
Wie eine Drohung hallt das Wort Super League seit Monaten durch Zeitungen und Twitter, und doch wusste keiner so richtig, womit genau gedroht wurde. Als es endlich Fakten gab, war mein erstes Gefühl: Erleichterung. Erleichterung, weil die Super League NICHT als Ersatz für die nationale Liga gelten soll („Spiele unter der Woche, sodass alle Klubs weiterhin an ihren jeweiligen nationalen Wettbewerben teilnehmen können.“). Ob Real, United, Juventus und Co. überhaupt noch erlaubt wird, in ihren Ligen mitspielen zu dürfen, sei mal dahingestellt – aber glaubt wirklich jemand, dass der Verband Barça die rote Karte zeigt? Für mich haben die nationalen Wettbewerbe klar Vorrang, das Alltagsgeschäft ist das Wichtigste, hier können Cádiz und Levante sich noch mit den Großen messen und von ihnen profitieren – sei es durch die dank Real höheren TV-Gelder oder durch die erhöhten Ticket-Verkäufe wenn Messi ins Benito Villamarín kommt. Hier können Dawids noch Goliaths schlagen. Der europäische Wettbewerb kommt in meinen Augen dann on top. Dass es hier Reformen benötigte, ist klar. Stillstand ist im Billionen-Geschäft Fußball Gift – so nüchtern muss man es sehen. Solange also die ältesten Wettbewerbe – die Ligen – unangetastet bleiben, bin ich pauschal erstmal offen für Neuerungen oder zumindest Änderungen.
Aber: Ein „geschlossener“ Wettbewerb, in dem zwölf oder 15 Granden nur fünf weiteren Klubs gestatten, sich ihrer Exklusiv-Orgie anzuschließen? Das sehe ich kritisch, so brauchen sich Sevilla, Gladbach und Co. kaum noch anstrengen – die Großen blieben unerreichbar, die Lücke unüberwindbar. Andererseits: Die UEFA hatte selbst feste Startplätze in Planung – Arsenal wieder in der Champions League, obwohl sie in den letzten Jahren nie auf Qualifikationsplätzen standen? Und noch mehr Einnahmen für die Ihrwisstschonwen. Das hätte es mehr oder weniger so oder so gegeben. Jetzt könnet man philosophieren über die ohnehin korrupte UEFA – oder die nicht stillbare Gier der Top-Klubs. Wer ist gieriger, UEFA oder Real? Egal ob Champions oder Super League: Wer daran teilnimmt, muss es sich verdienen – durch eine Qualifikation und auch während des Wettbewerbs muss es um mehr als nur „Hauptsache gegeneinander spielen“ gehen. Noch erkenne ich den Reiz der SL nicht, aber auch die CL soll durch vier weitere Teams aufgestockt und weiter aufgeblasen werden mit noch mehr Partien. Änderungen gerne, Änderungen sind irgendwann unvermeidlich, aber hinsichtlich der Anzahl der Spiele sehe ich nicht viele Unterschiede zwischen SL und CL. Es ist wohl die Söder-Laschet-Frage: Welcher Wettbewerb ist das kleinere Übel?
Was ich besonders kritisch sehe bei all der Thematik: Im Gegensatz zu City, Liverpool, Chelsea und Co., wo Investoren dahinter stecken und entsprechend Einzelpersonen über das Schicksal entscheiden, ist Real Madrid (genauso wie Barcelona) ein mitgliedergeführter Verein. Fragt Florentino Pérez die circa 100.000 „Socios“ noch nach ihrer Meinung (spätestens auf der jährlichen Mitgliederversammlung im Spätherbst) oder hat er auch deswegen die „Präsidentschaftswahlen“ extra früh angesetzt, um dem nun aufgekommenen Gegenwind aus dem Weg zu gehen? Wenn die Mitglieder hierbei übergangen würden, wäre das in meinen Augen der eigentliche Skandal.
Denn Fußball gehört in meiner teilweise noch immer leicht naiv-romantischen Welt nur einer Gruppe: den Fans, nicht zwölf Milliardären. Die Fans entscheiden, ob sie Katar 2022 floppen lassen (ich habe „Die Mannschaft“ schon ewig nicht mehr gesehen), die Fans entscheiden durch ihre TV-Quoten – dass die TV-Gelder wichtiger sind als Eintrittsgelder machte spätestens Corona offensichtlich – wie der Erfolg einer SL oder einer reformierten CL ausfällt. Und die Fans müssten zumindest bei Real Madrid über so eine elementare Entscheidung mitbestimmen.
An Drohungen wie Nationalmannschaftsverbot der SL-Spieler glaube ich nicht (halte sie zumindest für sehr schwierig umsetzbar), aber ich traue dem Braten auch noch immer nicht. Am Ende ist es doch ein gewaltiges Druckmachen auf die UEFA, damit mehr Prozente an die Vereine gehen. Viele sind heutzutage pauschal erstmal nicht nur kritisch, sondern direkt ablehnend gegenüber Neuem – egal ob im Technologischen oder Politischen. Aber irgendwann waren auch mal Anschnallgurte, Rauchverbot in Flugzeugen und Pfandpflicht neu und verpönt – oder als die drei-Punkte-Regel eingeführt wurde oder der Weltpokal zur Klub-WM wurde. Ob ich für oder gegen die Super League bin? Ich weiß es noch immer nicht! Vieles ist noch unklar, und am Ende wird es vielleicht doch der größte Furz der Fußballgeschichte sein – ein bisschen hoffe ich darauf.
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