugen sich wie die ersten zu – von beiden verhalten und vorsichtig aber mit mehr Anteilen für Weiß. Die Unkonzentriertheiten, Ballverluste und Fouls mehrten sich, weswegen beide Mannschaften immer offener standen – Chancen ereigneten sich in der Folge. Miranda konnte den Ball im Strafraum nicht kontrollieren, Filipe vergab nach feiner Gabi-Flanke um Haaresbreite. Nach einer Stunde dann Dramatik, Pech und teilweise sogar Slapstick! Real fraß sich immer tiefer und fester in die rot-weiße Spielhälfte, fing selbst die Befreiungsschläge durch Alonso ab, da kam Benzema zur riesen Chance im Strafraum, traf aber nur den Pfosten. Courtois war bereits geschlagen, der Abpraller landete bei Özil, doch trotz reichlich Zeit versagten ihm die Nerven und er schoss einen Rojiblanco auf der Linie an – das hätte es sein müssen. Acht Minuten später das nächste dicke Ding: dieses Mal prüfte Ronaldo die Standfestigkeit des Bernabéu’schen Gehäuses. Sein flacher Freistoß aus 18 Metern überraschte die rot-weiße Mauer, endete aber am Pfosten des bereits und eigentlich zum dritten Mal geschlagenen jungen Torhüters! Real mit Pech, mehr Spielanteilen und Chancen, mehr gelben Karten (5:2 nach 90 Minuten), drei Pfostentreffern – und einem Trainer weniger. Etwas kleinlich bewertet, durfte sich José Mourinho nach einer Rede am Seitenrand einen Platz auf der Tribüne suchen. Man ahnte etwas – das könnte noch böse enden…
In jedem Fall sollte das Ende auf die Verlängerung verschoben werden. Atlético tat nicht mehr viel, erwachte zwar noch kurz vor Ende der regulären Spielzeit aber es blieb beim 1:1. Glücklich für Atlético – tragisch für Real, an der erhofft Dortmund-gleichen Unterstützung mangelte es ebenso wie am Abschlussglück.
[advert2 no=”2″]
Verlängerung und Todesstoß
Es sollte also in die Verlängerung gehen. Real gleich mit drei Spielerwechseln: Arbeloa, Di María und Higuaín für Benzema sowie die guten Modric und Coentrão (der einzige von fünf mit Gelb verwarnten). Die Hausherren dadurch noch etwas aufgerückter, Di María belebte das Spiel und versuchte es anzukurbeln. Die echten Chancen verbuchten jedoch die Rojiblancos: Diego Costa hätte in der 95. Minute das nächste Tor machen können, aber inklusive dem Nachschuss vergab er zwei Mal fahrlässig gegen Diego López, nachdem ihn Koke vorher perfekt in Szene setzte. Die Königlichen waren eigentlich gewarnt – dennoch klingelte es in der 99. Minute. Miranda, sträflich von Alonso und Essien in Frieden gelassen, versenkte eine Koke-Flanke. Da war das Unglaubliche: die Atléti-Führung gegen den großen Stadt-Rivalen Real. Der erste Sieg über die Blancos seit 1999 im Pokalfinale? Jeder der 85.022 im Stadion dachte daran. Real panisch, wütend, überheblich. Atléti mit der Unterstützung der eigenen Fans, die ebenfalls im direkten Vergleich heute gewannen. Hatte Courtois in den vorigen 90 Minute bei drei Pfostentreffern das Glück der Welt – stieg er in den restlichen 30 Minuten selbst zum besten Mann der Welt auf. Erst parierte er gegen Higuaín aus kurzer Distanz überragend, dann verhinderte er Özils sicheres Tor, der nach Turbo-Di-María-Vorarbeit vorm Kasten aus spitzen Winkel nurnoch einschieben brauchte – aber nicht mehr mit dem Belgier rechnete, der pfeilschnell zur Stelle und zu Boden war – weltklasse! Die Emotionen kochten immer weiter hoch, das heißeste Derby seit Jahren – dabei hätte Adrian in der Folge alles klar machen können, doch auch ihm versagten die Nerven. Reals Wut wurde immer größer, angesichts des lachenden Stadtrivalen. Sinnbildlich dann: Cristiano Ronaldos Nervenversagen, Gabi räumte den Portugiesen an der Mittellinie ab, dieser trat nach und sah folgerichtig Rot (siebter Platzverweis seiner Karriere, dritter bei Madrid). In der Rudelbildung heftiges Gerangel, das sich auf den Platz fortführte – der Hass war zu spüren. Auch wenn Gabi noch seine Gelben Karten zwei und drei sah (Tatsache) blieb es dabei: Atlético Madrid besiegt Real Madrid mit 2:1!
Die absolute Schmach: der Stadtrivale feiert im Bernabéu
Es ist der zehnte Pokalsieg für den Stadtivalen – der neunte im Estadio Santiago Bernabéu! Zum vierten Mal standen sich die beiden Stadtnachbarn im Finale gegenüber – alle vier Begegnungen gingen an Ende zu Rot-Weiß. Atlético im eigenen Stadion „Campeones, Campeones, oe oe oe“ singen zu hören ist der giftige Dolch, der sich nach einer verkorksten Saison endgültig ins Herz des Madridismo bohrt. Erst recht angesichts der Tatsache, dass man sich nicht mal den Trostpreis Königspokal sichern konnte.
Erlebe Real Madrid LIVE im Estadio Santiago Bernabéu, hier gibt’s die Tickets
- Seite 1 Spielbericht zum Pokalfinale gegen Atlético Madrid
- Seite 2 Spielstatistik und REAL TOTAL-Spieler des Tages
Community-Beiträge