Einzelkritik

Die Hinrunden-Zeugnisse 2017/18: Torhüter und Abwehr

Dass Real Madrids erstes Halbjahr alles andere als nach Plan verlief, spiegelt sich auch in den Hinrunden-Zeugnissen wider. Die REAL TOTAL-Einzelkritik der Abwehr und Torhüter für die Hinrunde 2017/18.

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Halbjahrszeugnisse für Kiko Casilla und Keylor Navas – Foto: REAL TOTAL

Torhüter

Keylor Navas

Einsätze: 21
Einsatzminuten: 1.890
Zu Null: 7
Paraden:
64 (3,0 pro Partie)
Durchschnittsnote: 2,69

Keylor Navas hat an der Concha Espina weiterhin keinen einfachen Stand, was die anhaltenden Spekulationen um eine Verpflichtung von Bilbaos Kepa Arrizabalaga in den letzten Wochen einmal mehr untermauerten. Doch betrachtet man die Leistungen des Costa-Ricaners über die gesamte Hinrunde hinweg, sind diese Zweifel nur bis zu einem gewissen Maße berechtigt. Alles in allem zeigte der 31-Jährige nämlich eine gute Halbserie, in der er vor allem zu Saisonbeginn mit starken Leistungen zu überzeugen wusste, ehe ihn eine hartnäckige Adduktorenverletzung für einige Wochen außer Gefecht setzte und er anschließend merklich mit Rhythmusproblemen zu kämpfen hatte. Navas präsentierte sich gewohnt stark auf der Linie sowie im Eins-gegen-Eins und lief besonders in Spitzenspielen wie dem Clásico zur Höchstform auf, wodurch sich der Mittelamerikaner allerdings immer wieder angreifbar macht, ist sein ausbaufähiges Spiel mit dem Ball am Fuß sowie die in dieser Hinrunde verhältnismäßig hohe Anzahl an individuellen Fehlern (vier), wobei er überwiegend ein schlechtes Stellungsspiel offenbarte. Einige Madridistas würde sich wohl einfach mal wünschen, dass die Nummer 1 auch einfach mal einen Ball der Kategorie „unhaltbar“ aus der Ecke fischt, ein solcher „magischer“ Moment war Navas in dieser Spielzeit noch nicht vergönnt.

Kiko Casilla

Einsätze: 12
Einsatzminuten: 1.080
Zu Null: 6
Paraden:
21 (1,8 pro Partie)
Durchschnittsnote: 2,96

Durch die Verletzung von Navas kam Kiko Casilla auch in dieser Halbserie wieder auf eine ordentliche Anzahl an Einsätzen und wie schon vergangene Saison bewegte sich der Canterano auf ähnlichem Niveau wie sein Torwart-Kollege. Insgesamt muss man sogar festhalten, dass sich der Iberer konstanter in seinen Leistungen präsentierte als Navas, in der Spitze aber wiederum nicht ganz an seinen Konkurrenten heranreichen konnte. Casilla zeigte beständig gute Leistungen und leistet sich nur vereinzelt schwache Auftritte wie gegen Girona oder Tottenham. Neben guten Reflexen zeichnete sich der 31-Jährige vor allem durch ein gutes Stellungsspiel und seine fußballerischen Qualitäten aus, die sogar etwas stärker einzuordnen sind als die von Navas. Bei Real Madrid kann man weiterhin froh sein, einen zweiten Torwart mit diesen Qualitäten zu haben.

