
„Denkt mal daran, wie die Konkurrenz bei Real aussah“
PARIS. Knapp vier Monate ist nun schon her, dass Jesé Rodríguez das letzte Mal ein Fußballspiel absolviert hat. Am 17. März wurde der Linksaußen bei Stoke Citys 1:2-Heimniederlage gegen Everton elf Minuten vor Schluss eingewechselt, danach fand die Liason zwischen dem Linksaußen und den „Potters“ nach gerade einmal 13 Pflichtspielen ihr jähes Ende. Der Grund dafür war mehr als verständlich: Jesés Sohn Nyan litt an einer schweren Krankheit und kämpfte in seiner Heimatstadt Las Palmas um sein Leben. Da sich der Spanier so kaum noch auf den Fußball konzentrieren konnte, vereinbarten beide Seiten eine einvernehmliche Trennung. Das runde Leder spielte für den ehemaligen spanischen Junioren-Nationalspieler zu dieser Zeit nur eine unbedeutende Nebenrolle.
Mittlerweile ist Nyan wohlauf und der einstige „Goldjunge“ aus Madrid will es nochmal wissen. Bei Paris Saint-Germain, das Jesé 2016 für 25 Millionen verpflichtete, hofft der 25-Jährige im zweiten Anlauf auf seinen lang erhofften Durchbruch – trotz nun knapp vier Monaten ohne Spielpraxis. „Ich habe riesige Lust wieder zu spielen. Es dauert zwar noch, bis die Pflichtspiele losgehen, aber auch wenn zunächst Freundschaftsspiele anstehen, freue ich mich riesig. Natürlich habe ich lange nicht gespielt, aber ich bereite mich seit Monaten vor und fühle mich stark und gut. Die Vorbereitung gibt einem dann nochmal einen Extra-Schub“, so der ehemalige Canterano im Gespräch mit der MARCA.
Dass seine Zukunft beim französischen Meister dabei alles andere als gesichert scheint, ist für den Kanarier erst einmal sekundär. Zunächst wolle er einfach wieder Fußball spielen und sich empfehlen. Die namhafte Konkurrenz im illustren Pariser Kader sieht Jesé dabei sogar als Extra-Motivation: „Erst einmal will der Klub, dass ich die Vorbereitung mitmache und dann werden wir sehen, was passiert. Ich bin voller Vorfreude, habe große Lust, zu trainieren, und will dem neuen Trainer zeigen, wozu ich fähig bin. Konkurrenz hat mir schon immer gefallen, schon seit ich klein war. Ich bin bei Real Madrid aufgewachsen. Denkt mal daran, wie die Konkurrenz aussah, als ich zur ersten Mannschaft stieß: Benzema, Cristiano, Bale, Di María, Morata, Isco, James… Und ich spielte trotzdem. PSG ist ein großer Klub mit großartigen Spielern und am Ende denke ich, dass die Konkurrenz gut ist, um das Beste aus jedem Spieler herauszuholen.“
„Ich will mich zeigen und meinen Platz erkämpfen“
Die aktuell noch laufende Weltmeisterschaft könnte Jesé dabei in die Karten spielen, sich nachdrücklich bei Thomas Tuchel zu empfehlen. Gerüchte, wonach Paris’ neuer Trainer nicht mit ihm plane, wischte er umgehend beiseite: „Gerade läuft eine Weltmeisterschaft und es gibt Spieler, die dort noch teilnehmen oder gerade erst ausgeschieden sind, also später zurückkehren werden. In dieser Zeit hoffe ich, die Gelegenheit zu bekommen, mich zu zeigen und meinen Platz zu erkämpfen. Tuchel hat mir nichts gesagt. Der Klub hat mir lediglich mitgeteilt, dass sie wollen, dass ich die Vorbereitung absolviere. Danach werden wir sehen.“
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Bereut habe er seinen Abgang von Real Madrid jedenfalls noch nicht, wenngleich das erste Jahr bei PSG – sowie die anschließenden Leihen bei UD Las Palmas und Stoke auch – alles andere als nach Plan lief: „Real Madrid ist Real Madrid. Das wissen wir alle. Aber keine Erfahrung gleicht der anderen, man muss das alles erleben und annehmen, egal ob es gut oder schlecht läuft. Die Dinge liefen nicht so, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber ich habe jetzt noch drei Jahre bei PSG vor und werde mit allem, was ich habe, kämpfen. Mal sehen, was passiert. Aber ich werde alles geben. Als ich zu PSG kam, trainierte ich hart. Zunächst lebte ich lange Zeit im Hotel, weil ich kein Haus fand. Nach meiner ersten Woche und meinen ersten Minuten hatte ich eine Blinddarm-Operation. Das hinderte mich, meine Form zu finden. Ich war bereit, um zu spielen, aber sie gaben mir nicht die Möglichkeit, Minuten zu sammeln.“
„Meine Läufe? Eine Frage des Selbstvertrauens“
