
Als Dienstagsfrüh die Ticketpreise für den kommenden Clásico (26. Oktober, 16:15 Uhr) veröffentlicht wurden, war ich keineswegs überrascht, geschweige denn geschockt. Dass es innerhalb weniger Tage einen zweiten Ticket-Preisrekord bei Real Madrid gibt, nachdem schon das kommende Champions-League-Heimspiel gegen Juventus (22. Oktober, 21 Uhr) die Schallmauer von mindestens 100 Euro pro Eintrittskarte durchbrochen hatte, war zu erwarten. Und das Ende der Fahnenstange ist längst nicht erreicht. Dabei ist das Estadio Santiago Bernabéu seit dem Umbau noch kein einziges Mal ausverkauft gewesen – der Zuschauerschnitt im bisherigen Verlauf der Saison 2025/26 beträgt gerade einmal 72.447 Zuschauer, was im Umkehrschluss bedeutet, dass pro Spiel im Schnitt ungefähr 10.000 Plätze im Bernabéu frei bleiben. Und trotzdem geben die Zahlen der Ticket-Preispolitik von Klubpräsident Florentino Pérez – rein wirtschaftlich – Recht. Wie passt das zusammen? Nicht nur durch die hohen Kartenpreise, sondern auch mittels künstlicher Verknappung der begehrten Tickets erzielen die Königlichen mittlerweile einen Umsatzrekord nach dem anderen. Wenn Fans aus dem Ausland Planungssicherheit haben wollen, bleibt Ihnen heutzutage praktisch nur eine Möglichkeit – die teuren VIP-Tickets, die man auch monatelang im Voraus erwerben kann. An die normalen Tageskarten kommt man zwar ran, allerdings nur mit ganz viel Glück und noch mehr Geduld, auch wegen des technisch instabilen und der Größe des Klubs unwürdigen Online-Ticketshops. Wo ist also dann das Problem, wenn das Ganze wirtschaftlich mehr als aufgeht?
In meinen Augen liegt in der Intransparenz und der scheinbar unendlichen Gier bei der Ticketvergabe die Gefahr, dass Real Madrid sich noch mehr von seiner Basis entfernt, als es ohnehin schon der Fall ist. Normalverdiener, Familien mit Kindern, also normale Fans, sei es aus dem europäischen Ausland, Spanien oder eben auch aus der Stadt Madrid selbst können sich einen Besuch im Bernabéu schlichtweg kaum noch bis gar nicht mehr leisten. Es wachsen gerade neue Generationen von Madridistas heran, für die der Traum, wenigstens ein Real-Heimspiel im neuen Fußballtempel zu erleben, zu einem großen Teil nur ein Traum bleiben wird. Woche für Woche sieht man dafür immer mehr zahlungskräftige Touristen aus aller Welt im Stadion, und immer weniger echte, langjährige Fans. Grundsätzlich ist die Entwicklung nachvollziehbar und verständlich, denn der (in der Theorie) immer noch mitgliedergeführte Klub muss jede Einnahmequelle in Betracht ziehen, um mit den von Milliardären, Scheichs oder sogar ganzen Staaten finanzierten Top-Klubs aus dem Ausland Schritt halten zu können. Real Madrid ist aber gerade dabei, das Rad zu überdrehen.
Wenn es ein Real-Fan aus Madrid beispielsweise nie ins Bernabéu schafft und dann wenigstens mal die Castilla im Estadio Alfredo Di Stéfano sehen möchte, geht das in der Regel auch nicht – es sei denn, man ist Socio, sprich vollwertiges Vereinsmitglied. Nur diese können nämlich Tickets für Castilla-Heimspiele (natürlich) käuflich erwerben, alle anderen müssen draußen bleiben. Heißt in meinem konkreten Fall, dass ich persönlich nur dank REAL TOTAL und und der entsprechenden Akkreditierung Spiele der zweiten Mannschaft sehen kann. Warum das so ist? Nun, wie bei so vielen Aspekten agiert Real Madrid auch hier intransparent und verschlossen, aber vielerorts wird hierbei Angst vor kritischen Stimmen, die es im Umfeld des Klubs gerade in Madrid durchaus gibt, vermutet. Zumindest würde die Erklärung zur immer und überall um absolute Kontrolle bemühten Vereinsführung um Florentino Pérez passen.

Gut, Real Madrid besteht ja nicht nur aus Fußball, man könnte ja auch zum Basketball gehen, immerhin gehören die Blancos auch in dieser Sportart seit Jahrzehnten zur absoluten Weltspitze. Tatsächlich ist es relativ einfach, an Tickets für Heimspiele von Real Madrid Baloncesto zu kommen. Die Movistar Arena, ähnlich wie das Bernabéu mitten in der Innenstadt gelegen, ist selten ausverkauft und komischerweise funktioniert auch der Online-Ticketshop meist tadellos. Aber zu welchem Preis kommt man in Madrid in den Genuss, europäischen Spitzenbasketball zu sehen? Beim letzten EuroLeague-Heimspiel gegen den französischen Klub Asvel Villeurbanne, eines der schwächsten und unattraktivsten EL-Teams, lag der Einstiegspreis bei 35 Euro – für einen Platz direkt unter dem Dach der Arena. Für einen einigermaßen attraktiven Platz im Oberrang musste man schon 50 Euro ausgeben, während die Preise für den Unterrang zwischen 85 und 95 Euro lagen. Bei Spitzenspielen wie den Clásicos oder gegen europäische Eliteteams steigen die Preise exponentiell. Für die meisten normalen Fans, die schon beim Fußball, sei es bei Tickets oder Fanartikeln, gerupft werden, ist das dann ebenfalls in der Regel unerschwinglich. Ergebnis: Mit gut 7.000 Zuschauern war die Halle gegen Asvel gerade einmal zur Hälfte gefüllt, und die Stimmung auch dementsprechend.