Reals Abwehrspieler im Vergleich – Foto: REAL TOTAL

Abwehr

Daniel Carvajal

Einsätze: 20
Einsatzminuten: 1.728
Tore / Assists: 0 / 3
Bälle erobert: 110 (5,7 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 1.003 (52,2 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 3,03

Die Erwartungen an den Rechtsverteidiger waren insbesondere nach der bärenstarken letzten Rückrunde enorm, leider konnte der Canterano an diese Leistungen nicht ganz anknüpfen. Dabei spielte Carvajal selten wirklich schlecht, es waren einfach extrem viele durchschnittliche Auftritte dabei. „Daniel Düsentrieb“ ließ sich defensiv kaum etwas zu Schulden kommen und imponierte auch in dieser Halbserie mit seinem unermüdlichen Einsatz sowie seiner Galligkeit in den Zweikämpfen, offensiv reichte der spanische Nationalspieler, der zwischenzeitlich durch eine hartnäckige Herzbeutelentzündung für längere Zeit zurückgeworfen wurde, allerdings überhaupt nicht an seine Gala-Form der vergangenen Spielzeit heran. Dies mag zum einen systembedingte Gründe haben, weil die Außenverteidiger im 4-3-1-2 zu wenig Unterstützung erhalten und die Gegner Reals flankenlastiges Spiel mittlerweile gut zu verteidigen wissen, allerdings ließ auch Carvajal immer wieder Präzision und Konzentration bei Flanken, Pässen oder Abschlüssen vermissen. Im Gegensatz zu Pendant Marcelo hatte das Eigengewächs jedoch seine Seite zumindest defensiv überwiegend im Griff und vermochte die nicht immer vorhandene Balance im Madrider Defensivspiel dank seiner starken Physis auszugleichen.

Achraf Hakimi

Einsätze: 12
Einsatzminuten: 917
Tore / Assists: 1 / 1
Bälle erobert: 48 (4,7 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 404 (39,7 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 3,59

Nicht jeder Verteidiger aus dem eigenen Nachwuchs kann gleich ein neuer Daniel Carvajal sein. So groß das Talent und Potential des Marokkaners zweifelsohne sind, umso deutlicher zeigte der Fall des Canterano einmal mehr, dass Profi- und Nachwuchsbereich zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Während sich der 19-Jährige defensiv gut verkaufte und sich in dieser Hinsicht vor allem in puncto Stellungsspiel besser als Vorgänger Danilo präsentierte, offenbarte das Nachwuchsjuwel offensiv noch erhebliche Schwächen. Neben einer ausbaufähigen Positionierung und kleinen taktischen Schwächen fielen dabei vor allem die sich immer wieder einschleichenden technischen Mängel bei der Ballverarbeitung sowie Defizite im Passspiel (39,7 angekommene Pässe pro 90 Minuten sind der schlechteste Wert im Team) und bei den Flanken auf. Trotzdem sollte man weiterhin nicht vergessen, dass dieser Junge erst 19 Jahre alt ist, auch Carvajal benötigte zunächst zwei Jahre Anlaufzeit.

Raphaël Varane

Einsätze: 21
Einsatzminuten: 1.793
Tore / Assists: 0 / 1
Bälle erobert: 891 (5,5 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 891 (44,7 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 2,52

Auch wenn diese Hinrunde wenig erfreuliche Geschichten zu bieten hatte, Raphaël Varanes war definitiv einer der großen Lichtblicke. Nach dem Abgang von Pepe hat sich der Franzose endgültig als Stammbesetzung neben Sergio Ramos etabliert und war ohne Zweifel der beste Abwehrspieler der Hinrunde (Durchschnittsnote: 2,5). Die Nummer 5 imponierte dabei durch ihre unheimliche Abgeklärtheit, bewahrte auch in den größten Drucksituationen eine bemerkenswerte Ruhe und löste diese zumeist spielerisch. Aufgrund seiner enormen Schnelligkeit übernimmt Varane meist den absichernden Part im Zentrum und löst diese Aufgabe bravourös, auch in der Luft ist „Meister Proper“ in dieser Spielzeit bislang eine Wand. Auffällig ist jedoch, dass sich beim 24-Jährigen immer wieder (größere) Stellungsfehler einschleichen, sobald die Königlichen extrem hoch verteidigen. Gelingt es Varane, diesen Aspekt weiter zu verbessern und auch im Spielaufbau eine noch aktivere Rolle einzunehmen, ist der Schritt in die endgültige Weltklasse nicht mehr allzu fern.