Natürlich schwirre die verhängnisvolle Kreuzbandverletzung aus der Spielzeit 2013/14, die seine Karriere so sehr ins Stocken geraten ließ, immer noch im Hinterkopf herum, für physische Einschränkungen sorge das lädierte Knie mittlerweile aber nicht mehr: „Natürlich denke ich manchmal daran, diesen Tag werde ich nie vergessen. Aber das Knie ist perfekt, ich habe keine Beschwerden. Ich bin bereit für den Wettkampf.“
Die Ansicht, dass er sich aufgrund der Verletzung als Spielertyp – vom leichtfüßigen Dribbler hin zum bulligen Flügelstürmer – verändert habe, teilt Jesé allerdings nur bedingt: „Als ich mich verletzte, musste ich Muskulatur aufbauen. Vor allem für die Richtungswechsel, die Sprünge, die Zweikämpfe habe ich muskulär zugelegt. Aber das hat nichts mit meinen Läufen zu tun. Das ist eher eine Frage des Selbstvertrauens, der Minuten, die man absolviert, der Kontinuität… Ob ich nicht mehr so leichtfüßig bin? Es ist nicht so wichtig, wie kräftig du bist, das Wichtige ist, dass du dich schlank fühlst. Das erreichst du nur durch Spiele. Auf diese Weise fühlst du dich schnell, geschickter. Ich kann mich noch so sehr um mich kümmern und so viel ich will trainieren, aber wenn du keine Wettkämpfe bestreitest…“
„Als Profi liegt noch viel vor mir, ich bin noch jung“
Ob möglicherweise auch die immense Erwartungshaltung, die seine starken Auftritte während seiner Anfangszeit in Madrid schürten, eine Rolle spielt, dass er in Paris bislang noch nicht so wirklich Fuß fassen konnte? Für den Ex-Blanco kein abwegiger Gedanke. Dennoch ist es das erklärte Ziel des „Goldjungen“, jenes Niveau früherer Tage endlich wieder auf den Platz zu bringen: „Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Ich denke, dass viele das heraufbeschworen haben, was sie in mir gesehen haben. Und das, was sie gesehen haben, war ich. Mir gelingt es aktuell nur nicht, das zu zeigen. Deshalb habe ich nun monatelang trainiert und mich vorbereitet. Um die Möglichkeit zu bekommen, wieder der Alte zu werden… oder sogar besser. Ich weiß, dass ich das kann. Es liegt noch Vieles vor mir. Als Profi bin ich noch jung. Ich weiß, dass es von der Arbeit, von der Opferbereitschaft abhängt… und auch ein bisschen vom Glück. Warum ich über Glück spreche? In der Vergangenheit sind einige Dinge nicht so gelaufen, wie sie mir gefallen hätten. Einige Trainer geben dir die Gelegenheit, aber es gibt auch welche, die sie dir nicht geben, obwohl du es verdient hast. Das hängt nicht immer von dir selbst ab. Ich will beweisen, dass ich ein großer Spieler sein kann. Wenn man spielt, fühlt man sich wichtig, schießt Tore, gibt Vorlagen… Ich denke, dass jeder Spieler, wenn die Umstände passen, seine Qualitäten zur Geltung bringt. Hoffentlich komme ich an diesen Punkt.“
„Das wünsche ich niemandem“
Um dieses Ziel zu erreichen, soll beim passionierten Hip-Hop-Fan auch privat endlich Ruhe einkehren. Nachdem sich Nyan nun endlich außer Lebensgefahr befindet, will Jesé auch die teils öffentlich ausgetragene Fehde mit Ex-Partnerin Aurah Ruiz, die ihn in den sozialen Netzwerken hart kritisierte, auf sich beruhen lassen: „Das ist ihre Show, ihr Spektakel. Ich schaue nur auf mein Training und erledige meine Dinge. Meinen Kindern fehlt und wird es Gott sei Dank an nichts fehlen. Diese Show will sie diesen Leute geben, soll sie das weiterhin tun. Die Wahrheit wird sie irgendwann einholen. Alles zu seiner Zeit.“
Seine Verärgerung über die teils sehr polemischen Berichte in der spanischen Klatschpresse konnte der Ex-Blanco allerdings nicht gänzlich hinter dem Berg halten: „All diejenigen Personen, die solche Dinge veröffentlichen, würde ich gerne fragen, ob sie gerne ein krankes Kind zuhause hätten, das zweimal fast gestorben wäre. Das wünsche ich wirklich niemandem. Die Leute sind sehr ignorant und reden einfach drauf los, keiner fragt sich, wie es einem vielleicht damit geht und wie schwer das für jemanden sein könnte, nicht nur für einen Profi, mit so einer Situation umzugehen. Ich wünsche das niemandem, aber jetzt ist alles gut.“
All das soll nun aber keine große Rolle mehr spielen. Ab sofort gelte die volle Konzentration nur noch PSG – mit der klaren Mission, sich einen Stammplatz zu erkämpfen: „Ich fühle mich stark, meinem Kind geht es gut, alles ist unter Kontrolle und jetzt gilt es, nach vorne zu schauen.“
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