
„Vielleicht war ich zu ungeduldig“
COTTBUS. Einmal in der Nachwuchsakademie Real Madrids zu spielen, ist wohl ein Traum, den viele Jugendfußballer auf dieser Welt hegen. Besonders für nicht-spanische Nachwuchsleute ist das Erreichen dieses Ziels jedoch oftmals eine Utopie. Deutschlands ehemaliger Junioren-Nationalspieler Christopher Schorch konnte sich diesen Traum erfüllen: 2007 wechselte der in Halle an der Saale geborene Abwehrspieler etwas überraschend von der Jugendabteilung von Hertha BSC Berlin an die Concha Espina. Zunächst für die Castilla vorgesehen, stand der Innenverteidiger 2009 nach guten Leistungen in seiner zweiten Saison gar kurz vor dem Sprung in den Profikader.
“Hatte keine Lobby mehr”
Nach der Entlassung des damaligen deutschen Trainers Bernd Schuster zerschlugen sich diese Hoffnungen jedoch schlagartig, da er mit dem Abgang des Augsburgers einen großen Fürsprecher verlor und zudem mit Sportdirektor Predrag Mijatovic auch noch sein damaliger Entdecker entlassen wurde. Jene mangelnde Perspektive führte schlussendlich dazu, dass Kapitel Madrid nach zwei Jahren zu beenden und in Köln in der Bundesliga Fuß fassen zu wollen: „Real wurde bei der U17-EM 2006 auf mich aufmerksam. Ich konnte zusammen mit Spielern wie Stevan Jovetic oder Bojan Krkic für Aufsehen sorgen. Predrag Mijatovic, Reals damaliger Sportdirektor, beobachtete mich anschließend bei der Hertha. Ich bekam in Madrid einen Fünfjahresvertrag und war als Investition in die Zukunft geplant. Wären Bernd Schuster Trainer und Mijatovic Sportdirektor geblieben, hätte ich auch länger als die drei Jahre dort gespielt. Leider mussten aber beide gehen. Ich hatte dann bei Real keine Lobby mehr. Und so stand ich dann als 19-Jähriger in der Welt-Metropole Madrid ziemlich alleine da. Ich hatte Kontakt mit vielen der Jungs, auch mit Adam Szalai verstand ich mich gut. Freundschaften bringen einen aber nicht weiter. Höchstens zum Trainer, aber wie oft gibt’s das schon (lacht)? Ich hatte viele Spiele am Stück bestritten, kam über zwei Jahre konstant in der zweiten Mannschaft zum Einsatz und brachte auch in den DFB-Jugendteams meine Leistung. Doch meine beiden Förderer im Verein waren weg, so dass ich 2009 letztlich zum 1. FC Köln wechselte.“
[advert]
In der Retrospektive hätte der heute 26-Jährige (Stand: Dezember 2015) vermutlich anders gehandelt, da beispielsweise der Durchbruch eines Nacho Fernández, der mittlerweile fester Bestandteil des Profi-Kaders ist, ebenfalls nicht abzusehen war. Die Perspektive auf Profifußball in Deutschland sei jedoch enorm verlockend gewesen: „Vielleicht war ich zu ungeduldig. Ich hatte das Angebot aus Köln und dann nur die Bundesliga im Kopf. Wenn ich jetzt aber sehe, wer bei Real mittlerweile regelmäßig zum Kader gehört, damals in der Jugend aber kaum eine Rolle spielte, muss ich schon sagen, dass mein Abschied möglicherweise ein wenig verfrüht war. Nacho Fernández beispielsweise ist jetzt spanischer Nationalspieler.“
„Madrid erwartet immer nur Show von dir“
Die Erfahrung, bei den Königlichen gespielt zu haben, sei jedoch einmalig. Allerdings verlor der mittlerweile bei Energie Cottbus aktive Verteidiger auch kritische Worte in Richtung der Anhängerschaft der Blancos. Viele Fans würden nur der großen Triumphe wegen den Verein unterstützen und alles andere als pures Spektakel im Stadion nicht gutheißen: „Real war eine andere Welt. Ich war sehr jung und sah die Dinge anders. Inzwischen habe ich eine kleine Familie und gehe vieles entspannter an. Ich bin längst gereift. Wenn ich jetzt für Cottbus vor 4000 Zuschauern gegen Dresden spiele, macht mir das genauso viel Spaß wie damals in Madrid. Geht es nach mir, braucht man geile Fans und keine großen Stadien, um eine tolle Stimmung zu erzeugen. Das Bernabéu lebt zum Beispiel nur von seinem Mythos. Die Real-Fans sind fast alle Erfolgsfans. Dort geht niemand mit, wenn ein wichtiger Zweikampf gewonnen wird. Madrid erwartet immer nur Show von dir. Die Zeit bei Real wird immer in meinem Kopf bleiben. Ich habe etwas erlebt, was nur wenige erleben dürfen. Ich hadere nicht mit meiner Karriere.“
“Raúl hatte mir extrem viel geholfen”
Eine besonders gute Beziehung pflegte Schorch zur damaligen Zeit zu Kapitän Raúl, der sich um die jungen Spieler kümmerte und oftmals mit dem einen oder anderen Ratschlag zur Seite sprang. Manchmal auch der etwas härteren Sorte. Doch dies sei genau der richtige Weg, um als Spieler zu wachsen, so Schorch: „Zuletzt sah ich viele beim Abschiedsspiel von Raúl wieder. Mit ihm hatte ich im Anschluss noch den meisten Kontakt. Er hat mir damals auch extrem viel geholfen. Sehen Sie, es gibt in Deutschland viele junge und sehr talentierte Spieler, die aber nur selten begreifen, welch Privilegien sie als Profifußballer haben. Doch dafür muss man kontinuierlich hart arbeiten. Ich hatte sicherlich auch Phasen, in denen ich dachte, dass mir niemand etwas könne. Es gibt sehr viele Schulterklopfer in diesem Geschäft. Förderlicher für deine Entwicklung ist es aber, wenn dir einer sagt, dass du schlecht gespielt hast. Raúl war so jemand. Er nahm mich an die Hand, sprach viel mit mir sprach und meinte: ‚Junge, komm’ mal wieder runter und arbeite an dir‘. Das war beeindruckend und hilfreich zugleich.“
Bleibe immer up-to-date: Folge REAL TOTAL auf Facebook und Twitter!
Community-Beiträge