Jesús Vallejo

Einsätze: 6
Einsatzminuten: 539
Tore / Assists: 0 / 0
Bälle erobert: 38 (6,3 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 313 (52,3 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 2,75

Sein Start an der Concha Espina war bedingt durch seine Verletzungen unglücklich, seine Vorschusslorbeeren wusste Jesús Vallejo aber allemal zu bestätigen. Immer wenn der junge Iberer auflief, zeigte er gute bis sehr gute Leistungen und untermauerte, warum er zurecht zu den größten Verteidiger-Talenten auf dem Kontinent zählt. Stark in der Antizipation und sehr robust im direkten Zweikampf (durschnittlich 6,3 eroberte Bälle pro 90 Minuten sind der zweitbeste Wert unter den Defensiven) erfüllte der 21-Jährige seine Defensiv-Aufgaben mit einer für sein Alter bemerkenswerten Zuverlässigkeit und Ruhe, kann dank seiner soliden Grundschnelligkeit auch kleine Stellungsfehler gut kaschieren. Lediglich im Aufbauspiel wirkt der Nachwuchsmann aus Zaragoza trotz sauberer Passtechnik und starker Quote bisweilen etwas überhastet und unkoordiniert, aber auch das dürfte sich mit zunehmender Routine weiter verbessern. Die Anlagen für eine große Zukunft im Bernabéu sind zweifelsohne gegeben.

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Sergio Ramos

Einsätze: 22
Einsatzminuten: 1.930
Tore / Assists: 1 / 1
Bälle erobert: 167 (7,8 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 1.365 (65 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 2,98

Der Kapitän legte einen famosen Saisonstart hin, bildete insbesondere zu Beginn der Spielzeit ein starkes Bollwerk im Verbund mit Varane. Der spanische Nationalspieler überzeugte dabei mit konsequenter Zweikampfführung und hohem defensiven Einsatz (7,8 eroberte Bälle pro 90 Minuten sind Top-Wert in der Defensive), vielmehr imponierte aber die zunächst große Präsenz und Präzision im Aufbauspiel (auch bei den angekommenen Pässen ist Ramos spitze). Leider konnte Reals Mentalitätsmonster diese Form nicht konstant durch die Halbserie retten und verfiel zum Ende hin wieder in den für ihn typischen Schlendrian: Ein Stellungsfehler hier, ein wichtiger verlorener Zweikampf da, zwischendrin die eine oder andere Disziplinlosigkeit – manchmal kann Ramos die Fans ob seiner Schwankungen wahrlich zur Weißglut treiben. So steht unter dem Strich mal wieder ein Halbjahr mit vielen Höhen und Tiefen. Dass die Nummer 4 zudem merklich an Torgefahr eingebüßt zu haben scheint, ist aber auch auf die überschaubare Qualität der Standards in diesem Jahr zurückzuführen.

Nacho Fernández

Einsätze: 25
Einsatzminuten: 2.005
Tore / Assists: 2 / 0
Bälle erobert: 104 (4,7 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 1.077 (48,3 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 3,08

Für den Überflieger der vergangenen Saison gilt das gleiche wie für Carvajal: Selten war der Canterano wirklich schlecht, vielmehr präsentierte sich Nacho Fernández während des Großteils seiner Spiele – ganz in gewohnter Manier – solide und zuverlässig ohne wirklich zu überragen. Dass die ganz großen Leistungs-Peaks im Vergleich zu letztem Jahr bislang noch ausblieben, mag auch daran liegen, dass der Allrounder aufgrund der immer wiederkehrenden Personalengpässe in der Abwehr sehr oft die Position wechseln und so permanent zwischen Innen- und Außenverteidigung pendeln musste. Verständlich, dass dies auch Rhythmusprobleme mit sich bringt. Trotz allem zeigte der 27-Jährige in der Regel das, was ihn auszeichnet: Eine starke Antizipation gepaart mit gutem Stellungsspiel, ein resolutes Zweikampfverhalten und ein sicheres, wenngleich risikoarmes Aufbauspiel. Einzig und allein bei den direkten Kopfballduellen offenbarte der mit 1,80-Meter verhältnismäßig kleine Innenverteidiger zuletzt einige Defizite. Bemerkenswert: Nacho ist mit 2.005 absolvierten Minuten der Feldspieler mit der drittmeisten Einsatzzeit, was die Wertschätzung von Seiten Zidanes unterstreicht.

