
Ich fang gleich damit an: Marcelo ist Madridismo! Ja, Madridismo steht auch für die größten Erfolge und den maximalen Ehrgeiz, also all das, was beispielsweise Sergio Ramos oder Cristiano Ronaldo, sogar Alfredo Di Stéfano verkörperten. Aber für mich ist Madridismo noch mehr. Marcelo ist meiner Meinung nach mehr.
Mehr ja, aber nicht mehr als der Klub. Jetzt soll es in diesem Kommentar nicht darum gehen, dass frühere Stars das möglicherweise nicht erkannt und getrieben von ihrem Ehrgeiz noch andernorts mehr wollten, hier soll es um Marcelo gehen. Einen Jungen aus Irgendwo, der theoretisch jeder hätte sein können (mit etwas Talent in den Beinen und nicht weniger Glück beim Scouten), der aber für das steht, was Real Madrid ist: universell.
Egal, ob du aus Kroatien, Frankreich, Uruguay oder in diesem Fall aus Brasilien stammst: Real Madrid hat die Türen offen für die, die arbeiten, die kämpfen, die sich nicht über den Klub stellen und natürlich auch die, die nicht nur das gewisse Etwas, sondern auch große Träume mitbringen. Marcelo hatte große Träume und nie zu viel gefordert und verlangt, stattdessen beispielsweise über seinen allerersten Vertrag gesagt: „Ich hab’ den Sch*** so schnell unterschrieben.“
Das Kämpfen kam danach. Erst als 19-jähriger Newcomer gegen keinen geringeren als sein Kindheitsidol Roberto Carlos, dann gegen eine geplante Leihe: „Sie wollten Erfahrung für mich. Aber ich dachte: ‚Das ist Real. Wenn ich jetzt gehe, könnte ich nie zurückkehren.‘ Er wollte, dass ich dieses Papier unterschreibe. Das einzige, was ich ihn fragte, war: ‚Wenn ich das nicht unterschreibe, muss ich nicht gehen, oder?‘“
15 Jahre später musste er erneut außerhalb des Platzes kämpfen. Aber sein Vertrag wurde und wird auch nicht verlängert. Das kann man so oder so bewerten, aber auch das ist irgendwo Real Madrid. Hier wird man nicht alt, hier gibt es nichts zu verschenken. Das „mussten“ nicht nur Legenden wie Ramos, CR7 oder Di Stéfano lernen, auch Emilio Butragueño, Iker Casillas, Raúl González, Guti und sogar eine Ikone wie Álvaro Arbeloa und auch Marcelos Idol Roberto Carlos beendeten ihre Karriere andernorts, gingen teilweise nicht ganz im Reinen. Nur wenige haben ein Einsehen, dass es andernorts keineswegs schöner sein muss. Francisco Gento, José Camacho, Manolo Sanchís, Zinédine Zidane, sie hatten das Glück (und die Erkenntnis), ihre Karrieren im Estadio Santiago Bernabéu beenden zu können, bekamen einen würdigen Abschied. Wenn Marcelo klug genug und eben wie ich ihn einschätze: anders ist, macht er es ihnen gleich. Und hat auch ein Einsehen, dass es sportlich nicht mehr reicht, dass das Leben in Madrid und in anderer Funktion beim Klub aber nicht weniger lebenswert ist.
Und dass er niemandem mehr etwas beweisen muss. Im Gegenteil: jeder andere Spieler von Real Madrid muss fortan beweisen, es mit einer solchen Legende aufzunehmen, ein solches Vorbild zu ehren. 25 Titel – Gentos Rekord (23 Titel) übertroffen von einem, der sich auch selten in den Vordergrund gestellt hat, der den Klub genauso geliebt hat. Und der verschiedene Generationen des Klubs verbunden hat: Gento war als einziger beim ersten und beim sechsten Europapokal dabei, Marcelo erlebte ab 2007 noch die Zeiten der Achtelfinal-K.os, weinte Freudentränen bei „La Décima“, hatte bei den drei CL-Titeln in Folge seine „Prime“ und konnte den Klub jetzt bei „La Decimocuarta“ in die Hände anderer geben, coachte das Team von außen, wirkte auf die vielen jungen Brasilianer als Integrationsperson und Mentor. Und beschwerte sich aufgrund seiner Reservistenrolle nie. Klar, wollte er einen neuen Vertrag, denn bei Real Madrid zu spielen, braucht immer auch eine gewisse Portion Ehrgeiz, aber nicht zu viel.
Marcelo ist Madridismo. Ein Madridismo ohne Marcelo ist ein Verlust, aber wenn der 34-Jährige klug ist, wird es dazu gar nicht kommen, und er in anderer Form dem Klub weiter dienen. Dieser Sonntagabend ist seiner, nicht wenige können sich an der Spitze verabschieden. Real Madrid verliert einen großen Spieler, und doch wird er immer ein Teil davon sein und der Madridismo einen seiner adoptierten Söhne behalten. 2007 ohne Locken und Titel nach Madrid gewechselt, ist Marcelo spätestens jetzt mehr als Ramos, CR7 und Co. Und auch deswegen ein großer Verlust. Jede Ära geht irgendwann zu Ende, so ist Fußball, aber Marcelo… Marcelo ist mehr, Marcelo ist unsterblich!
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