
„Du denkst, 50 Prozent sind genug“
MADRID/LONDON. José Mourinho macht keinen Halt vor großen Namen. Wenn er mit einem Spieler nicht zufrieden ist, spricht er das ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen sofort an. Mesut Özil kann davon ein Lied singen. Der deutsche Weltmeister bekam zu seiner Zeit bei Real Madrid in einer Halbzeitpause die Verärgerung Mourinhos deutlich zu spüren. Vor versammelter Mannschaft schimpfte der Star-Coach in seine Richtung: „Du denkst, zwei schöne Pässe reichen. Du bist dir zu fein dafür, in Zweikämpfe zu gehen. Du denkst, dass du so gut bist, dass 50 Prozent genug sind.“
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Özil versuchte die Kritik wortlos hinzunehmen, war innerlich aber aufgebracht. „Wie sehr ich ihn gerade hasse. Dabei liebe ich Mourinho eigentlich“, beschreibt Özil seine damaligen Gedanken. Zwischen den beiden entbrannte ein heftiges Wortgefecht. „Was willst du überhaupt von mir?“, fragte der Mittelfeldspieler seinen Vorgesetzten. Die Antwort des Portugiesen fiel typisch aus: „Ich will, dass du so gut spielst, wie du es kannst. Ich will, dass du in die Zweikämpfe gehst wie ein Mann. Weißt du, wie Zweikämpfe von dir aussehen? Nein? Ich zeig‘s dir!“ Daraufhin stellte sich Mourinho auf die Zehenspitzen, legte seine Arme eng an seinen Körper, spitzte die Lippen und hüpfte durch die Kabine der Königlichen.
Entschuldigung bei Mourinho: „Ich war schnell satt“
Das war zu viel für Özil. Der Linksfuß fühlte sich öffentlich gedemütigt und brüllte: „Wenn du so geil bist, dann spiel du doch!“ Als er seinem Trainer dann noch sein Trikot vor die Füße warf und ihn dazu aufforderte, selbst zu spielen, lachte Mourinho laut und sagte: „Was möchtest du? Dich unter die schöne warme Dusche verkriechen? Dir die Haare schamponieren? Allein sein? Oder willst du deinen Mitspielern, den Fans da draußen und mir beweisen, was du kannst?“
Von Özil kam keine Reaktion. Er ging wortlos in die Dusche. Mourinho rief ihm noch Worte wie „Baby“, „Feigling“ und „Wir brauchen dich nicht“ hinterher. Um welches Spiel es sich damals handelte, ist in Özils neuem Buch nicht überliefert, aber alles deutet auf das Duell mit Deportivo La Coruña im September 2012 hin, als der gebürtige Gelsenkirchener nur eine Halbzeit bestritt und Sergio Ramos Özils Trikot unter seinem eigenen trug. Real gewann jene Partie mit 5:1. Und der schmollende Deutsche? Verspürte schnell Reue und entschuldigte sich bei all seinen Mitspielern und Mourinho. „The Special One“ habe ihn aus einer Komfortzone holen wollen.
„Er wollte mir die Lässigkeit austreiben, mich abhärten“, schreibt der heutige „Gunner“ – und räumt ein, in Madrid schnell eine etwas zu lasche Einstellung an den Tag gelegt zu haben: „Ich war schnell satt, schnell zufrieden. Aber diese Verhaltensweise hat mir Mourinho ausgetrieben. Nach einigen Tagen gestand ich ihm, dass es bei mir im Kopf klick gemacht hat. Und dass ich ihm dankbar bin, dass er mir so deutlich vor Augen geführt hat, was meine größte Schwäche war.“
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