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Marcelo

Einsätze: 24
Einsatzminuten: 1.995
Tore / Assists: 1 / 3
Bälle erobert: 132 (6 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 1.204 (54,3 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 3,19

Nach einer so starken Saison wie der letzten ist die Fallhöhe natürlich enorm, nichtsdestotrotz war der Brasilianer zweifelsohne eines der größten Problemkinder der Blancos in dieser Hinrunde. Nach solidem Start verfiel Marcelo gegen Mitte der Halbserie in ein tiefes Loch, aus dem er sich nur kurzzeitig herauskämpfen konnte. Wie Kollege Carvajal leidet auch der Lockenkopf aktuell merklich unter dem System und der mangelnden Unterstützung auf Außen, dennoch hat und hatte Marcelo auch merklich mit individuellen Problemen zu kämpfen. Sicherlich auch bedingt durch die aktuelle Gesamtsituation, wirkt der 29-Jährige phasenweise verkrampft und lässt die für sein Spiel so nötige Lockerheit vermissen, verdribbelt sich oft, trifft falsche Entscheidungen im Spielaufbau oder flankt sprichwörtlich ins Niemandsland. Die Unzufriedenheit über die eigene Leistung führte in den letzten Wochen auch oft dazu, dass der Vize-Kapitän überdrehte und seine defensiven Aufgaben vernachlässigte, weshalb er bei einigen Gegentoren eine schlechte Figur machte. Aufgrund seiner herausragenden Bedeutung im Spielaufbau bleibt es aus Real-Sicht nur zu hoffen, dass die Nummer 12 in den kommenden Wochen so schnell wie möglich zu ihrer gewohnten Form findet. Um die Saison noch zu retten, braucht es unter anderem einen Marcelo in Top-Verfassung.

Theo Hernández

Einsätze: 13
Einsatzminuten: 802
Tore / Assists: 0 / 1
Bälle erobert: 53 (5,9 pro 90 Minuten)
Angekommene Pässe: 464 (52,1 pro 90 Minuten)
Durchschnittsnote: 3,94

Auch wenn er auf der anderen Seite zuhause ist, erinnert Theo Hernández in gewisser Weise bislang ein wenig an Danilo. Vergangene Saison noch einer der Überflieger und einer der besten Linksverteidiger in der Primera División, ist der Franzose in dieser Spielzeit kaum wieder zu erkennen. Bringt der dynamische 20-Jährige besonders hinsichtlich Athletik und Schnelligkeit eigentlich alles mit, um als aus der Tiefe nachstoßender Außenverteidiger zu glänzen, blieben bei Theo bislang mit Ausnahme des Sociedad-Spiels lediglich unglückliche und schwache Auftritte in Erinnerung. Im Spiel nach vorne oftmals überhastet, unpräzise und kopflos, ließ sich der Linksfuß defensiv oftmals zu plumpen Fouls hinreißen und offenbarte große Mängel im Stellungsspiel. Auch hier zeigt sich mal wieder: Kein Trikot wiegt so schwer, wie das von Real Madrid. Aber auch ihm sollte man in Anbetracht seines Alters noch die nötige Zeit zur Eingewöhnung zugestehen.

Real Madrids Trikots: Heim-KurzHeim-Lang, Auswärts, Ausweich

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

Kommentare
Bin mal gespannt was ihr Benz für ne Note geben werdet
 

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