
Genau einen Tag nach Kriegsende, am 9. Mai 1945, erblickt Josef Heynckes in Mönchengladbach, das noch München-Gladbach heißt, das damals sehr gedimmte Licht der Welt. Josef, so darf ihn aber eigentlich nur Ehefrau Iris nennen. Dann sogar lieber “Osram”.
Wieso Heynckes im WM-Finale 1974 nur zuschauen durfte
Erstmals zu Osram, zur leuchtenden Birne, wurde Spieler Heynckes vielleicht 1974, als der Europameister trotz zweier Vorrunden-Einsätze nicht wirklich zur deutschen Weltmeister-Mannschaft gehörte. Und daher mit seinem Frankfurter Kumpel Bernd Hölzenbein vereinbarte, dass der, der im Endspiel spielen dürfe, sich zehn Minuten vor Ende für den anderen auswechseln lassen würde. Hölzenbein durfte ran, vergaß den Pakt im Eifer des Gefechts aber – was ihm Heynckes noch viele Jahre krumm nahm.
Qualitativ hätte Jupp allemal in die Elf von 1974 gehört, Bundestrainer Helmut Schön wollte im klassischen 4-3-3 auf Außen aber lieber zwei andere Spielertypen sehen. Und gut, in der Mitte spielte Gerd Müller. Obwohl Knipser Heynckes – das hatte er sich bei seinem großen Idol Ferenc Puskás abgeschaut – durch seine Agilität, Ballbeherrschung und Übersicht eigentlich überall auf dem Feld hätte spielen könnten, glaubte er stets: “Den perfekten Stürmer gibt es nicht.”
Überall Torschützenkönig
Perfekt ist dennoch die Ausbeute des Stürmers, der in der Bundesliga, im Europapokal der Landesmeister, dem Europapokal der Pokalsieger und dem UEFA-Cup Torschützenkönig wurde. Wenn das kein Qualitätsmerkmal ist. Einer der besten Angreifer seiner Generation, der als 21-Jähriger fünf Tore in einem Bundesliga-Spiel schoss – und als 32-Jähriger nochmal.
Zu Beginn war der manchmal hitzige Jupp aber auch etwas ungeduldig, als er seine florierenden Fohlen 1967 verließ, weil in Hannover angeblich noch Größeres entstand. Dem war bekanntlich nicht so, ihre erste Meisterschaft holte Weisweilers Borussia 1970 ohne Heynckes. Der danach aber sofort zurückgeholt, viermal Meister, Pokalsieger und UEFA-Cup-Sieger wurde. 1977 verpassten die Fohlen die ultimative Krönung im Landesmeister-Finale gegen Liverpool.
Einzig in der Nationalmannschaft schien Heynckes in der falschen Generation geboren zu sein. 14 Tore in 39 Spielen – eigentlich so gar nicht Jupp. Der in der Bundesliga über 500 Spiele gewinnt, mehr als jeder andere. Als Spieler…
“Jupp” ermöglichte Netzers Selbsteinwechslung
…und als Trainer! Der sich schon zu Spielerzeiten bemerkbar macht, als ihm Kamerad Günter Netzer vor dem berüchtigten DFB-Pokalfinale 1973 verriet, dass er sich gleich aus dem Staub mache, weil er ohnehin nicht spielen würde. Heynckes jedoch überzeugte den Rebellen vom Bleiben und bescherte dem deutschen Fußball einen weiteren denkwürdigen Moment. Mit großen Spielern konnte Jupp umgehen.
Deshalb erkannte und förderte er schon in seinem ersten Trainerjahr einen gewissen Lothar Matthäus – oder brachte selbst den unfehlbaren Uli Hoeneß dazu, die Heynckes-Entlassung 1991/92 nicht nur als Fehler zuzugeben, sondern “als größten meiner Karriere”. Das sollte sich für die Bayern später ja noch ausgehen.
Kapitel Real: Für Zweitwahl Heynckes kam “la Séptima” zu spät
Als “Entrenador” Real Madrids in einer turbulenten Saison 1997/98 erlebte Heynckes Höhen und Tiefen. Aus Teneriffa nur als Ersatz für den eigentlich gewünschten Champions-League-Sieger-Trainer Ottmar Hitzfeld (1997 mit Borussia Dortmund) gekommen, hatte er der einen Großteil der spanischen Presse von Anfang an gegen sich – und bald auch die königliche Führungsetage, weil in der Copa bereits im Achtelfinale gegen Zweitligist Alavés Schluss war und in der Liga nur Platz vier heraussprang. Warum? Weil “die Spieler diesen Wettbewerb gar nicht erst wahrnahmen. Alles drehte sich nur um ‚la Séptima‘.”
Als bereits feststand, dass Heynckes seine eine Saison an der Concha Espina sportlich nicht überleben würde, machte er den Blancos doch noch den Hitzfeld – und feierte die umjubelte “Séptima”, den ersten großen Europapokal nach 32 endlos langen Jahren. Wodurch ihm trotz der kurzen Amtszeit auf ewig ein Platz in den königlichen Annalen zusteht. Und doch musste er danach gehen. “In der Vereinsspitze tobte ein politischer Machtkampf. Ich spürte, dass ich dort von Anfang an nicht den absoluten Rückhalt besaß. In den Vorstandsetagen von Real hielten sich einige damals für Halbgötter“, verriet er Jahre später. Er wollte schon im Winter nicht mehr weiter machen, aber seinen Zweijahresvertrag einfach kündigen? Lieber gekündigt werden: “So selbstlos, Real Madrid noch etwas zu schenken, war ich nicht.”
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Dem Mann, der seinen roten Kopf, aber auch seine Magie selbst jenseits der 70 noch nicht verloren hatte, gönnt man seinen wohlverdienten Ruhestand. Inzwischen scheint er ihn sich auch selbst zu gönnen. Er hinterlässt ein Denkmal. “Alles Gute, Josef”, wird heute wohl nur Iris Heynckes sagen dürfen. Wir anderen sagen also: Lass dich feiern, Don Jupp!
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