Apropos Intransparenz – ein Begriff, der im Zusammenhang mit Real Madrid immer wieder und immer häufiger fällt: Seit Monaten wird unter Fans und auf Social-Media-Plattformen darüber diskutiert, wie denn nun Reals Stadion künftig heißen wird. Bliebt es beim traditionellen Estadio Santiago Bernabéu oder wird eher die verkürzte, besser zu vermarktende Variante gewählt? Nun, die Entscheidung ist längst gefallen, das Stadion in Chamártin heißt quasi schon offiziell einfach nur – Bernabéu. Das ist nicht nur im Stadioninnern längst sichtbar, sondern auch auf der offiziellen Webseite des Klubs. Als Fan muss man mittlerweile schon froh sein, dass der Kelch respektive das Monster namens The Bernabéu an einem vorbeigegangen ist, aber insgesamt passt auch hier die Vorgehensweise des Klubs zum allgemeinen Verhalten in den letzten Jahren: Still, heimlich und schleichend hat man hier einfach schon Fakten geschaffen, ohne die Anhängerschaft in irgendeiner Art und Weise zu informieren, geschweige denn einzubeziehen. Gleiches beim Abschaffen der ersten, ursprünglichen Vereinshymne, die bis vor zwei Jahren zumindest noch nach Abpfiff lief. Demokratie und Transparenz sehen anders aus. Was bei einem zu 100 Prozent mitgliedergeführten Verein eigentlich selbstverständlich und dringend geboten gewesen wäre. Nicht nur ich befürchte, dass die Namensänderung nur der erste Schritt zu einem künftigen XYZ-Bernabéu ist, mit einem Sponsorennamen davor und dicken Vertrag dahinter. Vielleicht, ja sogar wahrscheinlich ist auch ein solcher Schritt aus ökonomischer Sicht unumgänglich, es wäre aber einfacher damit umzugehen, wenn man Fans, vor allem aber die Mitglieder in diese Prozesse involvieren würde. Was – und da wiederhole ich mich gerne – bei einem Verein, der nur seinen Mitgliedern gehört, selbstverständlich sein müsste.

Bei allen Erfolgen, Titeln, Stars und Spektakeln macht in meinen Augen vor allem eins die Faszination und den Mythos Real Madrid aus – die Nähe zur Basis, eine gewisse Bodenständigkeit. Bei aller Noblesse, die diesen Klub schon immer umgeben hat, war Real immer auch nahbar, greifbar. Ein Weltklub, eine Weltmarke zum Anfassen. Nicht nur für Mitglieder, sondern auch für normale Fans. Davon ist leider nicht mehr viel zu sehen, und es wird gefühlt von Tag zu Tag weniger. Damit würde aber ein wesentlicher, für mich fast schon essentieller Teil der Vereinsidentität verloren gehen. Und oft sind es nur (scheinbare) Kleinigkeiten, die diesbezüglich ein besorgniserregendes Gesamtbild ergeben. So versäumt es Real in den letzten Jahren beispielsweise nie, über seine Social-Media-Kanäle das Chinesische Neujahrsfest oder andere große Feiertage zu zelebrieren oder zu gratulieren, was angesichts der riesigen Anzahl an Fans weltweit verständlich und auch begrüßenswert ist. Gleichzeitig kam am vergangenen Sonntag kein einziger Post, keine einzige Silbe seitens des Aushängeschilds Spaniens zum Día de la Hispanidad, dem spanischen Nationalfeiertag. Persönlich kann ich bezeugen, dass dieser Umstand unheimlich vielen Madridistas in Spanien – gelinde ausgedrückt – sauer aufgestoßen ist. Spanische Flaggen sieht man ohnehin nicht mehr im Bernabéu, von Fanklub-Bannern außerhalb der Grada ganz zu schweigen. Das Misstrauen ins Vorgehen von Pérez und Co. wächst von Tag zu Tag und so halten sich in der spanischen Hauptstadt seit Wochen hartnäckig Gerüchte über angebliche Pläne der Vereinsspitze, die Rechtsform des Klubs in eine Kapitalgesellschaft ändern zu wollen, um Türen für Investoren öffnen – zumindest bis zu 49 Prozent. Rein rechtlich nicht ganz einfach, denn gemäß Vereinssatzung wäre dafür eine absolute Mehrheit auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung notwendig, was zumindest derzeit sehr unwahrscheinlich erscheint. Andererseits aber: Wer kann hundertprozentig ausschließen, dass Florentino Pérez, der als Präsident ohnehin zuletzt immer wieder konkurrenzlose Wahlsiege einfuhr dank der einen oder anderen Anpassung, und Co. still, heimlich und schleichend nicht längst an einer Lösung daran arbeiten respektive bereits eine haben? Ich kann es nicht…
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